Classement thématique série 1848–1945:
I. LA SUISSE ET LA SOCIÉTÉ DES NATIONS
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 7-II, doc. 46
volume linkBern 1984
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2001B#1000/1508#14* | |
Dossier title | Discussions parlementaires concernant l'accession de la Suisse à la Société des Nations (1919–1919) | |
File reference archive | B.56.41.01.06 |
dodis.ch/44257
Le Chef du Département politique, F. Calonder, à la Commission du Conseil national et du Conseil des Etats pour la préparation de la Question de l’Entrée de la Suisse dans la Société des Nations1
Einleitendes Votum von Herrn Bundesrat Calonder.
Herr Bundesrat Calonder verweist in seinen einleitenden Ausführungen auf die Botschaft2 und die verschiedenen Kundgebungen des Bundesrates an die Bundesversammlung sowie auf die Berichte über die vom politischen Departement mit den Vertretern der Presse veranstalteten Konferenzen3, die historisch und systematisch über die allgemeinen Linien der Frage unterrichten. Der Zweck der gemeinsamen Sitzung der beiden Kommissionen, so führt der Redner aus, ist weniger der einer allgemeinen Diskussion als einer Abklärung der einzelnen Fragen diplomatischer, rechtlicher, wirtschaftlicher und militärischer Natur. Es sollen darum nur einige wenige leitende Gesichtspunkte kurz skizziert werden.
Wie stellt sich die Schweiz grundsätzlich zum Völkerbund? Zu dieser Frage, die grundlegend ist, muss man Stellung nehmen. Wer den Gedanken des Völkerbundes von vornherein verwirft, wird logischer Weise auch die Beitrittsfrage verneinen. Wer umgekehrt von der Begründetheit der Idee erfüllt ist, wird es als Pflicht und Ehre der Schweiz betrachten, beizutreten. Die bisherigen internationalen Verhältnisse charakterisieren sich vor allem durch die schrankenlose Souveränität der Staaten und die rücksichtslose Wahrnehmung der nationalen Interessen durch Gewalt und Intrige. Und diese Auffassung und die Befolgung einer reinen Machtpolitik wurde gestärkt und gesteigert durch den Ausbau grosser nationaler Staaten, wie er sich in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vollzog. Dieser ausgeprägte, rein von egoistischen Gesichtspunkten geleitete Nationalismus steht aber in Widerspruch zu der unvermeidlichen, tausendfachen gegenseitigen Abhängigkeit der Staaten, wie sie durch die heutigen Verhältnisse bedingt ist. Diese Betonung der schrankenlosen nationalen Souveränität und die Befolgung einer ausgesprochenen Machtpolitik führte zum System des europäischen Gleichgewichts, wie es aus dem spanischen Erbfolgekrieg hervorgegangen und auf dem Wiener Kongress neuerdings bestätigt wurde. Und das Ergebnis diesen Systems des mechanischen Gleichgewichts der Kräfte war Krieg und immer wieder Krieg. Der Weltkrieg mit seiner unerhörten Entfesselung aller Leidenschaften, seinem masslosen Elend, seiner Verrohung der internationalen Sitten, seiner Missachtung der Rechtsbegriffe und Verträge, wie sie nach Verletzung der belgischen Neutralität zu Tage traten, bedeutet die rückhaltlose Verurteilung dieser Ordnung. Denn was sollte schliesslich aus Europa werden, wenn neue Kriege über es herein brechen sollten, die in allen materiellen und moralischen Wirkungen sicherlich noch entsetzlicher wären als der soeben zu Ende gegangene. Und ganz davon abgesehen, müsste eine weitere Steigerung der militärischen Leistungen notwendig den Ruin der Staaten herbeiführen. Darum kann die Losung nur lauten: Krieg dem Krieg und dem Militarismus im schlimmen Sinne des Wortes. Auch die Verkünder einer neuen sozialen Ordnung haben sich nun ausschliesslich auf den Boden der brutalen Macht gestellt. Wie sollen da soziale Reformen und eine ruhige Entwicklung der sozialen Verhältnisse im Interesse aller möglich sein? Darum muss unser Schweizervolk alles unterstützen, was dem Machtprinzip entgegenarbeitet und geeignet ist, Kriege zu verhindern. Wer jenen Stimmen Gehör schenken wollte, die sagen, dass der Krieg ein notwendiges Übel sei und es darum immer Kriege geben werde, müsste vernünftiger Weise am Ausbau der internationalen Beziehungen verzweifeln und die Freude an der Mitarbeit verlieren. Nur eine entwicklungsfähige internationale Organisation kann die Zivilisation vor dem drohenden Zusammenbruch bewahren. Der Gedanke des Völkerbundes scheint der einzige Ausweg zu sein, und es ist für die Schweiz Pflicht und ein hohes moralisches Gebot, nach Kräften an der Verwirklichung der Idee mitzuhelfen, nachdem sie nunmehr praktische Gestalt angenommen und voraussichtlich alle zivilisierten Staaten der Organisation angehören werden. Bereits hat Spanien seinen Beitritt erklärt. Holland, Schweden, Norwegen und Dänemark werden sich nach vorliegenden Nachrichten ebenfalls anschliessen. Und wenn auch Russland und die Zentralstaaten zur Zeit noch ausgeschlossen sind, so ist doch auch ihre Zugehörigkeit nur eine Frage der Zeit.
