Dringend
Berlin, 25. Oktober 1919
Vor einigen Tagen hat sich ein Herr Strauss, Geheimer Regierungsrat bei der Preussischen Staatsregierung, bei mir eingefunden, um mir im Namen des «Staatskommissars für die Überwachung der öffentlichen Ordnung» die Frage vorzulegen, ob die Schweiz bereit wäre, einen direkten Verkehr zwischen dem genannten Staatskommissar und den schweizerischen Polizeidienststellen zu ermöglichen zum Zwecke der Überwachung und Bekämpfung der bolschewistischen Bewegung. Herr Strauss teilte mir unter anderem mit, dass die derzeitige Regierung ganz mit dem bisherigen System der Ausübung geheimer polizeilicher Funktionen in fremden Ländern brechen und an dessen Stelle den direkten Verkehr der hiesigen Amtsstellen mit den entsprechenden Behörden in den anderen Ländern treten lassen würde. Er hob hervor, dass dieser Verkehr seiner ganzen Natur nach nicht auf dem umständlichen Wege der diplomatischen Beziehungen geführt werden könne. Weiter sprach er die Ansicht aus, dass alle Länder Europas ein gemeinsames Interesse daran haben, den Kampf gegen die Ausbreitung des Bolschewismus mit vereinten Kräften zu führen. In diesem Sinne hat der Staatskommissar bereits Abmachungen getroffen mit den Polizeistellen in sämtlichen Nordstaaten und neuestens auch mit den italienischen Behörden. Er wünscht zu wissen, ob die Schweiz geneigt sei, auf ein ähnliches Abkommen einzutreten.
Ich habe Herrn Strauss ersucht, mir sein Anliegen schriftlich vorzulegen und in dieser Eingabe die Richtlinien auseinander zu setzen, nach welchen sich dieser Verkehr gestalten sollte.
Diese Eingabe2 ist soeben eingetroffen, und ich beeile mich, Ihnen Abschrift derselben in doppelter Ausfertigung zugehen zu lassen mit der Bitte, mir baldmöglichst mitteilen zu wollen, ob Sie geneigt sind, auf die Anregung einzugehen und, wenn ja, welche Antwort ich dem Staatskommissar erteilen soll.
Herr Geheimrat Strauss hat mich gebeten, Sie auf die Dringlichkeit des Vorschlages hinzuweisen, welcher durch die Tatsache bedingt sei, dass offenbar in neuester Zeit eine starke Bewegung der Bolschewisten im Gange sei.
Ich lege ferner bei das Verzeichnis3 der in der hiesigen Kartothek des Staatskommissars geführten Schweizer Kommunisten und bitte Sie, dasselbe der zuständigen schweizerischen Polizeistelle bekanntgeben zu wollen.4