Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 189
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2001A#1000/45#559* | |
Old classification | CH-BAR E 2001(A)1000/45 47 | |
Dossier title | Nr. 479. Berichte der schweizerischen Delegation (1907–1907) | |
File reference archive | B.231-2 |
dodis.ch/43044
Wir beehren uns, den Empfang Ihres gestrigen chiffrierten Telegramms2 zu bescheinigen und unser heutiges zu bestätigen: «Séance plénière Conférence renvoyée à samedi après-midi. Affaire permanence ne viendra certainement pas avant prochaine séance première Commission, qui ne pourra guère avoir lieu avant 8 à 12 jours. Comparer notre rapport d’hier 3783. Lettre suit.»
Ihren Instructionen gemäss, werden wir nicht ermangeln, bei nächster Gelegenheit die Bedenken des Bundesrates gegen einen ständigen Schiedsgerichtshof der Conferenz zur Kenntniss zu bringen. Diese Gelegenheit wird sich bieten, wenn die Anträge des Comités I. 1. B der Isten Commission vorgelegt werden. Unsere diesbezügliche Deklaration könnte etwa so gefasst sein, wie der Entwurf Beilage I vorliegenden Schreibens besagt4. Wollen Sie ihn gütigst prüfen und uns wissen lassen, ob Sie ihn genehmigen und eventuell mit welchen Modificationen5.
Einstweilen hat Herr Carlin seine Besprechungen mit den rumänischen, belgischen und griechischen Delegierten fortgesetzt. Sie scheinen nunmehr eher geneigt, mit uns gemeinschaftliche Sache zu machen in unserem Widerstand gegen einen Gerichtshof ohne freie Wahl der Richter und ohne Gleichberechtigung aller Staaten. Herr Carlin ist gegenwärtig mit Herrn Beldiman (I. rumänischer Delegierter) beschäftigt, eine Notiz im Sinne unserer Deklaration zu entwerfen, die die Punkte aufzählen würde, über die die einzelnen Delegationen in ihrem Widerstande gegen einen ständigen Schiedsgerichtshof einverstanden sind. Könnte man dann die Vertreter Schwedens, Norwegens und Dänemarks veranlassen, dieser Punctation beizutreten, so wäre in dieser Sache eine Einigung der mittleren Staaten Europas erzielt, die nicht ohne Eindruck zu machen bleiben würde. Um den Effect zu vergrössern, hat Herr Carlin beantragt, es sollten sich die geeigneten Staaten durch vorherige Anmeldung bei dem uns sehr ungünstig gestimmten Präsidenten Bourgeois das Wort unmittelbar nacheinander sichern, so dass mehrere Deklarationen gegen das ständige Schiedsgericht Schlag auf Schlag folgen würden.
Indessen und selbst wenn es gelingen sollte, um den durch die Schweiz, Belgien, Griechenland und Rumänien gebildeten Kern noch andere Staaten zu gruppieren, dürfte das Project der Errichtung eines ständigen Schiedsgerichtshofes nicht zu Falle gebracht werden. Die Vereinigten Staaten von Amerika und, in ihrem Gefolge, Deutschland und Grossbritannien, haben sich viel zu sehr in diesem Sinne engagiert, um zurückweichen zu können. Der beiliegende Entwurf6, den sich Herr Carlin auf Umwegen zu verschaffen gewusst hat, ist eingebracht im Namen der Vereinigten Staaten, Deutschlands und Englands. Dieser neue Dreibund ist durch politische Erwägungen veranlasst, mit denen wir nichts zu tun haben, für die man uns jedoch zumutet - uns und allen unbeteiligten Staaten - Opfer zu bringen!
Aus einer Besprechung, die Herr Carlin heute mit Herrn Baron Marschall hatte, geht nochmals der ganze Werth hervor, den das deutsche Reich auf das Zustandekommen des permanenten Schiedsgerichtshofes legt. Unter diesen Umständen dürfte es sich fragen, ob es nicht ratsam wäre, dass Sie, Herr Vicepräsident, oder Herr Bundesrat Forrer dem deutschen Gesandten in Bern, Herrn v. Bülow, mündlich die Gründe auseinander setzen wollten, welche unsere ablehnende Haltung veranlassen. Man würde so die Gefahr vermeiden, dass in Berlin angenommen werden könnte, es handle sich um einen «acte peu amical» dem deutschen Reich gegenüber. Was Grossbritannien anbelangt, würde es Herr Carlin übernehmen, nach seiner Rückkehr nach London, Sir EdwardGrey über die Gründe unseres Verhaltens in dieser Sache aufzuklären.
Um auf die Beilage II dieses Schreibens zurückzukommen, werden sie bemerken, dass der Hauptpunkt des Entwurfes - die Constituierung des Gerichts - noch immer nicht geregelt ist.