Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
III. Auslandschweizer und Auswanderung, Nr. 357.
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 5, Dok. 364
volume linkBern 1983
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001A#1000/45#1686* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(A)1000/45 244 | |
Dossiertitel | Ausweisung von Schweizern aus dem Elsass, die vor der Erfüllung der Wehrpflicht in Deutschland das Schweiz. Bürgerrecht erworben haben (1913–1913) | |
Aktenzeichen Archiv | D.121-01 |
dodis.ch/43219
In Beantwortung Ihrer geehrten Depeschen vom 1. ds. Mts.2 betreffend die Ausweisungen aus dem Eisass beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen, dass ich meine bezügliche Note an das Auswärtige Amt bisher nicht abgehen liess, weil ich dieselbe dem in diesen Tagen wegen parlamentarischer Arbeiten nicht zu erreichenden Staatssekretär von Jagow, oder Herrn Zimmermann persönlich zu übergeben die Absicht hatte. Nun fand ich in den gestrigen Pressberichten über den jetzt tagenden elsässischen Landtag eine Meldung, wonach diese Angelegenheit inzwischen ihre Erledigung gefunden habe, indem der Unterstaatssekretär für Elsass-Lothringen, Herr Mandel, eine Interpellation, diese Fälle betreffend, dahin beantwortet habe, «dass die Regierung eingesehen habe, dass ihr auf Grund des Niederlassungsvertrages ein Ausweisungsrecht nur für solche Schweizer zustehe, die selbst vor dem Eintritt in das militärpflichtige Alter ihre Nationalität gewechselt haben, nicht aber auf solche, bei denen bereits die Väter die Nationalität änderten.»
Infolgedessen habe ich mich heute bei den betreffenden Dezernenten über die Richtigkeit dieser in verschiedenen Zeitungen erschienenen Nachricht erkundigt und folgende Auskunft erhalten:
Der Statthalter von Elsass-Lothringen habe sofort, nachdem er in Karlsbad, wo er sich zur Kur aufhält, von den beabsichtigten Ausweisungen Kenntnis erhielt, Bedenken über die Zulässigkeit der fraglichen Massregeln gehabt und der Regierung in Strassburg dieselben mit dem Ersuchen mitgeteilt, keine Ausweisung zu vollziehen, bevor die Reichsbehörden ihre Ansicht ausgesprochen haben würden. Diese Frage sei daher sofort zur Kenntnis der hiesigen Behörden (welche bereits durch Herrn von Romberg hier bekannt geworden war) gebracht worden, und es habe das Auswärtige Amt sich sofort dahin ausgesprochen, dass nach Massgabe des Niederlassungsvertrages die Ausweisung der Herren Schlumberger und Bertschy3 nicht zulässig sei. Die Beamten, mit denen ich heute Rücksprache genommen habe, hielten die Pressemeldungen, von den vorstehend die Rede ist - siehe auch die Anlage - als vollkommen zutreffend, obgleich dem Auswärtigen Amte bisher die Entscheidung der inneren Behörden bezw. der Regierung von Elsass-Lothringen amtlich nicht zugegangen ist. Sie behielten sich vor, mich hierauf bezüglich baldmöglichst zu benachrichtigen.
Unter diesen Umständen und da Ihr Auftrag vom 1. ds. Mts. in erster Linie dahin ging, die Beschwerden der Herren Schlumberger und Bertschy der Reichsregierung zu unterbreiten und sie zu bitten, eine Untersuchung einzuleiten, hielt ich für angemessen, meine Note nicht abzugeben, da die Beschwerden unserer Landsleute, wie es scheint, bereits in zufriedenstellender Weise ihre Erledigung gefunden haben.
