dodis.ch/44197 Aide-mémoire du Chef de la Division des Affaires étrangères du Département politique,
C. R. Paravicini1
Oberst Pageot2 spricht vor und frägt, ob es möglich sei, ihm zu sagen, wie Longuet in die Schweiz gekommen, d.h., wo er das Visa erhalten hat. Ebenso möchte er wissen, wann und wo er die Schweiz verlassen hat. Er habe hier mit Mac Donald, Buxton, Gräber, Grimm und Rosa Bloch verhandelt, welche er für die 3. Internationale hineinziehen wolle. Ich werde versuchen, ihm die verlangten Angaben zu verschaffen. Longuet habe auch den Deutschen Gesandten Müller gesehen, jedoch glaubt Oberst Pageot nicht an eine Zusammenkunft mit Solf in Freiburg. Andererseits berichtet Herr Hodler3, dass Solf in Bern und in Freiburg in letzter Zeit gewesen ist.
Pageot ist nicht sicher, ob die Deutschen wirklich die Unterschrift des Vertrages verweigern werden. Er hofft es, da ein solches Verhalten für Frankreich, und wie er sagte, für Europa und besonders für die Schweiz nur vorteilhaft sein könne. Frankreich sei immer um die Hälfte weniger bevölkert als Deutschland und es handle sich darum, Deutschland irgendwie Frankreich gegenüber in die numerische Minorität zu bringen. Jetzt wäre die Gelegenheit dazu; wenn Deutschland nicht unterzeichnet, rückt die französische Armee in Süddeutschland ein und versucht, die süddeutschen Staaten vom Norden abzusprengen. Die Rheinlande, Baden, Württemberg, Bayern (dann wäre eventuell der Anschluss Deutschösterreichs nicht mehr ganz unmöglich) würden ein süddeutsches Reich bilden. Diese Staaten haben sich, wie die Geschichte lehrt, stets gut mit Frankreich verständigen können, sind aber im letzten Jahrhundert von Preussen in die grossdeutsche Idee hineingedrängt worden. Preussen, das von allen der Hauptschuldige am Kriege ist und bleibt, würde in seinen Norden relegiert und wäre da bis zu einem gewissen Grade ungefährlich. Auf diese Weise wäre Frankreich zum Heile Europas mit seinen 40 Millionen stärker als die beiden Deutschland mit je ca. 35 Millionen. Aus diesem Grunde glaubt Oberst Pageot, dass die Nichtunterzeichnung durch die Deutschen ein Segen und nicht ein Unglück werden würde.