Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 7-I, Dok. 109
volume linkBern 1979
Mehr… |▼▶Aufbewahrungsort
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2200.41-02#1000/1671#9246* |
Alte Signatur | CH-BAR E 2200 Paris 1 1551 |
Dossiertitel | Charbon - Approvisionnement de la Suisse en charbon, Teil 1 (1919–1919) |
Aktenzeichen Archiv | 463 |
dodis.ch/43854
Wir telegraphierten Ihnen heute, dass Herr Gorjat immer noch nicht abreisen konnte, weil für die Herren Butticaz und Joerin die Einreise-Erlaubnis nach Elsass-Lothringen noch nicht da ist. Wir bedauern sehr, dass diese Verzögerung eingetreten ist, weil dadurch zweifellos unsere Kohlenversorgung leidet, und in der Spedition eine wesentliche Verzögerung eintritt. Es ist dies um so bedauerlicher, weil gleichzeitig, wie uns der Oberbetriebschef der Schweizerischen Bundesbahnen mitteilt, von der Generaldirektion der elsass-lothringischen Staatsbahnen folgendes Telegramm bei den Bundesbahnen eingetroffen ist: «Nach Mitteilung der Direktion Saarbrücken sollen im Januar 44,600 Tonnen Kohlen von Saargruben nach der Schweiz versandt werden. Da Beförderung nur in Schweizerwagen erfolgen soll, sind von jetzt ab arbeitstäglich durchschnittlich 172 solcher Wagen im Bezirk Saarbrücken erforderlich. Ersuchen Zufuhr zu veranlassen. Werden unsere Dienststellen anweisen, die Wagen zu übernehmen und weiter zu befördern.» Sie ersehen daraus, dass also die versprochenen 60,000 Tonnen ganz einfach auf 44,600 Tonnen reduziert werden, was natürlich höchst bedauerlich ist. Wir bitten Sie dringend, alles zu tun, dass solche Reduktionen vermieden werden und werden daher Gorjat anweisen, im gleichen Sinne in Saarbrücken zu wirken. Wir werden Ihnen über weitere Massregeln und Schritte betreffend Kohlenversorgung berichten, da der Zustand unmöglich so weiter gehen kann.
Auf Ihre Depesche 73 antworten wir Ihnen, was den Kohlenpreis anbetrifft, das Folgende:
Nach den Mitteilungen, die anlässlich der Verhandlungen in Washington gemacht worden sind, handelt es sich nicht mehr um Lieferung von 50,000 Stück Vieh nach Frankreich, sondern nur noch um 5000. Diese Differenz erklärt sich so, dass 40,000 aus Kanada geliefert worden sein sollen. Der Export unseres Viehes ist für den Herbst vorgesehen, was auch für die Preise günstiger sein wird. Das nach Frankreich auszuführende Vieh haben wir durch unsere für den Export geschaffene Organisation aufkaufen lassen, zu laufenden Inlandpreisen bezahlt und es soll ohne jeglichen Zwischengewinn abgeliefert werden. Den Aufkauf durch Händler, der den Markt beunruhigen und die Preise in die Höhe treiben würde, können wir nicht zugeben, und es läge dieses Verfahren auch durchaus nicht im Interesse Frankreichs.
Wir denken, dass diese Erklärungen über die Viehpreise alles denkbare Entgegenkommen enthalten und wir können eigentlich nicht verstehen, dass der Kohlenpreis vom Preis des Viehs abhängig sein soll. Denn ob z.B. das Stück 100 oder 200 Franken mehr kostet, macht doch angesichts der zu liefernden Mengen eine ganz unbedeutende Summe aus, während sich die Kohlenlieferungen natürlich sehr hoch beziffern.
Wir können nun aber noch, was den Kohlenpreis anbetrifft, nicht länger im Ungewissen leben. Sie verstehen, dass die Kohle abgegeben, fakturiert und bezahlt werden muss und der Exportpreis hat natürlich starke Einwirkung auf die Höchstpreise im Lande selbst.