Bei der Prüfung der Frage, welchen Fortschritt der Völkerbund in der Entwicklung der internationalen Beziehungen bringen wird, ist in erster Linie auf Artikel 12 zu verweisen, dessen grosse Bedeutung darin liegt, dass in allen Streitfällen die Angelegenheit in einem kontradiktorischen Verfahren, in Rede und Gegenrede, zur Erörterung kommt. Da sowohl im Falle der Anrufung eines Schiedsgerichts als bei der Prüfung durch den Rat des Völkerbundes wenigstens neun Monate verfliessen werden, bevor eine Partei zum Kriege treten darf, so liegt schon in dieser langen Frist und der Gelegenheit, die der öffentlichen Meinung geboten wird, sich mit der Sache zu beschäftigen, eine starke moralische Garantie für die Erhaltung des Friedens. Für die Neutralen ist von besonderer Wichtigkeit, dass nach den Bestimmungen der Artikel 15 und 16, in denen das Untersuchungsverfahren in Streitfällen geregelt wird und die Sanktionen festgesetzt sind, solche Kriege, die die Gegnerschaft des Völkerbundes hervorrufen werden, d.h. Überfallskriege, in Zukunft nicht mehr Vorkommen werden. Eine weitere wichtige Neuerung ist, dass internationale Verträge und Übereinkommen, um verbindlich zu sein, beim Sekretariat angemeldet und von ihm publiziert werden müssen.
Die Statuten des Völkerbundes tragen offenbar ein ausgesprochen angelsächsisches Gepräge, und es entspricht der Denkart der Angelsachsen, empirisch und hie und da systemlos vorzugehen, im Gegensatz zur lateinischen Auffassung. Daraus mag sich mancherlei erklären, was an dem Völkerbundspakt, wie er heute vorliegt, unvollkommen und mangelhaft erscheint. Es handelte sich eben darum, im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten vorerst eine Grundlage zu schaffen, auf der dann aus der Erfahrung heraus weiter gebaut werden soll. Immerhin ist zu bedauern, dass bezüglich der militärischen Abrüstung nicht weitergehende Beschlüsse gefasst wurden. Wäre die militärische Organisation des Völkerbundes besser ausgestaltet, so wäre auch das französisch-englischamerikanische Defensivbündnis, das in einem gewissen Widerspruch zum Grundgedanken des Völkerbundes zu stehen scheint und mancherorts Anstoss erregt, nicht notwendig gewesen. Noch andere Aussetzungen lassen sich machen. So wäre zu wünschen gewesen, dass man sich schon jetzt zur Schaffung eines internationalen Gerichtshofes entschlossen hätte, statt ihn auf die Zukunft zu verschieben. Aber wenn man aufrichtig sein will, wird man doch anerkennen müssen, dass vieles erreicht worden ist angesichts der überaus schwierigen Fragen, die es zu regeln galt.
