dodis.ch/42827
Le Ministre de Suisse à Londres,
G. Carlin, au Président de la Confédération et Chef du Département politique,
A. Deucher1
In der Berner (R-) Correspondenz des «Journal de Genève» no 28, vom 29. 1. Mts., wird anlässlich der gegenwärtig schwebenden Verhandlungen mit Italien betreffend den Übergang der italienischen Simplon-Concession an den Bund, in der unpatriotischsten Weise gegen den Bundesrat Stellung genommen.
Dabei wird bemerkt, unsere Diplomatie habe es in dieser Sache an Voraussicht und Vorsicht fehlen lassen.
Da ich um die kritische Zeit die Ehre hatte, Schweizerischer Gesandter in Rom zu sein, liegt mir daran, zu bemerken, dass mit der Note des Marquis Visconti-Venosta vom 11. April 18982 die Angelegenheit, nach allen völkerrechtlichen Traditionen, als erledigt angesehen werden musste. Wie aus meinen damaligen Berichten an das Politische Departement hervorgeht, gab ich mir die grösste Mühe, von Herrn Visconti-Venosta die gewünschten Zusicherungen – 4 Millionen Lire italienischer Subsidien und Gestattung des Übergangs der Concession an den Bund – rechtzeitig, d. h. vor dem Tage des Zusammentritts der Bundesversammlung, 72. April 1898, zu erlangen. Und es gelang mir nur, dank den mannigfaltigsten Schritten, dank auch dem verständnisvollen Entgegenkommen des damaligen Ministers des Äussern, Marchese Visconti-Venosta und des damaligen königlichen Schatzministers, Herrn L. Luzzatti.
Ich erinnere mich sehr wohl, dass diese beiden Herren mir bemerkten, Schwierigkeiten seien seitens des Kriegsministeriums gemacht worden, Herr Visconti- Venosta habe aber durch persönliche Besprechungen mit dem Kriegsminister die erhobenen Bedenken beseitigt, so dass es ihm möglich sein werde, mir eine klare und absolute Zusicherung zu geben, was dann in der erwähnten Note vom 11. April 1898 erfolgte. Dass bauliche militärische Sicherungen seitens Italiens nach Notwendigkeit erfolgen könnten, war als selbstverständlich vorausgesetzt; aber dass der Übergang der Concession nach Massgabe der Verträge schon damals als bedingungslos zugegeben anerkannt wurde, unterlag beidseitig nicht dem mindesten Zweifel. Und diese Ansicht bestand und musste bestehen, nach dem klaren Wortlaut der gewechselten Noten. Sie lag auch allen späteren Verhandlungen (Bahnhoffrage, Zufahrtslinie u.s.w.) zugrunde.
Erst später, bei Übernahme des Ministeriums des Äussern durch Herrn Prinetti, wurden in Italien Anzeichen bemerkbar, dass dieses Land das feierlich gegebene Wort zurückzunehmen versuchen werde. Ich signalisierte diese Anzeichen sofort Ihrer hohen Behörde, wenn ich nicht irre schon im Frühjahr, jedenfalls im Herbste des Jahres 1901.
Ich hielt es für meine Pflicht, Vorstehendes zur Feststellung der Tatsachen in geneigte Erinnerung zu bringen, namentlich im gegenwärtigen Moment.