Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
13. France
13.2. Neutralité de la Savoie
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 4, doc. 187
volume linkBern 1994
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2#1000/44#1644* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2(-)1000/44 271 | |
Titolo dossier | Die Neutralitätsfrage Nordsavoyens von 1888 bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges (1888–1913) | |
Riferimento archivio | B.137.1 |
dodis.ch/42597
Unterm 5/6. Juli dieses Jahres erteilten Sie dem Unterzeichneten den Auftrag zur Ausarbeitung eines umfassenden Berichtes über die Frage «einer allfälligen Besetzung Savoyens im Kriegsfälle», zum Zwecke der Vorlage an die Landesverteidigungskommission und der eventuellen Behandlung und Beschlussfassung durch den hohen Bundesrat. (siehe Beilage I des Memorials I)2
Der Gegenstand hat das Militärdepartement sowie den hohen Bundesrat schon wiederholt beschäftigt, letztlich im Beginn des Jahres 18873, als sich der politische Himmel Europas verdüsterte und man den Wiederausbruch eines Krieges zwischen Frankreich und der Tripelallianz befürchtete. Der damalige Chef des Generalstabsbüreaus erhielt bei dieser Gelegenheit vom Militärdepartement den Auftrag, über die Frage einer eventuellen Besetzung Savoyens im Falle des Kriegsausbruches Bericht zu erstatten, und er tat dies durch das in der Beilage II des Memorials 14
enthaltene Schriftstück. Wie aus dem Beisatze am Schlüsse des Gutachtens hervorgeht, hat sich der damalige Chef des Militärdepartementes den Ausführungen und Anträgen des Chefs des Generalstabsbüros «im allgemeinen» angeschlossen. Ob dasselbe auch im Bundesrate zur Behandlung kam und mit welchem Erfolge, ist mir nicht bekannt.
Der heutige Chef des Generalstabsbüreau steht grundsätzlich auf dem Boden des Gutachtens vom Jahre 1887. Er weicht nur in einem (allerdings praktisch sehr wichtigen Punkte) von demselben ab, nämlich in Bezug auf den letzten Satz der Ziffer 1 der Conclusion, den er streichen möchte. Wie in dem beiliegenden Memorial I des einlässlichen auseinandergesetzt wird, ist nämlich die hiesige Amtsstelle der Meinung, dass wir zwar jeden als unsern Feind zu erklären und zu behandeln haben, der schweizerisches Territorium absichtlich verletzt, dass es dagegen sehr gewagt, ja unter Umständen verhängnisvoll sein könnte, die gleiche Folge auch an eine Verletzung des neutralen Teiles von Savoyenzu knüpfen. Man denke an den Fall, wo die Verhältnisse unserer eigenen Landesverteidigung die Besetzung von Savoyen nicht gestatten, und Frankreich infolgedessen Truppen daselbst stehen lässt. Infolge dieser Differenz, sowie auch in Anbetracht, dass das Gutachten des Chefs des Generalstabsbüreaus vom Jahre 1887 nur einen Spezialfall der Frage behandelte und behandeln wollte, Sie vom gegenwärtigen Chef des Generalstabsbüros dagegen eine umfassende Vorlage über alle einschlägigen Verhältnisse verlangten, war es nötig die Angelegenheit neuerdings und in allen ihren Beziehungen zu prüfen, historisch, staatsrechtlich, politisch, militärgeographisch und militärisch und beehre ich mich, Ihnen das Resultat dieser Studien hiemit zu unterbreiten. [...]5
Das Studium der teilweise sehr verwickelten und schwierigen Verhältnisse hat uns die Überzeugung nahe gelegt, dass eine grosse Anzahl der wichtigsten Fragen aus dem Wortlaut der Verträge von 1815 heraus nicht beantwortet werden kann, sondern dass hiefür eine neuerliche unzweideutige Kundgebung der Signatarmächte unerlässlich ist, wie sie nur durch eine Konferenz erzielt werden kann. Dass die Verträge einer nähern Circumstanzierung dringend bedürfen ist von jeher anerkannt worden und zuletzt bei Anlass des Übergangs von Savoyen an Frankreich. Die französische Regierung hat sich denn auch geneigt gezeigt, anlässlich der Kriegsbefürchtungen im Anfang des Jahres 1887 mit dem schweizerischen Bundesrate in bezügliche Verhandlungen einzutreten, brach aber die Verhandlungen sofort wieder ab, als die Kriegsgefahr sich verzog. Wir sind der Meinung, dass diese Frage nicht durch einseitige Verhandlung zwischen Frankreich und der Schweiz geordnet werden könne und dürfte, sondern dass sie vor das Forum der Signatarmächte von 1815 gehöre, als derjenigen völkerrechtlichen Autorität, welche das Occupationsrecht der Schweiz constituierte.
