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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 6, doc. 132
volume linkBern 1981
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2300#1000/716#1173* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2300(-)1000/716 493 | |
Titolo dossier | Washington, Politische Berichte und Briefe, Militär- und Sozialberichte, Band 32 (1915–1915) | |
Riferimento archivio | 186 |
dodis.ch/43407
Ich hoffe Sie im Besitze meines politischen Berichtes vom 3/4. Juni (No. 12) (betreffend erste Friedensschritte)2. Der seither erfolgte Rücktritt des Herrn Bryan wird Ihnen nach dem, was ich fortgesetzt über die Unmöglichkeit eines erspriesslichen Zusammenarbeitens desselben mit Präsident Wilson gemeldet hatte, keine Überraschung gewesen sein. Der frühere Staatssekretär ist und bleibt ein warmer Freund der Schweiz, und diese Gesandtschaft wird stets gerne an den angenehmen offiziellen und privaten Verkehr zurückdenken, welchen sie mit ihm gehabt hat.
Wie schon in meinem letzten Bericht angedeutet, war, nachdem Herr Wilson seinem Staatssekretär die Verhandlungen mit Deutschland, ebenso wie diejenigen mit Mexiko, ganz aus den Händen genommen hatte, ein baldiger Bruch zwischen den beiden Männern zu erwarten.
Die zweite Note an Deutschland ist dazu benützt worden, um Bryan aus dem Amte hinauszudrängen. Nachdem dieser nur mit Widerstreben seinen Namen unter die erste, ebenfalls von Präsident Wilson redigierte Note gesetzt hatte, weigerte er sich am 7. Juni unter Anbietung seines Rücktrittes, die zweite Note, in welcher er eine ernstliche Bedrohung des Friedens erblickte, zu unterzeichnen. Wilson nahm die Demission kurzerhand an.
Man sah hier unter diesen Umständen allgemein mit lebhaftem Interesse der «scharfen» Wilsonnote entgegen und das Erstaunen war gross, als dieselbe (aus Gründen, die ich schon in meinem Berichte vom 3/4. Juni angegeben habe) so sehr mild und conciliatorisch (sic) gehalten war. Wie konnte eine Note, welche in der humanitären Forderung gipfelt: «Die Regierung der Vereinigten Staaten tritt für etwas viel grösseres als lediglich Eigentumsrechte oder Handelsprivilegien ein, sie betrachtet sich als Schützerin der Menschlichkeit», eine Kabinettskrisis zur Folge haben?
Es hat sich seither herausgestellt, dass der Text des Entwurfes, auf welchen hin Bryan demissionierte, nicht identisch mit dem schliesslichen Text der Note gewesen ist. Bryan ist getäuscht worden. Allerdings hat man «das Gesicht gewahrt». Der Präsident Hess ihm nämlich noch in letzter Stunde die fertige Note vorlegen, es Herrn Bryan freistellend, ob er seine Demission wieder zurückzuziehen wünsche.
Eine von Bryan im voraus ausgearbeitete «Rechtfertigung», deren Veröffentlichung mit der Publikation der Note zusammenfallen sollte, und welcher er natürlieh den «Entwurf» zu Grunde gelegt hatte, war unter diesen Umständen nicht mehr zu gebrauchen.
Bryan schrieb eine neue Rechtfertigung, welche allgemein enttäuschte. Seine Handlungsweise ist daher fast einstimmig getadelt worden. Nachdem der Präsident ihn als «durchaus unpatriotisch» bezeichnet haben soll, verstieg sich die Presse bis zu Ausdrücken wie Deserteur und Verräter.
Bryan hat sich von Wilson täuschen lassen. Schon seit längerer Zeit beiseite geschoben, weiss er augenscheinlich auch über den Ton und den Inhalt der Wilson-Bernstorff-Unterredung vom 2. Juni nicht richtig Bescheid. Nur unter dieser Voraussetzung ist überhaupt sein «Mahnruf an die Deutsch-Amerikaner» vom 11. Juni verständlich, in welchem er sie auffordert, allen ihren Einfluss in Berlin aufzubieten, auf dass die diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten nicht abgebrochen werden. (Text beiliegend)3.