Was nun die an Deutschland bezahlten Kohlenpreise anbetrifft, so betrugen sie im Frieden ca. Fr. 20.- per Tonne. Sie stiegen dann im Kriege zunächst auf 30.und in der Periode die vom Jahre 1916 bis 1. August 1917 ging, betrug der Preis Fr. 60.- pro T. Durch das Übereinkommen vom September 1917 wurde der Kohlenpreis per T. auf Fr. 90.- erhöht, was uns allen schon exorbitant erschien und in der Schweiz zu lebhafter Kritik Anlass gab. Vom 15. Mai. 1918 bis Ende des Jahres betrug dann bekanntlich der Preis durchschnittlich Fr. 173.50, was von uns allgemein als eine grosse Ungerechtigkeit und als ganz enorm hoch betrachtet wurde. Durch eine Rückvergütung auf Hausbrandkohle stellt sich der Preis effektiv auf Fr. 160.- die Tonne. Alle diese Preise sind ab Zeche verstanden und Sie können für die Fracht bis Basel noch rund Fr. 10.- pro Tonne dazuschlagen.
Was nun den französischen Kohlenpreis betrifft, so erklärte man uns zunächst, es falle Frankreich nicht ein, das böse deutsche Beispiel nachzuahmen und man sprach von ca. Fr. 100.-, was natürlich sehr hoch ist und für manche Industrien die Möglichkeit der Konkurrenz mit dem Auslande ausschliesst. In ihrer letzten Depesche sprechen Sie nun von «einem Preis, der erheblich unter Fr. 150.- stehe». Was das schliesslich heissen will, werden wir sehen. Dagegen möchten wir darauf aufmerksam machen, dass jetzt im Frieden ein Preis, der Fr. 100.- irgendwie erheblich übersteigt, durchaus nicht freundschaftlicher wäre als ein Kriegspreis von Fr. 160.-, weil ja jetzt der gewaltige Kohlenkonsum der Kriegsindustrie hinwegfällt. Wenn also Frankreich uns wirklich wieder ein Zeichen seiner Freundschaft geben will, so sollte der Preis doch Fr. 100.- nicht übersteigen.
Diese Frage ist natürlich sehr wichtig, wie Sie sich denken können. Allein, noch wichtiger ist, dass wir Kohle bekommen und wir möchten nun nicht durch eine Preismarkterei das Quantum, das uns geliefert wird, beeinträchtigen; dagegen haben wir das Gefühl, dass die Lieferung der Menge nicht vom Preise, sondern von ganz ändern Dingen abhängt. Infolgedessen möchten wir Sie bitten, auf diese an Deutschland bezahlten Preise aufmerksam zu machen und auf die Schwierigkeiten hinzuweisen, die für unsere Industrie bestehen und für unsere Bahnen dadurch geschaffen werden, wenn wir einen so enormen Kohlenpreis bezahlen müssten. Wir haben gelesen, dass der französische Inlandspreis Fr. 50.bis 60.- beträgt, da ja Frankreich bekanntlich dem Beispiel Deutschlands nicht folgen und uns nicht mit Exportgebühren und dgl. belasten will, so sollte doch der Preis, wie wir schon betonten, Fr. 100.- in keinem Falle übersteigen. Sie werden diese freimütigen Auseinandersetzungen für sich würdigen und sie in angemessener Form in den Diskussionen mit der französischen Regierung verwenden.
Soeben trifft noch eine Depesche ein von Brüssel, worin verlangt wird, dass eine Delegation dorthin komme wegen Kohlenlieferung. Wir delegieren sofort die Herren Hirter und Jörin, um die Kohlenbezüge aus Belgien tunlichst zu fordern.
- 1
- Lettre: E 2200 Paris 1/1551. Kohlenlieferungen.↩
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