Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 4, doc. 330
volume linkBern 1994
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2300#1000/716#738* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2300(-)1000/716 336 | |
Titolo dossier | Paris, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 52 (1899–1899) |
dodis.ch/42740
In der letzten Rede des Englischen Premier im Mansion House von London hat Lord Salisbury in auffallender Weise die Beziehungen Englands zu Spanien als gute bezeichnet und diese Erwähnung machte etwas den Eindruck des Pilatus im Credo. Die andere Tatsache, dass Prinz Albrecht von Preussen die erste Tischrede seit Karl dem V. im Madrider Palais hielt, um im speziellen Auftrag des deutschen Kaisers die grossen Verdienste der Königin-Regentin zu preisen, war mir ebenfalls aufgefallen. Endlich werden Sie sich erinnern, dass Ende September die Zeitungen ein Zusammentreffen des russischen Ministers des Auswärtigen Mouraviev mit dem spanischen Conseilspräsidenten Silvela erwähnten, demselben erst eine gewisse Bedeutung beimassen und bald darauf diese absprachen.
Hat Spanien in letzter Zeit eine Rolle gespielt und ist diese Rolle in Verbindung mit der Reise Mouravievs zu bringen?
Gestern abend traf ich auf der Strasse den spanischen Botschafter Leon (offiziell de Leon y Castillo) und während eines längeren Spazierganges hat er mir einige Erklärungen gemacht, die ungefähr wie folgt resümiert werden können.
England war und ist noch in der schlimmsten Lage. Allerdings kann man auf der See den Engländern nichts tun, auf dem Festland aber sind sie an vielen Orten angreifbar, z.B. Gibraltar, Ägypten, Indien, Kanada und vielleicht auch Südafrika und an der Goldküste. Warum lässt man sie in Ruhe? Warum diese riesige Übermacht konsolidieren, denn es heisst England konsolidieren, wenn man ihm die Mittel gibt, ruhig die Boeren zu unterjochen. Mouraviev war sehr unzufrieden mit dem Resultat seiner Pariser Reise und den hiesigen Regierungsherren und es ist kein Geheimnis, dass er hier nichts erreicht hat.
Darauf ergoss sich der spanische Botschafter in ziemlich heftigen Ausdrücken gegen die Engländer und erklärte sich überzeugt, dass letztere niemals mit den Boeren fertig werden, weil bei wirklichen Freiheitskriegen ein Volk nie besiegt wird, wie Spanien Napoleon gegenüber am Anfang des Jahrhunderts bewiesen hat und wie die Cubaner dasselbe den Spaniern gegenüber ebenfalls bewiesen, dadurch dass sie zehn Jahre lang mit 15’000 Mann hunderttausend Spanier und mehr im Schach hielten.
Letzteren Punkt will ich unberührt lassen; die spanischen Generäle in Cuba wollten Geld machen und hatten kein Interesse am raschen Ende des Aufstandes, während die englischen Befehlshaber in Südafrika ganz andere Leute sind und die armen Boeren die günstige Zeit zu einer energischen Offensive, welche vielleicht zu einem Aufstand der Afrikaner geführt hätte, verpasst haben. Ich will nur auf die Reise Mouravievs zurückkommen und hier die Frage stellen, ob wirklich der russische Minister mit so grossen Plänen nach Paris gekommen ist.
Ich habe Ihnen schon berichtet, dass der englische Botschafter mir sagte, Mouraviev habe allerdings versucht, hier Böses anzurichten, sei aber nicht dazugekommen; Sir Edmund Monson hat kürzlich beigefügt, Frankreich habe den Gedanken gehabt, von Algier aus Ägypten anzugreifen und das englische Intelligenzdepartement (Spionendienst) habe sich vergewissert, dass die Franzosen 70’000 Mann in Algerien konzentriert hätten; diese Mannschaft sei aber allmählich nach Europa zurückgezogen worden.
Der deutsche Botschafter, Graf Münster sagte mir, dass Mouraviev mit den Franzosen nicht zufrieden gewesen sei und dass die Franzosen sich ebenfalls über Mouraviev nicht besonders günstig äussern; im französischen Ministerium gebe es sehr grosse Herren, welche durchaus über die russische Freundschaft nicht sehr entzückt seien; Mouraviev habe hier politisch rein nichts erhalten, und sich dann darauf beschränkt, einen Versuch zu machen um Geld zu bekommen und sei auch in dieser Richtung gescheitert, indem er den Credit Lyonnais nur dazu bewegen konnte, Titel der russischen Adelskasse auf Kosten und Risiko Russlands zu placieren, aber nicht fest zu übernehmen. Was er für politische Anträge gemacht habe, wisse man nicht.
Ich muss gestehen, dass ich ziemlich viel Mühe habe, mich mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass Russland in Madrid und Paris Anträge zu einer Koalition für die Vertilgung Englands gestellt habe. Den armen Spaniern hätte man allerdings Marokko vor den Augen schimmern lassen, in Paris und Berlin dagegen könnte man sich auf solche Träumereien nicht einlassen; in einem solchen Krieg würde Frankreich seine Kolonien verlieren und seine Häfen in Brand gesteckt sehen; Deutschland würde ebenfalls seine Kolonien und seine Kriegsund Handelsmarine verlieren und wäre stets der Gefahr ausgesetzt, dass nach zehn Jahren sich Frankreich und Russland vereinigen, um einen Vertilgungskrieg diesmal gegen Deutschland selbst anzufangen.
Auf der ändern Seite ist nicht zu verkennen, dass für Russland die Versuchung gross war und es ist möglich, dass in San Sebastian und in Paris Mouraviev einige Fühler ausgestreckt hat. Sir Charles Dilke, der frühere Unterstaatssekretär des Auswärtigen unter Gladstone, hat kürzlich Spanien als den jetzigen grossen Friedensstörer öffentlich verklagt. Es ist nicht unmöglich, dass die kühle Vernunft der Königin-Regentin von Spanien die freundschaftlichen Auslassungen des englischen Premiers und des Prinzen Albrecht von Preussen veranlasst hat und es ist auch nicht unmöglich, dass der überaus kaltblütige Waldeck-Rousseau sofort die Unterredung abgebrochen hat.
Immerhin war es interessant, Ihnen die Mitteilungen des spanischen Botschafters zur Kenntnis zu bringen, indem die Spanier und die Russen, verleitet durch ihren gemeinschaftlichen Hass gegen die Engländer, sich vielleicht unter sich mehr gesagt haben als man den Dritten eröffnet hat. Wenn Leon y Castillo richtig unterrichtet ist, was nach der Zusammenkunft zwischen Mouraviev und Silvela nicht unwahrscheinlich ist, so muss man der französischen Regierung danken für ihr kaltes Blut, indem die Folgen der «spanischen» Politik unberechenbarer hätten sein können. Sicher ist, und das ist die Hauptsache für die Freunde des Friedens, dass im erwähnten Sinne hier nichts geschehen ist.
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