Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
16. Italie
16.2. Ouvriers italiens en Suisse
16.2.2. Rupture des relations diplomatiques (affaire Silvestrelli)
Imprimé dans
Documents Diplomatiques Suisses, vol. 4, doc. 403
volume linkBern 1994
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Archives | Archives fédérales suisses, Berne | |
Cote d'archives | CH-BAR#E1004.1#1000/9#9301* | |
Titre du dossier | Beschlussprotokoll(-e) 04.07.1902 (1902–1902) |
dodis.ch/42813
CONSEIL FÉDÉRAL
Procès-verbal de la séance du 4 juillet 19021
2782. Konflikt mit Italien. Vermittlung.
Procès-verbal de la séance du 4 juillet 19021
Nachdem am 30. Juni die Note des schweizerischen Ministers, Hrn. Roth in Berlin hier angekommen war (d.d. 29. Juni)2, in welcher Kenntnis gegeben wurde von der Unterredung mit Freiherr von Richthofen und dessen Anfrage über die hierseitige Bereitschaft, die allfällige Vermittlung der deutschen Reichsregierung im schweizerisch-italienischen Konfliktsfall anzunehmen, begehrte heute der deutsche Gesandte Herr von Bülow eine Audienz in einer «dringlichen» Angelegenheit, und es fand diese statt am gleichen Tage um 5 Uhr.
Herr von Bülow eröffnete dem Bundespräsidenten, dass er von seiner Regierung beauftragt worden sei, in ganz vertraulicher und durchaus freundschaftlicher Weise anzufragen, ob der schweizerische Bundesrat geneigt sein würde, eine Vermittlung der deutschen Regierung im Konfliktsfalle der schweizerischen und der italienischen Regierung anzunehmen. Seine Regierung, die mit der Schweiz in vollkommen gutem Einvernehmen stehe und mit Italien eben jetzt den Dreibund erneuert habe, habe den dringenden Wunsch, dass die beiden Länder das eingetretene Zerwürfnis in einer für beide Teile annehmbaren Weise beheben. Sie würde sich daher gern als Zwischenträger hergeben, immerhin nur, wenn beide Teile zuvor die Annahme der Vermittlung erklären. Der italienische Minister des Äussern, Hr. Prinetti, habe bereits die Annahme zugesagt und heute gestatte sich die deutsche Regierung, die Anfrage an den Bundespräsidenten zu stellen. Ausdrücklich werde vollste Diskretion begehrt für die Schritte, welche die deutsche Regierung tue, auf so lange, als das anzustrebende Übereinkommen nicht zur Tatsache geworden sei.
Der Bundespräsident dankte Herrn von Bülow für seine Mitteilung und seiner Regierung für ihr Bemühen. Er weiss aus den mehreren Diskussionen, welche der Bundesrat über die italienische Angelegenheit gepflogen, dass derselbe nicht abgeneigt ist, die Vermittlung eines dritten Staates anzunehmen, vorbehaltlich einer Auseinandersetzung über die zu vereinbarenden Bedingungen.
Herr von Bülow erklärte sich mit dieser Erklärung befriedigt. Heute wünsche er nur zu wissen, ob die Schweiz die Vermittlung Deutschlands annehmen werde. Die Besprechung über die Bedingungen des Abkommens werde später folgen. Immerhin könne er schon jetzt einige Gedanken mitteilen und gestatte sich die Frage, nicht: ob die Schweiz diese Punktationen für annehmbar halte, sondern: ob sie in denselben Elemente für eine fruchtbare Besprechung finde. Er las dann aus seiner Instruktion einige Sätze ab, aus denen folgendes zu entnehmen war. Die deutsche Regierung riet der italienischen die Rückberufung des Gesandten Silvestrelli und die Ersetzung durch einen genehmen Vertreter an. Gleichmässig rät sie dem Bundesrat an, Hrn. Carlin in Rom zu ersetzen. Prinetti sei hiermit einverstanden, wünsche aber, dass die Ernennungen der neuen Gesandten am gleichen Tage in den Amtsblättern der beiden Staaten publiziert werden.
Der Bundespräsident hält sich für ermächtigt, jetzt schon zu erklären, dass der Bundesrat auf der Abberufung des Hrn. Silvestrelli bestehe und bereit sein werde, einen Nachfolger anzunehmen. Die Ersetzung des Hrn. Silvestrelli sei das Hauptbegehren. Dagegen sei es ihm nicht verständlich, dass auch Hr. Carlin ersetzt werden soll. Hr. Carlin sei nicht, wie Silvestrelli, im Fehler, vielmehr müsse man ihm das Zeugnis ausstellen, dass er jederzeit und auch im Konfliktsfalle lediglich die Weisungen des Bundesrates ausgeführt habe. Im Konfliktfalle habe Hr. Carlin sich sehr bemüht, einen modus vivendi zu schaffen, der der italienischen Regierung ohne Zweifel genehm sein konnte; der Bundesrat sei aber über die Ratschläge des Hrn. Carlin hinweggeschritten. Beweis, dass die italienische Regierung keinen Grund habe, Hrn. Carlin das Vertrauen, das er in Rom allseitig genoss, jetzt zu entziehen. Der Bundesrat wünsche daher, dass Hr. Carlin auf seinen Posten in Rom zurückkehre. Bei Enthebung der beiden Gesandten würde gelten, dass beide Regierungen gerechtfertigt aus dem Streite hervorgehen, während die Schweiz der beleidigte Teil ist und den Anspruch hat auf eine entsprechende Genugtuung. In allen Fällen müsste der Bundespräsident diese heikle Frage dem Bundesrat vortragen.
Herr von Bülow begreift den letztgenannten Vorbehalt, glaubt aber, jetzt schon erklären zu sollen, dass, möge es mit der bisherigen Vertrauensstellung des Hrn. Carlin in Rom sich wie immer verhalten, die Wegwahl des Hrn. Silvestrelli notwendig auch die Enthebung des Hrn. Carlin zur Folge habe. Dies nach den völkerrechtlichen Gebräuchen. Keiner, der im diplomatischen Dienste sich auskenne, werde anderer Meinung sein. Der Bundesrat hätte sich seine Genugtuung selbst verschafft dadurch, dass er Hrn. Silvestrelli vor die Türe gestellt hat, und das war ein schwerer Schlag gegen ihn und seine Regierung. Herr von Bülow Hess durchblicken, dass die deutsche Regierung nur bei Anerkennung der beidseitigen Neubesetzung der Gesandtschaften die Vermittlerrolle zu Ende führen würde.
Herr von Bülow wurde vom Bundespräsidenten eröffnet, dass das Geschäft am nächsten Freitag, den 4. Juli, dem Bundesrat zur Behandlung vorgelegt werde und demnach die Fortsetzung der Audienz auf gleichen Tag, nachmittags, vereinbart.
Vom Bundesrat wird nach Schluss der Diskussion der Herr Bundespräsident ermächtigt, dem deutschen Gesandten Hrn. von Bülow zu eröffnen, der Bundesrat sei bereit, den Hrn. Minister Carlin, der übrigens immer noch sein Vertrauen in unbeschränktem Masse geniesse, mit Rücksicht auf die diplomatische Usance an einen ändern Posten zu versetzen, der Bundesrat müsse aber wünschen, dass die Ernennung des neuen italienischen Gesandten vorausgehe. Der Bundesrat sei bereit, die Geschäfte der schweizerischen Gesandtschaft in Italien durch einen Geschäftsträger ad interim aufnehmen zu lassen.
Die Ersetzung des Herrn Dr. Carlin in Rom werde aber einige Zeit in Anspruch nehmen.
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