Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. BILATERALE BEZIEHUNGEN
4. China
4.2. Diplomatische Vertretung
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 5, Dok. 299
volume linkBern 1983
Mehr… |▼▶Aufbewahrungsort
Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E2001A#1000/45#1342* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 2001(A)1000/45 212 | |
Dossiertitel | Konsulat, Personal (1911–1914) | |
Aktenzeichen Archiv | C.325-02-02 |
dodis.ch/43154
Antrag des Vorstehers des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartementes, A. Deucher, an den Bundesrat1
Vom Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins wird mit beiliegendem Schreiben vom 27. November2 um Errichtung einer Handelsagentur in Shanghai ersucht.
Zur Begründung erinnert der Vorort daran, dass er im Jahre 1898 die Errichtung einer schweizerischen Handelsagentur in Japan angeregt und dabei bereits schon in Aussicht genommen habe, auch China in deren Wirkungskreis einzubeziehen, eventuell ihren Sitz dorthin zu verlegen, wenn es sich als zweckmässig herausstellen sollte. Durch verschiedene Umstände sei damals die Verwirklichung des Projektes verhindert worden. Inzwischen sei eine weitere Abklärung der Ansichten erfolgt, auch habe die Eidgenossenschaft durch Errichtung einer Handelsagentur in Ägypten bewiesen, dass ihre grundsätzlichen Bedenken überwunden seien. Die Wirksamkeit dieses Organs lasse erkennen, dass man auf dem richtigen Wege sei, den zu begehen sich auch für andere Fälle empfehle. Unter den, für die Errichtung weiterer Posten in Betracht kommenden Ländern stehe China in erster Linie. Gute Kenner der Verhältnisse seien der Ansicht, dass die Zeitlage für eine solche Vorkehr zur Förderung unserer Exportinteressen ausserordentlich günstig wäre. Dazu füge es sich, dass gerade jetzt ein Mann gefunden werden könnte, der sich für die Stelle in jeder Hinsicht bestens eignen würde. Es handle sich um einen Hrn. M. Winteler von Aarau, der seit ca. 10 Jahren im Dienste der bekannten Winterthurerfirma Gebr. Volkart in China tätig sei, und nun im Begriffe stehe, in der Schweiz auf eigene Rechnung Vertretungen zu suchen. Der Eindruck, den der Vorort von ihm erhalten habe, sei ein so vorzüglicher, dass er es für seine Pflicht halte, sich mit dem dringenden Gesuche an uns zu wenden, ohne Verzug zu handeln, da Herr Winteler, um sich eventuell anderweitig engagieren zu können, binnen kurzer Frist wissen sollte, ob seine Dienste für fraglichen Zweck verlangt werden.
Dieses Gesuch hat uns veranlasst, der Sache näher zu treten und mit Hrn. Winteler ebenfalls Rücksprache zu nehmen. Wir haben den Eindruck erhalten, dass er sich für den fraglichen Posten in der Tat sehr gut eignen würde.
Was die Sache selbst anbetrifft, so ist nicht zu verkennen, dass China ein Land ist, welchem heute eine gewisse Aufmerksamkeit geschenkt werden muss, da es vor politischen und wirtschaftlichen Neuerungen steht, welche dem Handel und der Industrie weite Perspektiven eröffnen.
Dass unser direkter Export nach diesem weiten Gebiete noch nicht einmal den Betrag von 3 Millionen Franken erreicht hat, lässt darauf schliessen, dass die Anknüpfung direkter Verbindungen ohne Vermittlung eines neutralen Organs für unsere Exporteure zu schwierig ist, zumal da gegenwärtig in China, wie uns versichert wird, keine einzige schweizerische Firma sich in namhafter Weise mit dem Import von ändern schweizerischen Artikeln als Uhren befasst.
Es scheint uns daher, dass der Anregung des Vororts Folge gegeben und ein Versuch gewagt werden sollte. Nach den günstigen Erfahrungen, die wir mit unserer Agentur in Ägypten gemacht haben, darf angenommen werden, dass eine solche auch in China für unsern Handel gute Früchte bringen würde. Sollten sich die Erwartungen nach einer angemessenen Versuchszeit nicht erfüllen, so kann der Posten jederzeit wieder aufgehoben werden.
Was die Kosten anbelangt, so werden sie, nach den beiliegenden Ausführungen, von Hrn. Winteler auf ca. 30’000 Fr. per Jahr veranschlagt, wozu jedoch für das erste Jahr einige Tausend Franken Einrichtungs- und Übersiedlungskosten kämen, so dass pro 1912 ein Posten von 35’000 Fr. vorzusehen wäre, um allen Eventualitäten begegnen zu können. Für unsere Agentur in Ägypten haben wir ein Budget von 27’000 Fr., wovon aber im Jahr 1910 nur rund 22’000 Fr. verausgabt worden sind. Obschon in Ägypten die Lebenshaltung eine sehr teure ist, erfordern die Verhältnisse in Shanghai auch bei bescheideneren Ansprüchen noch grössere Ausgaben.
Da es schwierig ist, Persönlichkeiten zu finden, welche sich durch Kenntnisse und Charakter zur Führung einer offiziellen Agentur in überseeischen Gebieten eignen, kann an die Errichtung solcher Posten nur gedacht werden, wenn gleichzeitig der rechte Mann zur Stelle ist. Da diese Voraussetzung heute zutrifft, so möchten wir die Gelegenheit, etwas für unsern auswärtigen Handel zu tun, nicht unbenützt vorübergehen lassen und beantragen daher:
1. Es sei versuchsweise eine schweizerische Handelsagentur in Shanghai nach der Art derjenigen in Alexandria zu errichten.
2. Es sei zu diesem Zwecke durch ein Schreiben an die Finanzkommission der eidg. Räte zu beantragen, einen Posten von 35’000 Fr. in das Budget des Handelsdepartements pro 1912 einzustellen.
3. Es sei das Handelsdepartement zu ermächtigen, mit Hrn. Math. Winteler, unter Vorbehalt der Krediterteilung durch die Bundesversammlung, eine provisorische Vereinbarung zu treffen3.
- 1
- E 2001 (A), Archiv-Nr. 1350. Einrichtung einer schweizerischen Handelsagentur in Shanghai.↩
- 2
- Nicht ermittelt.↩
- 3
- Im Mitbericht des EPD vom 12. Dez. 1911 schrieb Ruchet: Wir können unsere Meinungsäusserung kurz fassen, weil wir mit dem Vorschläge sowohl als mit den begleitenden Ausführungen des Handelsdepartements vollkommen einig gehen (E 1001 1/ EPD Anträge 1911-1912). Am 14. Dez. 1911 beschloss der Bundesrat versuchsweise die Errichtung einer Handelsagentur in Shanghai(E 1004 1/246). Am 10. Juli 1914 hiess der Bundesrat die Kündigung des Handelsagenten Winteler gut und beschloss am 21. August 1914 die Aufhebung der Handelsagentur: Angesichts der heutigen Weltlage kann von einer Wiederbesetzung des Postens nicht die Rede sein (E 1004 1/257).↩