Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 7-I, Dok. 74
volume linkBern 1979
Mehr… |▼▶Aufbewahrungsort
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2300#1000/716#821* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2300(-)1000/716 363 | |
Dossiertitel | Petersburg, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 4 (1918–1919) | |
Aktenzeichen Archiv | 131 |
dodis.ch/43819 Aide-mémoire de l’Adjoint de la Division des Affaires étrangères du Département politique, W. Thurnheer1
Herr Frick, der soeben von den Verhandlungen, betreffend den Heimtransport der Russen aus Deutschland und Österreich, von Paris zurückkehrt, macht mir die Mitteilung, dass seine Verhandlungen von Erfolg gekrönt waren. Er ist im Einverständnis mit den Alliierten zum Leiter dieser Heimtransporte ernannt und reist in dieser Eigenschaft resp. als Delegierter des Internationalen Roten Kreuzes in Genf demnächst nach KiefT. Zur Organisation dieser Transporte wird er kleine ständige Kommissionen in Riga, Twinsk, Wilna, Baranowitsch, Krakau und Odessa errichten. Weiterhin sind grössere Posten in Warschau, Prag und Budapest vorgesehen. In KiefT wäre das Generalbureau. Zwecks regelmässiger Information und gegenseitiger Verständigung zwischen dem Hauptbureau und den einzelnen Stationen, würde ein wöchentlicher Kurierdienst eingerichtet. Sammelstelle für die Nachrichten von den nördlichen Stationen wären Warschau, eine 2. Kieff und eine 3. in Budapest. Der Grossteil der Kurierpost würde von KiefT nach Wien geleitet und von dort an das Rote Kreuz in Genf. Ich habe Herrn Frick offeriert, die gesamte, an das Rote Kreuz adressierte Post von Wien, mit unserm Kurier nach der Schweiz zu befördern und umgekehrt, diejenige von Genf an ihn, den Delegierten des Roten Kreuzes. In Kompensation zu diesen Diensten nähmen die Kuriere des Herrn Frick unsere eigene Post von Wien aus nach KiefT, Charkow, Rostoff, Odessa, Riga und Warschau etc. mit, so dass wir mit Bestimmtheit hoffen können, demnächst mit unseren Konsulaten in regelmässigen Verkehr zu treten. Es ist dies für uns im Hinblick auf die zu gewärtigende Abreise unserer Gesandtschaft in Petrograd von grosser Wichtigkeit. Ich ersuchte Herrn Frick uns wenn möglich auch Nachrichten aus Russland zu beschaffen. Er erklärte sich hiezu bereit unter der Bedingung, dass ich gegebenenfalls 2 seiner russischen Bekannten, die ihm Informationen liefern, späterhin in die Schweiz einlassen würde. Ich sicherte dies nach Besprechung mit Herrn Bundespräsident Calonder im Interesse unserer Russlandkolonie zu.
Schon vor der Abreise des Herrn Frick hatte ich diesen ersucht, wenn möglich in Paris in Erfahrung zu bringen, welche Absichten dort bezüglich des Vorgehens gegen Russland bestehen. Herr Frick brachte nachstehend vertrauliche Mitteilung zurück: Die Engländer können wegen Vereisung der Zugänge zu Petrograd zur Zeit keine direkte Aktion auf diese Stadt machen. Sie haben sich daher entschlossen, vorerst einmal den Hafen Reval zu besetzen, um von diesem Stützpunkte aus ein weiteres Vorgehen der Bolschewikiarmeen zu verhindern. Die Franzosen arbeiten in den von den Bolschewiki noch unabhängigen, russischen, kleinen Staaten, indem sie durch Entsendung von Missionen, Geld, Munition und in kleinem Masse auch Truppen diesen mit Rat und Tat an die Hand gehen. Eine Entsendung von Truppen in grösserem Masse scheint wegen des Wiederstandes der Sozialisten in Frankreich nicht tunlich. Die Amerikaner sind bereit, die Aktion gegen die Bolschewiki mit Geld zu unterstützen, ferner auch mit Waren und Schiffsraum. Mit Truppen würden sie auch beispringen, dürfen dies aber wegen Japan, das mit ausserordentlichem Misstrauen alle Schritte Amerikas in Russland verfolgt, nicht wagen. Japan scheine ohnedies schon sehr zu fürchten, dass Amerika infolge der grossen finanziellen Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, seine Absichten in Sibirien usw., durch wirtschaftliche Überflügelung, vereitle. Resumé:
Es dürfte vor nächstem Frühling kaum eine grössere Aktion der Alliierten mit Truppen in Russland zu erwarten sein.
- 1
- E 2300 Petersburg, Archiv-Nr. 4.↩