Das erschreckte Deutschamerikanertum war sofort bereit in die dargebotene helfende Rechte einzuschlagen. Schon war eine Massenversammlung in der grössten Halle New Yorks mit Bryan und Hobson als Hauptredner geplant. Aber diese Stimmung schlug - wohl auf einen Wink der kaiserlichen Botschaft - von einem Tage auf den ändern wieder um. Fast gleichzeitig war unter der Hand zu vernehmen, dass die Associated Press beschlossen habe, künftig keine Einsendungen (Statements) des Herrn Bryan mehr zu veröffentlichen. Dieser letztere Schritt darf aber nicht etwa als eine Animosität der vereinigten Zeitungsleute gegen ihren früheren Kollegen Bryan aufgefasst werden, sondern lediglich als ein Anlehnen an die alte Regel, dass die Associated Press stets mit dem Präsidenten geht, habe er Recht oder Unrecht, sei er Demokrat oder Republikaner.
Ganz abgesehen davon, dass ihre Sache zur Zeit bei Wilson gut aufgehoben zu sein scheint, hätten die Deutschamerikaner sich niemals erfolgreich an Bryan anschliessen können. Falls Bryan nämlich beabsichtigen sollte, sich im Herbste neuerdings als Präsidentschaftskandidat aufzustellen (drei Niederlagen hat er bekanntlich bereits erlitten), so wird er dies unter der Prohibitionsflagge tun. Unmöglich für das hiesige Deutschtum mitzumachen.
Man vermutet, dass Bryan, welcher stets noch eine der populärsten Persönlichkeiten der Vereinigten Staaten ist, bald wieder eine Redner-Tournée antreten werde, derart mit Hunderttausenden direkte Fühlung nehmend. Er hat bereits diesbezügliche glänzende Angebote erhalten. Sein Einfluss als einer der wenigen Politiker, welchem man keine schmutzigen Geschichten nachsagt, ist stets noch bedeutend. Man schätzt, dass er in den Tagen nach seinem Rücktritt über 1000 Telegramme täglich erhalten habe. Aus den Lagern der Friedensfreunde und der immer mächtiger werdenden Prohibitionisten wäre ihm grosser Zulauf sicher, so dass er es in der Hand hat, eine Spaltung in der demokratischen Partei herbeizuführen, es wäre denn, dass Herr Wilson als erfolgreicher Friedensvermittler «der grösste Amerikaner» würde und als solcher überhaupt keine Gegner mehr zu fürchten hätte.
Der Präsident Wilson hat gestern bekanntgegeben, dass er auf Mr. Bryans Angriffe bezüglich der befolgten Deutschland-Politik nicht antworten werde. Er erachte es nicht angebracht, in dieser schwierigen Zeit mit Herrn Bryan eine Diskussion zu beginnen.
Die amerikanische Presse meldet, dass die Wilson-Note in Berlin eine gute Aufnahme findet. Hier bereitet man das Publikum darauf vor, dass eine Antwort nicht vor Juli eintreffen dürfte. Inzwischen ist der Kurier der deutschen Botschaft, Dr. Meyer-Gerhard, am 5. Juni von New York abgefahren und schon bald in Berlin fällig.
Botschafter Bernstorff, welcher mit Colonel House befreundet ist, hätte es gerne gesehen, wenn Präsident Wilson diesen Mann in jetziger Zeit nochmals nach Berlin gesandt hätte. Als er aber am 6. Juni den bezüglichen Wunsch im Weissen Hause äussern liess, musste Herr Wilson bekennen, dass er House bereits telegraphisch von London nach den Vereinigten Staaten zurückbeordnet habe. Dies legt Bernstorff günstig für sich aus. Er befindet sich denn auch seit Freitag in New York, um House wenn möglich nach Ankunft des Dampfers abzufangen. Wie ich überdies erfahren habe, sei Colonel House, als er vor Antritt seiner Europareise beim hiesigen englischen Botschafter Sir Cecil Spring-Rice Besuch machte, dort höchst unliebenswürdig empfangen worden und in Folge dessen nicht sehr gut auf Sir Cecil zu sprechen. Auch hörte ich, dass der amerikanische Botschafter Gerard in Berlin wenig deutschfreundlich gesinnt sei. Statt einlässliche Situationsberichte zu schreiben, benütze er mit Vorliebe das Kabel und übermittle öfters einzelne drastische Sätze aus gehabten offiziellen Unterredungen, welche, aus dem Zusammenhang herausgerissen, bei dem überaus leicht erregbaren Herrn Wilson böses Blut machen.
Sollen die Schritte Wilsons schliesslich wirklich zur Anbahnung von Friedensverhandlungen führen, so muss wohl vor allem eine diskretere Art und Weise des Korrespondierens eingeführt werden. Bis jetzt ist nämlich beidseitig der Inhalt der abgesandten Noten stets im voraus veröffentlicht und in alle Welt hinausgekabelt worden, noch ehe Berlin oder Washington die Originaltexte in Händen haben konnten.
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Stati Uniti d'America (USA) (Generale)