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Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 7-I, Dok. 213
volume linkBern 1979
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E7350#1000/1104#14* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 7350(-)1000/1104 21 | |
Dossiertitel | Berlin (1914–1918) | |
Aktenzeichen Archiv | 2.1 |
dodis.ch/43958 Le Ministre de Suisse à Berlin, Ph. Mercier, au Chef du Département de l’Economie publique, E. Schulthess1
Ich beehre mich, Ihnen von einer Unterredung, welche Herr Dr. von Albertini mit einem Referenten der handelspolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes gestern hatte, Kenntnis zu geben.
1.) Kohle. Wie bereits telegraphisch an die Abteilung für Auswärtiges (unsere Nummer 50)2 mitgeteilt wurde, ist die Kohlenausfuhrstelle West, Duisburg, angewiesen, mit dem Abtransport der versprochenen 30000 t Ruhrkohle zu beginnen, sobald die zugesagten Lokomotiven im Ruhrgebiet eingetrofTen sind. Der Preis berechnet sich vereinbarungsgemäss nach dem abgelaufenen Wirtschaftsabkommen; die Frage des Hausbrandrabattes ist noch nicht erledigt, jedoch besteht Aussicht, dass die vom Volkswirtschaftsdepartement mit den deutschen Vertretern vereinbarte Lösung angenommen wird.
2.) Wirtschaftsabkommen. Bereits vor etwa 14 Tagen äusserte sich Legationsrat Schmitt unverbindlich, dass die Absicht bestehe, der Schweiz den Abschluss eines neuen, in kleinem Rahmen gehaltenen Wirtschaftsabkommens vorzuschlagen;3 auf eine Äusserung der deutschen Wünsche ging er jedoch damals nicht ein, da zuerst einige interne deutsche Fragen zu klären wären. Nun erfahren wir, dass der Deutsche Gesandte in Bern in diesen Tagen mit Weisungen versehen worden ist, die Frage beim Volkswirtschaftsdepartement anhängig zu machen. Der Referent wollte sich auf Einzelheiten nicht einlassen, um der Deutschen Gesandtschaft in Bern nicht vorzugreifen. Aus dem Gespräch war jedoch zu erkennen, dass man mit einer Kohlenlieferung von ca. 50000 Tonnen pro Monat, und einer monatlichen Eisenlieferung von ca. 15 000 Tonnen rechnet. Ferner ist man der Ansicht, dass ein Austausch von Düngemitteln gegen schweizerische landwirtschaftliche Produkte ohne Schwierigkeiten durchführbar sein wird. Ein Hauptgewicht wird jedoch die Deutsche Regierung auf die Kreditfrage legen. Wir haben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Finanzen der Schweiz derart angespannt seien, dass sie auf eine Verlängerung der Kredite kaum werde eingehen können. Wir haben auch nicht unterlassen, anzudeuten, dass die ungünstige Finanzlage der schweizerischen Ausfuhrindustrie zum nicht geringen Teil auf die deutschen Durchfuhrschwierigkeiten zurückzuführen sei, da diese die Flüssigmachung beträchtlicher Gelder verunmöglicht haben. Jedoch haben wir den Eindruck, dass die Deutsche Regierung ein Entgegenkommen in der Kreditfrage als Voraussetzung für deutsche Lieferungen bezeichnen wird.
3.) Preispolitik. Wir haben auch gestern wieder auf die Unzuträglichkeiten der deutschen Preispolitik hingewiesen und eine durchgehende Neuorientierung als Voraussetzung eines erspriesslichen Handelsverkehrs bezeichnet. Gestützt auf verschiedene Mitteilungen Ihres Departementes und der schweizerischen Presse, haben wir die Missstände der deutschen Preispolitik für die schweizerische Industrie ausführlich dargestellt und betont, dass die Schweizerische Regierung sich unter dem Druck der nationalen Industrie genötigt sehen könnte, Einfuhrverbote gegen deutsche Waren zu erlassen, falls nicht umgehend ein Ausgleich zwischen deutschen Inland- und Ausfuhrpreisen für Rohstoffe herbeigeführt werde. Im Auswärtigen Amt ist man sich über die Unzuträglichkeiten der früheren Preispolitik klar; es scheint, dass unsere Wünsche dort Unterstützung finden, dass jedoch sowohl das Reichsschatzamt, als auch die Kohlen- und Eisenverbände an der alten Preispolitik festhalten wollen, welche lautet: restlose Ausnützung der Marktlage im Ausland, Erholung im Ausland für entgangene Gewinne am Inlandsmarkt. Wir haben den Eindruck, dass die sehr energische Androhung von Einfuhrverboten gegen deutsche Fertigfabrikate die Regierung veranlassen würde, die Preispolitik der Rohstoffinteressenten mit Rücksicht auf die Fertigfabrikat-Industrie energischer zu bekämpfen als dies bisher aus rein politischen Gründen geschehen ist.
4.) Verkauf des deutschen Besitzes in der Schweiz. Beim Auswärtigen Amt liegt die Meldung vor, dass die Entente den Erlös aus den zu verkaufenden Waren nicht zur Zahlung deutscher Verbindlichkeiten an die Schweiz zulassen wolle, sondern für sich beanspruche. Man erwarte im Auswärtigen Amt, dass die Schweiz diese Zumutung, die nicht nur gegen Deutschland gerichtet sei, sondern auch die schweizerischen Interessen schädige und einen unerhörten Eingriff in die wirtschaftliche Selbständigkeit der Schweiz bedeute, energisch zurückweisen werde. Wir wissen nicht, ob diese Meldung auf Richtigkeit beruht, glauben jedoch, sie mit Ihren Mitteilungen vom 21. vor. Mts. (Punkt 7)4 in Einklang bringen zu können. Es ist klar, dass Deutschland im Verkauf deutscher Waren sehr zurückhaltend sein wird, bzw. ihn ganz verhindern wird, wenn es nicht über den Erlös selbst verfügen kann.
Ich benutze diesen Anlass, Ihnen für das ausführliche und ausgezeichnet orientierende Schreiben Ihres Generalsekretariates vom 21. vor. Mts. bestens zu danken und Sie zu bitten, mich auch in Zukunft in dieser Weise orientieren zu wollen, da auf diese Weise eine gemeinsame Arbeit wesentlich gefordert wird.
- 1
- Lettre: EVD Zentrale 1914-1918/21-22Neues Wirtschaftsabkommen mit DeutschlandDeutschland. Paraphe: KW.↩
- 2
- Non reproduit.↩
- 3
- Cet accord commercial a été conclu le 12 juin 1919; pour le texte de la convention germanosuisse et un commentaire, cf. Feuille fédérale 1919, vol. V, p. 509 ss.↩
- 4
- Cf. no 194.↩