dodis.ch/42647
Le Chef du Département du Commerce,
A. Lachenal, au Conseil fédéral
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Die Zürcherische Seidenindustrie-Gesellschaft regt mit beiliegendem Schreiben vom 23. dies, eine gemeinsame Aktion europäischer Staaten gegen die übermässigen Zollerhöhungen in den Vereinigten Staaten an und wünscht, dass Herr Pioda telegraphisch beauftragt werde, sich mit dem französischen Gesandten in Washington in Fühlung zu setzen (s. Beilage l)2.
Wir haben der Gesellschaft einstweilen geantwortet, dass für die Organisierung einer Aktion mit ändern Staaten die Zeit bis zur mutmasslichen Beschlussfassung des Senats der Vereinigten Staaten viel zu kurz wäre; dass die als Repressalie vorgeschlagene reziproke Anwendung des lästigen amerikanischen Systems der Zollkontrolle auf den Import von Erzeugnissen der Vereinigten Staaten uns selbst am meisten schädigen würde, weil wir die hauptsächlichsten dieser Erzeugnisse notwendig bedürfen, und dass ein blindes Zusammengehen mit der französischen Regierung, die bis jetzt unschlüssig ist, ob sie protestieren soll oder nicht, und deren Absichten wir nicht kennen, uns höchst bedenklich erschiene; dass wir hingegen dem Bundesrate die Frage unterbreiten werden, ob nicht Herr Pioda telegraphisch zu beauftragen sei, der Vereinigten Staaten Regierung freundschaftliche Vorstellungen zu machen (s. Beilage 2)3.
Wir haben von der Anregung der Seidenindustrie-Gesellschaft einstweilen sofort dem Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins und dem stark interessierten Kaufmännischen Direktorium in St. Gallen Mitteilung gemacht.
Nach weiterer Erwägung sind wir nun unserseits zur Überzeugung gelangt, dass alles was wir allenfalls erlangen könnten, nur auf freundschaftlichem Wege, durch einen Appell an die Sympathie der Schwesterrepublik zu erreichen wäre.
Wir sind gegen die Vereinigten Staaten wirtschaftlich völlig machtlos. Was wir schicken, sind Fabrikate, und zwar vorwiegend Luxusfabrikate (Stickereien 1895: 35 Millionen fr., Seidenwaren 26 Millionen fr., Uhren und Teile 4,6 Mill. fr., Plattstichgewebe 3 Millionen fr.), oder Konkurrenzprodukte der Vereinigten Staaten (Kondensierte Milch 400 000 fr., Käse 4 Millionen fr.), wogegen wir mit Bezug auf den grössten Teil unserer Importe aus den Vereinigten Staaten froh sein müssen, wenn wir dieselben fortsetzen können (Rohe Baumwolle 16 Millionen fr., Petroleum 5–6 Millionen fr., Rohtabak 3–4 Millionen fr.). Wir beziehen allerdings noch erhebliche Mengen von Fleischkonserven (2,8 Millionen fr.), Schweinefett (2 Millionen fr.), Leder (3 Millionen fr.); verglichen mit dem Gesamtexport dieser Produkte aus den Vereinigten Staaten sind aber diese Quantitäten verschwindend klein.
Immerhin dürfen wir in einer freundschaftlichen Note betonen, dass wir von den Vereinigten Staaten durchschnittlich ungefähr halb so viel beziehen, was wir ihnen liefern (35–40 Millionen gegen 70–80 Millionen), und dass wir, im Gegensatz zu ändern Staaten, ihre Erzeugnisse mit minimen Zöllen belegen, während die unsrigen nun dort nachgerade prohibiert würden.
Wir behalten uns vor, mit den Interessenten zu prüfen, was allenfalls nach endgültiger Festsetzung des neuen amerikanischen Zolltarifs zu tun sein wird, sei es im Sinne von Repressalien, sei es, dass auf freundschaftlichem Wege versucht würde, einen Tarifvertrag abzuschliessen. Für den Augenblick halten wir eine in mildem Tone gehaltene Note für das zweckmässigste; jedenfalls sichern wir uns dadurch vor dem allfälligen Vorwurf, uns gänzlich passiv verhalten zu haben. Bis jetzt beobachteten wir diese Haltung auf den ausdrücklichen Wunsch der Seidenindustrie-Gesellschaft, welche jede offizielle Intervention für schädlich hielt und durch ein Zusammenwirken mit den amerikanischen Importeuren am ehesten zu erträglichen Bedingungen zu gelangen hoffte. Wir beschränkten uns darauf, von allem Vormerkung zu nehmen, was durch unsere Seiden-, Stikkerei- und Uhren- Exporteure im Verein mit ihren überseeischen Abnehmern getan wurde, wogegen uns Herr Pioda über die parlamentarischen Vorgänge auf dem laufenden erhielt. WirChiffrierte telegraphische Instruktionen an Herrn Pioda laut Beilage 34.