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Documents Diplomatiques Suisses, vol. 7-I, doc. 57
volume linkBern 1979
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
▼ ▶ Cote d'archives | CH-BAR#E2300#1000/716#102* | |
Ancienne cote | CH-BAR E 2300(-)1000/716 55 | |
Titre du dossier | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 19 (1918–1918) | |
Référence archives | 019 |
dodis.ch/43802Le Ministre de Suisse à Berlin, Ph. Mercier, au Chef du Département politique, F. Calonder1
Herr Dr. von Claparéde2 meldet mir:
Von gut unterrichteter Seite erfahre ich, dass die Spartakusleute besondere Propagandakommissionen gebildet haben, die sich speziell die Infiltration der anderen speziell der im Weltkriege neutral gebliebenen Länder zur Aufgabe gesetzt haben. Ihr besonderes Augenmerk haben sie auf die Schweiz und auf Schweden gerichtet. In letzterem Lande sollen, wie mir mein Gewährsmann berichtet, die umstürzlerischen Ideen bereits solchen Boden gewonnen haben, dass sich dasselbe nur mit äusserster Anstrengung der nach Umwälzung strebenden Kräfte wird erwehren können. Aus der gleichen Quelle vernehme ich, dass vielfach bolschewistische Propagandaleute ein neues Verfahren eingeschlagen haben, um in die Schweiz zu gelangen, nämlich, indem sie sich von Skandinavien, namentlich Schweden aus zum Teil unter Benutzung falscher Pässe in Frankreich einzuschmuggeln versuchen, um dann von dort aus in die Schweiz zu gelangen.
Von der jetzigen Regierung Ebert-Haase meinte der gleiche Gewährsmann, sie habe durchaus eingesehen, dass das Land - gewisse zur Erhaltung der revolutionär-sozialistischen Errungenschaften erforderlichen Cautelen vorausgesetzt - nur auf breiter demokratischer Basis regiert werden könne; sie fürchte sich aber aus taktischen Gründen, dieser ihrer Anschauung Ausdruck zu geben, da sie sonst fürchten müsse, von den Arbeiter- und Soldatenräten als Helferin der bürgerlich-reaktionären Volkskreise blossgestellt und gestürzt zu werden. Überhaupt sei das Bedauerliche an der gegenwärtigen Lage, dass die Regierung ganz und gar von den Launen der Arbeiter- und Soldatenräte abhänge, sodass ihr jedes feste Zugreifen unmöglich gemacht werde, wenn sie ihre zur Zeit gesicherte Existenz nicht gefährden wolle.[...]3
Bolschewistische Propaganda in der Schweiz.
Mit Bezug auf diesen Gegenstand verweise ich in erster Linie auf das unter Datum 13. Dezember vorstehend Geschriebene. Vom Konsulat Hamburg habe ich nachfolgendes Schreiben erhalten:
«Aus zuverlässiger Quelle vernehme ich, dass Reisende aus Deutschland nach der Schweiz und zwar entlassene Militär- sowohl als Zivilpersonen und Kriegsgefangene, die über die Schweiz heimbefördert werden, in ihren Kleidungsstücken bolschewistische Propagandaschriften versteckt halten. - Vielfach soll dies zutreffen bei den jetzt in Singen zur Kontrolle sich aufhaltenden Militärpersonen. Es handelt sich aber auch um solche, die auf anderen Wegen über die Grenze zu kommen suchen, sei es an den offiziellen Passkontroll- oder sonstigen Übergangsstellen.
Ausser Propagandaschriften führen Betreffende auch Instruktionen bei sich, nach welcher Richtung hin sie die bolschewistischen Gedanken in der Schweiz verbreiten sollen, nicht nur unter der Schweizer Bevölkerung, sondern besonders bei in der Schweiz internierten Kriegsgefangenen sämtlicher Kriegführenden Mächte. - Die schriftlichen Instruktionen werden hauptsächlich in den Kopfbedeckungen verborgen gehalten, in Ärmelaufschlägen, auch eingenäht in den Rökken, Mänteln, Westen usw.
Am verbreitesten scheinen diese Machenschaften in nachfolgenden Städten gefördert zu sein und sollte daher auf Reisende aus diesen Ortschaften besonders Obacht gegeben werden: Neukölln bei Berlin, Kiel (das abhängig sein soll von Neukölln), Hamburg und Wilhelmshafen.
Es dürfte sich daher empfehlen, bei der Einreise in die Schweiz an der Grenze von Seiten der Grenzpolizei und den Zollbehörden eine ganz scharfe Kontrolle ausführen zu lassen. Auch scheint Eile Not zu tun.»
Angesichts der in Deutschland und Russland gemachten Erfahrungen scheint eine systematisch-organisierte Abwehr der bolschewistischen Propaganda unbedingt erforderlich zu sein. Ausser den telegraphisch und schriftlich gemeldeten Kategorien von Propagandaleuten können der Schweiz natürlich auch Schweizer gefährlich werden. Diese Gefahr ist nicht zu unterschätzen, da die Schweizerbürger das Schweizergebiet auch ohne Einreisevisum betreten können und da momentan sehr viele Schweizer aus aller Herren Länder in die Schweiz zurückströmen. Ferner dürfte die Verwendung gefälschter Schweizer-Pässe auch nicht ausgeschlossen sein.
Es dürfte sich daher wohl empfehlen, eine besondere Stelle (z.B. einen sehr gewandten, juristisch-kriminalistisch erfahrenen Generalstabsoffizier mit Gehilfen) mit der ausschliesslichen Beobachtung und Bekämpfung der bolschewistischen Propaganda zu betrauen. An allen schweizerischen Grenzpassierstellen aller uns umgebenden Staaten sollte meines Erachtens unverzüglich die Leibes- und Gepäckvisitation nach dem gleichen System eingeführt werden, wie sie bis anhin die Kriegführenden zur Verhinderung der Spionage durchgeführt haben. Die nötige Personal-Organisation und die nötigen baulichen Einrichtungen (einzelne Untersuchungszellen für Frauen und für Männer, weibliches und männliches Untersuchungspersonal etc.) könnten beispielsweise in Lindau oder Friedrichshafen angesehen und kopiert werden.
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