Im fernem sind wir der Ansicht, dass dafür kein Zeitpunkt ungeeigneter sein könne, als derjenige drohender Kriegsgefahr, wo die Musse und die Unbefangenheit für die Erledigung dieser in mehr als einer Hinsicht heiklen Angelegenheit mangelt, sondern dass dafür eine politisch windstille Zeit gewählt werden müsse. Insofern wäre gerade der gegenwärtige Zeitpunkt für die Wiederaufnahme dieser Verhandlungen nicht ungeeignet. Trotzdem nehmen wir Abstand Ihnen den Antrag auf Einberufung einer europäischen Konferenz zu stellen, weil wir die Befürchtung haben, sie könnte Beschlüsse zu Tage fördern, welche für die Schweiz noch unliebsamer wären, als der Fortbestand der gegenwärtigen, wenngleich unklaren Verhältnisse. Unzweifelhaft ist nämlich durch den Übergang von Savoyen an Frankreich im Jahre 1860 der Hauptgrund, welcher die Kongressmächte im Jahre 1815 zur Neutralisierung von Hochsavoyen veranlasst hatte, hinweggefallen. Es liegt daher die Gefahr nahe, dass der Kongress dem Rechtssatz Geltung verschaffen könnte «cessanto ratione, cessât lex ipsa». Diese Gefahr liegt um so näher, als gegenwärtig kein europäischer Staat an der Fortdauer der Neutralisation von Hochsavoyen ein vitales Interesse hat. Wenn Hoffnung vorhanden wäre, dass die Schweiz für den Verlust ihres Occupationsrechtes durch Gebietsabtretungen entschädigt würde, wie z. B. durch das Pays de Gex oder das Gebiet bis zur Kammlinie des Mont Vuache, Salève, so könnte man sich einen solchen Tausch wohl gefallen lassen, doch hieran ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen kaum zu denken. Es dürfte daher ratsam sein, sich seinen Rechtsstandpunkt in der Savoyenfrage selbst zu bilden und ihn zu geeigneter Zeit den Mächten zu notifizieren.
Diesen Rechtsstandpunkt fassen wir zusammen in den beiden Sätzen:
1. Die Besetzung von Savoyen ist für die Schweiz keine Pflicht, sondern nur ein Recht.
2. Die Verletzung des neutralisierten Gebietes von Savoyen im Kriegsfälle der Nachbarmächte, verpflichtet die Schweiz nicht ohne weiteres zum bewaffneten Einschreiten, noch begründet sie für die Schweiz den Kriegsfall mit dieser Macht.
Demgemäss stellen wir den Antrag, es möchte den Kongressmächten vom Jahre 1815 entweder schon jetzt, oder aber bei ausbrechender Kriegsgefahr notifiziert werden, «dass der Bundesrat vom Besetzungsrechte der neutralisierten Gebietsteile von Savoyen Gebrauch machen werde, sofern ihm solches zur Sicherung der schweizerischen Neutralität und der Integrität des schweizerischen Gebietes erforderlich erscheinen sollte», (soweit übereinstimmend mit dem Wortlaut der Notifikation an die Mächte vom 18. Juli 18706)und dass der Bundesrat sein Verhalten bei allfälliger Verletzung des neutralisierten Gebietes durch die kriegsführenden Parteien ausschliesslich von den Erfordernissen der schweizerischen Landesverteidigung abhängig machen werde.
Das sind, hochgeachteter Herr Bundesrat, die Fragen, welche unserer Ansicht nach von der Landesverteidigungskommission und eventuell vom hohen Bundesrate vor allem aus behandelt und festgestellt werden sollten. Über die sich daran knüpfenden weitern Fragen, wann und wie und unter welchen Modalitäten das Occupationsrecht auszuüben sei, sprechen wir uns in dem Memorial 1 näher aus.7
- 1
- Rapport (Copie): E 2 1644. Bericht betr. allfällige Besetzung Savoyens im Kriegsfälle.↩
- 2
- Non reproduit.↩
- 3
- Cf. DDS vol. 3, no 323, dodis.ch/42302 annexe.↩
- 4
- Non reproduit.↩
- 5
- Sont alors cités douze rapports sur les aspects politiques, stratégiques et géographiques de la question.↩
- 6
- Cf. DDS vol., 2, no 252, dodis.ch/41785.↩
- 7
- Le Chef du Bureau de l’Etat-major, A. Keller, s’occupe de nouveau de la question de l’occupation de la Savoie dans un rapport adressé le 20 février 1896 au Chef du Département militaire. Ce rapport conclut: Wir schliessen daher mit der Konklusion, dass wir es weder notwendig noch wünschenswert halten, auf unser Besetzungsrecht in Savoyen gänzlich Verzicht zu leisten, und dass auch politisch keine Gründe vorliegen, welche ein so aussergewöhnliches und unerwartetes Entgegenkommen gegenüber Frankreich rechtfertigen würden. Dagegen legen auch wir allerdings dem Occupationsrecht auf Hoch- Savoyen nicht diejenige Bedeutung bei, dass wir glauben, es sei dasselbe als ein ‹noli me tangere› zu betrachten. Wenn Frankreich willens ist, für dessen Ablösung annehmbare Anerbieten zu stellen, so sind wir der Meinung, dass man auf solchc Verhandlungen wohl eintreten könnte. (E 2, Archiv-Nr. 1644).↩
Tags
Zona franca dell' Alta Savoia et del Pays de Gex