Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
II. BILATERALE BEZIEHUNGEN
8. Frankreich
8.4. Simplonzufahrten
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 5, doc. 105
volume linkBern 1983
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1004.1#1000/9#9714* | |
Dossier title | Beschlussprotokoll(-e) 31.01.-01.02.1906 (1906–1906) |
dodis.ch/42960
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 31. Januar 19061
543. Französische Zufahrtslinien zum Simplon
Herr Bundespräsident Forrer erstattet dem Rate im wesentlichen folgenden Bericht über eine Mitteilung des französischen Geschäftsträgers ad interim, Herrn Baron de Villiers-Terrage:
Der Geschäftsträger ad interim habe ihm erklärt, er müsse im Aufträge seiner Regierung darauf dringen, dass die vom Herrn Botschafter Raindre gestellte vertrauliche Anfrage, ob der schweizerische Bundesrat an Verhandlungen mit Frankreich über die Frage der französischen Zufahrtslinien zum Simplon in ihrer Gesamtheit teilzunehmen bereit sei, nicht bloss als vom Ministerium der Bauten, sondern von der Regierung ausgehend betrachtet werde.
Die Regierung stelle dabei ab auf die vom Bautenminister Herrn Gautier im November in der französischen Kammer abgegebene Erklärung, dass die Frage der französischen Zufahrtslinien zum Simplon in ihrer Gesamtheit geprüft werde, sowie auf einen Wunsch der Pariser Handelskammer. In der Mitteilung des Herrn Lardy an das französische Ministerium des Auswärtigen vom 1. April 19052 und derjenigen vom November 19053 liege ein Widerspruch, da in der letzten Verbalnote erklärt sei, der Bundesrat trete auf keine ändern Unterhandlungen ein, bis die Linie Frasne-Vallorbe gesichert sei, während in der ersten Note lediglich eine Antwort verlangt worden sei.
Der grösste Teil der in Frage kommenden Zufahrtslinien zum Simplon befinde sich auf französischem Gebiet, und auch der weitaus grössere Teil der Kosten werde Frankreich zur Last fallen, weswegen es in erster Linie beteiligt sei. Im Jahre 1904 habe der damalige Finanzminister, Herr Rouvier, die Zustimmung zu der Linie Mouchard-Vallorbe abgelehnt und den Beitrag des französischen Staates an diese Linie auf 7 Millionen Franken beschränkt. Der Vertrag zwischen der P.L.M. und der Jura-Simplon-Bahn sei von der französischen Regierung nicht genehmigt worden, und eine Linie Frasne-Vallorbe biete ungünstige Verhältnisse, namentlich wegen des Schneefalles. Zwischen den beiden Regierungen sei die Angelegenheit noch nicht behandelt worden. Ein Eintreten in Unterhandlungen über diese Frage würde auch einen günstigen Einfluss auf die schwebenden Handelsvertrags-Unterhandlungen haben, und die in der Presse erörterte Frage, ob die erste Einladung vom französischen Bautenministerium oder von der französischen Regierung ausgegangen sei, werde dahinfallen.
Das Präsidium hat nun den Rat zusammenberufen, um die Frage zu prüfen, ob im Hinblick auf die Eröffnungen des französischen Geschäftsträgers die Haltung der Delegation des Bundesrates beim Empfang des Staatsrates des Kantons Genf eine andere sein soll, als wie sie gestern beschlossen worden ist4. Über die Antwort, die Frankreich auf die vom Geschäftsträger gemachte Eröffnung zu erteilen ist, wird das politische Departement später Antrag stellen.
Nach längerer Beratung wird mit einer Mehrheit von 4 gegen 2 Stimmen beschlossen:
Es habe die Delegation des Bundesrates die Mitteilungen des Staatsrates von Genf entgegenzunehmen5. Die Delegation sei auch ermächtigt, nach ihrem Befinden sich im Sinne des gestrigen Beschlusses des Bundesrates zu äussern oder aber nicht. Dieser Beschluss wird gefasst, in Ablehnung des Antrages, die Delegation habe lediglich die Mitteilungen des Staatsrates zuhanden des Bundesrates entgegenzunehmen.
Die Delegation wird auch ermächtigt, dem Staatsrat von Genf Kenntnis zu geben, dass der französische Geschäftsträger namens seiner Regierung den Bundesrat angefragt habe, ob er zu Unterhandlungen über die Frage in ihrer Gesamtheit geneigt sei.
- 1
- E 1004 1/223.↩
- 2
- 1.Nr. 68.↩
- 3
- Nr. 71.↩
- 4
- Am 30. Januar 1906 hatte der Bundesrat beschlossen, dem Staatsrat von Genf die Stellung des Bundesrates darzulegen und auf sein Verlangen hin Auskunft über den Notenaustausch zwischen der Schweiz und Frankreich zu geben (E 1004 1/223).↩
- 5
- Der Staatsrat von Genf sprach am 1. Februar 1906 in corpore beim Bundesrat vor, um nochmals sein Interesse an der Faucille-Variante zu bekunden. Sein Präsident, Henri Fazy, führte unter anderem aus: Je ne sais parfois pas de quoi nous vivons à Genève. Nous y sommes enserrés par un double cordon de douanes et de chemins de fer. Nous possédons un pays de grande énergie, mais notre situation géographique diminue notre capacité de travail. Et la génération qui monte veut travailler. Après tout, depuis trois siècles, Genève a été considérée comme la clef de la Suisse. Genève désire conserver cette situation, ce qui sera pour le pays une garantie d’indépendance (E 8100 (B) 1978/85/20).↩