Auch die Verkuppelung des Völkerbundspaktes mit dem Friedensvertrag ist vielfach kritisiert worden, und speziell in diesem Punkt scheint die Kritik nicht unberechtigt. Sodann musste das Procedere namentlich für die neutralen Staaten verletzend sein. Immerhin ist zu sagen, dass der Völkerbundspakt in der Hauptsache ausgearbeitet wurde, bevor die Delegierten für den Friedensvertrag zusammentraten und dass, wie man fast mit Bestimmtheit behaupten kann, ohne die Verkuppelung überhaupt nichts erreicht worden wäre. Auch gegenüber der vielfach bemängelten Vorzugsstellung der Grossmächte ist zu betonen, dass ihr ausschlaggebendes Gewicht eben in den Verhältnissen begründet ist und ohne den Völkerbund ihre Vormachtstellung sich kaum weniger, in vielen Fällen aber in stärkerer und rücksichtsloserer Weise geltend machen würde. Gerade der Umstand, dass der Völkerbund von ihnen angestrebt wird, während er doch der Auswirkung ihrer Macht Fesseln anlegt, ist der beste Beweis, dass sie nicht einzig und allein auf ihre Macht abstellen, sondern die rechtlichen Gesichtspunkte in den internationalen Beziehungen zur Entwicklung bringen wollen. Schon anlässlieh der Haager Konferenz haben bekanntlich England und Amerika den Ausbau des schiedsgerichtlichen Verfahrens gewünscht, aber ihre Bestrebungen sind an dem Widerstand Deutschlands gescheitert. Auch im Misstrauen muss man Mass halten. Sicherlich ist die Stimme der Völker, die sich unaufhörlich in internationalen Versammlungen und Kundgebungen vernehmen lässt, noch nie in so massgebender Weise zur Geltung gekommen wie heute.
Der Völkerbund erschöpft sich aber nicht in den Friedenssicherungen, wenn das auch wohl seine Hauptaufgabe ist, vielmehr möchte er sich mit allen rechtlich erfassbaren Aufgaben befassen. [...]4
In der Sitzung vom 19. August erörterte Herr Bundesrat Calonder in erster Linie die wichtige Frage der Neutralität und vertrat dabei nachdrücklich den Standpunkt der Botschaft, die zwischen Neutralität und Neutralitätspolitik unterschieden wissen will. Die Neutralität ist der Inbegriff der Rechte, die der neutrale Staat für sich beanspruchen kann, und der Pflichten – aber nur der Rechtspflichten –, die ihm obliegen. Zur Neutralitätspolitik gehören zum Beispiel unsere Massnahmen während des Krieges, um die Presse zu einem vorsichtigen Verhalten zu veranlassen. Es gehört dazu auch, wenn wir andere Vorsichtsmassnahmen treffen, zum Beispiel den Kaiser Wilhelm bei uns nicht aufzunehmen. Wir tun das nicht aus einer Rechtspflicht heraus, sondern um uns das allgemeine Vertrauen zu erhalten und Schwierigkeiten möglichst aus dem Wege zu gehen. Im weiteren betont der Redner, dass der Rechtsbegriff der Neutralität auf die Verhältnisse des neutralen Staates gegenüber der militärischen Situation beschränkt sei und es nicht angehe, ihn auch auf das Wirtschaftsgebiet übertragen zu wollen. Die kriegführenden Staaten haben, ohne mit uns im Kriege zu sein, alles getan, was ihnen vom Standpunkt der Kriegführung aus vorteilhaft erschien, und so dürfen auch wir tun, was uns angezeigt scheint vom Standpunkt der Wahrung unserer Friedensinteressen. Es wäre geradezu unmoralisch, wenn man nach Anerkennung einer Völkerbundsorganisation den Friedensbrecher gleich behandeln wollte wie den Rest der Welt. Wie wichtig der Standpunkt, zwischen Neutralität und Neutralitätspolitik zu unterscheiden, ist, ergibt sich schon daraus, dass andernfalls eine Wandlung des Neutralitätsbegriffes angenommen werden müsste. Der Völkerbund wird uns zwingen, uns an der wirtschaftlichen Sperre zu beteiligen.
Herr Bundesrat Calonder kommt dann noch auf die Anerkennung unserer Neutralität zu sprechen, wie sie in Artikel 435 des Friedensvertrages in Verbindung mit Artikel 21 des Völkerbundspaktes ausgesprochen ist und ebenfalls in der Botschaft eingehend zur Darstellung gelangt und betont noch einmal mit allem Nachdruck, dass, wenn wir uns dem Völkerbund anschliessen, wir nur der natürlichen Bestimmung folgen, das freundschaftliche gegenseitige Verständnis zwischen den verschiedenen Rassen und Sprachen zu fördern, während, wenn wir uns abschliessen, unsere internationale Mission für immer ausgespielt und der grosse geschichtliche Moment verpasst ist.
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