dodis.ch/43023
Der Vorsteher des Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartementes, A. Deucher, an den Präsidenten des Vereins schweizerischer Druckindustrieller,
H. Kubli-Trümpy1
Bern, 22. Februar 1907 expediert 10 Uhr 30
Haben vorgestern über den Punkt der Zollunion telegraphisch die Ansicht von Nationalrat Frey in London eingeholt. Derselbe antwortete gestern ausweichend wie folgt: «Union ist Prüfstein, wie ich schon früher gesagt. Also ich habe Bedenken».
Wie wir Ihnen schon berichtet haben, erklären serbische Minister lieber auf diesen Vertrag verzichten zu wollen, als unsere Bedingung, die den Staat in seiner Bewegungsfreiheit in dem übrigens unwahrscheinlichen Falle einer Zollunion, einschränken würde, anzunehmen.
Diese Erklärung ist vom serbischen staatspolitischen Gesichtspunkte aus begreiflich. Da Sie uns telegraphisch und brieflich gemeldet haben, dass Sie unter diesen Umständen es vorziehen, die Forderung betreffend Zollunion fallen zu lassen, sind wir geneigt, in diesem Punkte nachzugeben, wünschen aber noch die Ansicht Ihrer Regierung zu vernehmen2. Da die Zeit drängt, bitten wir Sie, Herrn Landammann Blumer die Angelegenheit sofort zu unterbreiten und ihn zu ersuchen, uns seine Ansicht sofort telegraphisch mitteilen zu wollen.
Serbien verlangt eine gegenseitige Meistbegünstigungsklausel betreffend Eisenbahntransporte. Aus triftigen Gründen hat die Schweiz bisher eine solche bindende Klausel allen ändern Staaten gegenüber abgelehnt und kann nun Serbien gegenüber keine Ausnahme machen. Da selbst die Grossstaaten in diesem Punkte nachgegeben haben, kann Serbien es auch tun.
Das Zustandekommen des Vertrages hängt in erster Linie nicht von diesem Punkte, sondern davon ab, ob wir unsere Bedingung betreffend Zollunion fallen lassen oder nicht. Halten wir sie aufrecht, so gibt es keinen Vertrag und dann erhalten wir gar nichts.