Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. Auslandschweizer und Auswanderung, Nr. 357.
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 5, doc. 375
volume linkBern 1983
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E1004.1#1000/9#10565* | |
Titre du dossier | Beschlussprotokoll(-e) 25.07.-28.07.1913 (1913–1913) |
dodis.ch/43230 Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 25. Juli 19131 3679. Emil Brunner, Buchhändler, von Wattwil, in Strassburg, Ausweisung aus dem Eisass
Durch Beschluss des Bezirkspräsidenten des Unter-Elsass vom 19. März 1913 ist Buchhändler Emil Brunner, von Wattwil (St. Gallen), Inhaber der Buchhandlung Treuttel und Würtz in Strassburg2, auf den 1. Juli 1913 aus dem Gebiete von Elsass-Lothringen ausgewiesen worden.
Herr Brunner hat sich am 22. April an das Politische Departement um den Schutz der Bundesbehörden gewendet. Nachdem das Politische Departement zunächst den Gesuchsteller seine Angaben hat vervollständigen lassen und sich vom Präsidenten der schweizerischen Hülfsgesellschaft in Strassburg über die Persönlichkeit des Brunner und den Charakter seiner Buchhandlung hatte Bericht erstatten lassen3, hat es, da dieser Bericht nicht ungünstig lautete, den schweizer. Gesandten in Berlin angewiesen, in fürsprechendem Sinn zu Gunsten des Gesuchstellers an das Auswärtige Amt zu gelangen. Die Reichsbehörde hat die Fürsprache der Gesandtschaft wohlwollend aufgenommen und in empfehlendem Sinne an die elsass-lothringische Regierung geleitet. Es ist darauf die Angelegenheit von den elsass-lothringischen Behörden einer eingehenden Nachprüfung unterzogen worden, die indessen, wie der Bericht der Gesandtschaft in Berlin ausführt, zum Ergebnis hatte, dass der Ausweisungsbeschluss aufrechterhalten wurde.
Brunner ist nun nicht, wie einige Zeitungen berichtet hatten, ausgewiesen worden, weil er Bücher verkauft hätte, deren Vertrieb verboten gewesen sei. Diese Meldung hat Brunner Veranlassung gegeben, in die Presse zu gelangen mit der Versicherung, er habe nie Bücher, gegen die das Verbot erlassen worden war, verkauft, sondern Brunner hat, wie er selbst zugibt, trotz wiederholter polizeilicher Verwarnung und Beschlagnahme von Druckschriften in seiner Buchhandlung fortgefahren, unbesehen die französische Litteratur zu vertreiben, die ihm von Paris zugeleitet wurde, worunter ausgesprochen chauvinistischfranzösische und deutschfeindliche Publikationen, wie das bekannte illustrierte Buch des Karikaturisten Hansi: «Histoire d’Alsace racontée aux petits enfants d’Alsace et de France par l’oncle Hansi».
Die Tendenz der von «Hansi» recte Waltz ausgehenden Litteratur und seiner Karikaturen musste dem Buchhändler bekannt sein, da schon die vor einigen Jahren herausgegebenen «Vogesenwanderungen» des gleichen Autors Aufsehen erregt hatten.
Unter diesen Umständen fällt die Verantwortung für sein Verhalten auf den Gesuchsteller zurück. Herr Zimmermann, Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, hat sich Herrn Minister de Claparède gegenüber folgendermassen geäussert: «Die Verhältnisse in Elsass-Lothringen seien infolge der sich immer steigernden französischen Agitation sehr schwierig geworden und erfordern eine weniger milde Behandlung als bisher.» Das Recht der Ausweisung von Ausländern aus Gründen der innern oder äussern Sicherheit des Staates behält sich jeder Staat, so auch die Schweiz vor; der Entscheid über die Frage, ob ein Ausweisungsgrund vorliege, wird stets vom ausweisenden Staate getroffen. Im vorliegenden Falle gesellt sich zu dem erwähnten Ausweisungsgrund aus Staatsinteresse der weitere Grund der andauernden Nichtbefolgung von Polizeiverordnungen.
In Erwägung dieser Umstände wird beschlossen:
1. Dieser Angelegenheit wird keine weitere Folge gegeben.
2. Der Presse ist vom Sachverhalt eine entsprechende Mitteilung zu machen.
- 1
- E 1004 1/253. Abwesend: Müller, Forrer, Schulthess.↩
- 2
- Librairie française et étrangère, Filiale der (baslerischen) Stückelberger’sehen Buchhandlung in Strassburg.↩
- 3
- Bericht von Adolf Briefer, Präsident der Schweizerischen Hilfsgesellschaft in Strassburg, 6. Mai 1913: [...] Die genannte Buchhandlung will den Charakter einer elsässischen und bezw. französischen Buchhandlung bewahren, um der französischen Literatur Absatz zu verschaffen. Es liegen u. a. bei ihr, bezw. haben ausgelegen, Zeitschriften und Bücher, wie sie in anderen elsässischen Buchhandlungen ebenfalls ausgelegen haben, deren Tendenz ja allerdings nicht als deutsch-freundlich bezeichnet werden könnte. Herr Brunner musste aber gewissermassen diese Literatur halten - gleich seinen Elsässer Kollegen - wollte er existieren. Soviel mir bekannt, treibt Herr Brunner weder Politik, noch hat er Verkehr mit französischnationalistischen Elsässern, noch ist seine Buchhandlung als französisch-nationalistische Literatur-Vermittlungsstelle anzusehen. Vielmehr hat Herr Brunner den Verkauf seiner gedachten Literatur eben als Geschäftsmann betrieben (E 2001 (A), Archiv-Nr. 1695).↩
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