dodis.ch/43242
Der Vorsteher des Militärdepartementes,
A. Hoffmann, an den Bundespräsidenten und Vorsteher des Politischen Departementes,
E. Müller1
Wir übermitteln Ihnen beigeschlossen den Bericht der Generalstabsabteilung2 zu dem Vorschläge der Vereinigten Staaten betreffend Kriegsaufschub vertrag3
. Wir teilen im Allgemeinen durchaus die in diesem Berichte niedergelegte Auffassung, dass die Schweiz von dem Abschlüsse eines solchen Vertrages sich kaum irgendwelche Vorteile versprechen kann.
Immerhin scheint uns die Generalstabsabteilung in der Beziehung von einer unzutreffenden Voraussetzung ausgegangen zu sein, als sie annimmt, es handle sich um den Abschluss von Kriegsaufschubverträgen der gesamten europäischen und aussereuropäischen Staatengemeinschaft unter sich, während wir den Berichten unseres Ministers nur entnehmen zu sollen glauben, es handle sich für einmal um Kriegsaufschubverträge der einzelnen europäischen und aussereuropäischen Staaten mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Trifft das zu, so ist die Bedeutung für die Schweiz natürlich eine ganz andere. Mit den Vereinigten Staaten sind ja wohl Differenzen möglich, aber ein Waffengang zwischen ihnen und uns ist ausgeschlossen. Es ist daher nicht einzusehen, inwiefern das eine und das andere Land ein Interesse daran haben kann, den Gegenkontrahenten an der Vergrösserung seiner Streitkräfte während der Dauer der schiedsgerichtlichen Verhandlungen zu verhindern. Es könnte uns im höchsten Grade lästig und unter Umständen sogar für uns verhängnisvoll sein, wenn wir zufolge eines solchen Vertrages mit den Vereinigten Staaten gezwungen wären, unsere Rüstungen einzustellen, die wir vielleicht einem Nachbar gegenüber bitter nötig hätten. Gewiss könnten wir geltend machen, es drohe uns Gefahr von diesem Nachbar, deshalb seien wir in unsern Rüstungen frei, aber eine solche Erklärung, die ja natürlich, allen gegenteiligen Vertragspflichten zum Trotz, nicht Geheimnis zwischen uns und den Vereinigten Staaten bleiben würde, könnte unsere Stellung gegenüber diesem Nachbar unter Umständen in höchst bedenklicher Weise verschärfen.
Formell befänden sich ja freilich auch die Vereinigten Staaten in gleich ungünstiger Lage, auch sie würden dadurch, dass sie ganz nutzloser Weise verhalten würden, während des mit der Schweiz bestehenden, an das Schiedsgericht geleiteten Konfliktes ihre militärischen Kräfte nicht zu vermehren, gegenüber dritten Staaten in eine prekäre Lage versetzt. Tatsächlich würden sie sich ja freilich über diese Hemmung einfach hinwegsetzen; wie sollte die Schweiz kontrollieren, ob Amerika seine Streitkräfte vertragswidrig vermehre und was sollte sie für ein Interesse haben, das zu tun und gegebenenfalls Einspruch zu erheben, da sie ja doch von diesen Streitkräften nichts zu befürchten hat.
Auch wir halten daher dafür, dass man eher eine ablehnende Stellung einnehmen sollte; ausser auf unsere ewige Neutralität könnten wir uns dabei den Vereinigten Staaten gegenüber auch auf den Mangel an Interesse berufen, das beide Staaten an einem solchen Abkommen haben.
Handelt es sich aber, im Gegensatz zu unserer Annahme, um Kriegsaufschubverträge nicht nur mit den Vereinigten Staaten, sondern zwischen den verschiedenen europäischen und aussereuropäischen Staaten unter sich, dann treten wir im ganzen Umfange den Erörterungen der Generalstabsabteilung bei und halten mit ihr dafür, dass aus solchen Verträgen mit den Grossstaaten uns nichts Gutes, dafür aber recht viele Verlegenheiten und Nachteile erwachsen würden.
Eine ganz andere Sachlage ergäbe sich, wenn von Art. IV des Vertragsmodells4 Umgang genommen und ausschliesslich die gegenseitige Verpflichtung eingegangen würde, alle Streitfragen dem Schiedsgerichte zu unterbreiten und den Krieg während des schiedsgerichtlichen Verfahrens nicht zu beginnen. Dann würde es sich im Grund lediglich um eine Erweiterung und Ergänzung der bestehenden Schiedsgerichtsverträge handeln und darüber liesse sich ja vielleicht reden.