Im Gespräch mit einem der Vortragenden Räte brachte ich den Inhalt des Telegramms der Agentur Wolff4 zur Sprache und erhielt die vertrauliche Mitteilung, dass das Auswärtige Amt sich sofort nach Kenntnisnahme dieses Telegramms bei dieser Agentur erkundigt habe, wie sie dazu gekommen sei, ein solches Telegramm abgehen zu lassen. Es sei die Antwort gekommen, dass ein in Frankfurt angestellter Beamter dieser Agentur, welcher Zeitungen mit Nachrichten versorge, von sich aus und ohne Vorwissen der Wolff’schen Agentur auf Grund von Informationen, welche er von einem elsässischen Politiker erhalten hatte, dieses Telegramm abgesandt hatte. Demselben sei kein innerer Wert beizumessen.
Meine Gewährsmänner teilten mir auch mit, dass auch eine dritte Beschwerde eines Herrn Koechlin, ebenfalls wegen Ausweisung, hieher gelangt sei; sie hätten die Akten nicht bei der Hand, konnten mir daher das Nähere nicht mitteilen, aber sprachen die Überzeugung aus, dass dieser Fall, gleich denjenigen der Herren Schlumberger und Bertschy, in befriedigender Weise erledigt werden wird, bezw. bereits erledigt ist.
- 1
- Schreiben: E 2001 (A), Archiv-Nr. 1694.↩
- 2
- Im Auftrag des Bundesrates wurde der Gesandte in Berlin am 1. April 1913 vom Vorsteher des Politischen Departementes beauftragt, die Beschwerden von zwei aus Elsass- Lothringen ausgewiesenen Schweizerbürgern der deutschen Reichsregierung zu unterbreiten und sie zu bitten, über diese Fälle eine Untersuchung einzuleiten. Ferner sollte der Gesandte der Reichsregierung den Standpunkt des Bundesrates mitteilen (E 1004 1/251).↩
- 3
- Schlumberger Carl Alphons Edmund, von Schaffhausen, in Mühlhausen. Beschwerte sich beim Politischen Departement darüber, dass ihm der Auf enthalt in Elsass- Lothringen nicht gestattet wurde. Bertschy Johann Ludwig, von Feuerthalen, in Mühlhausen. Beschwerte sich bei der schweizerischen Gesandtschaft in Berlin über die Ausweisung aus Elsass- Lothringen.↩
- 4
- Telegramm der Agentur Wolff vom 18. März 1913: Wenn Sprösslinge von Personen, die vor dem Frankfurter Frieden französische Staatsangehörige waren und nach dem Kriege die schweizerische Staatsangehörigkeit angenommen haben, inzwischen das Eisass verlassen haben und wieder dahin zurückkehren, sei es, um einen eigenen Hausstand zu gründen oder eine neue Stellung zu übernehmen, so wird zunächst untersucht, ob der 1870 vorgenommene Nationalitätswechsel nicht etwa nur aus dem Grunde geschehen ist, um sich der deutschen Militärpflicht zu entziehen. Nur wenn ein genügender Grund zu dieser Annahme vorliegt, wird solchen Personen ein dauernder Aufenthalt nicht mehr gestattet. Diese Massnahmen erfolgen vor allem mit Rücksicht auf die auch in Frankreich sorgsam beobachtete Staatsräson, die dringend erheischt, dass speziell die grossen industriellen Unternehmungen nicht durchweg in fremde Hände kommen und mit Rücksicht auf die kommunalen, staatlichen und Reichsinteressen, die darauf bedacht sein müssen, dass diejenigen Elsässer, die geblieben sind und die ihre staatsbürgerlichen Pflichten erfüllt haben, gegenüber jenen Elsässern, die der Erfüllung dieser Pflichten durch Übernahme der schweizerischen Nationalität aus dem Wege gegangen sind, nicht im Nachteil seien. Es bleibt noch besonders zu erwähnen, dass von Ausweisungen keine Rede ist, sondern dass es sich lediglich darum handelt, dass diejenigen Personen, bei denen der zuletzt erwähnte Fall zutrifft, zu dauerndem Aufenthalt in Mühlhausen nicht zugelassen werden können. Eine rigorose Massnahme findet nicht statt, da nur solche Personen davon betroffen werden können, bei denen sich infolge ihrer Rückkehr nach Mühlhausen und infolge der beabsichtigten Gründung eines neuen Hausstandes eine neue Situation ergeben hat (E 1004 1/251).↩
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