Classement thématique série 1848–1945:
X. QUESTIONS FINANCIÈRES ET COMMERCIALES
1. Monnaie
1.1. Conférence monétaire internationale
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 4, doc. 88
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E12#1000/36#241* | |
Old classification | CH-BAR E 12(-)1000/36 33 | |
Dossier title | Internationale Münzkonferenz in Brüssel im November 1892: Unterlagen, Berichte und Korrespondenz (1892–1893) |
dodis.ch/42498
Durch Ihre verehrliche Zuschrift vom 14. Mai2 geben Sie mir Kenntnis von der Einladung der Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika betreffend eine projektierte neue internationale Münzkonferenz. Der Zweck dieser Konferenz soll dahin gerichtet sein, durch Feststellung eines internationalen Werthverhältnisses zwischen Gold u. Silber, oder durch andere Mittel, eine vermehrte Verwendung des Silbers zu Münzzwecken herbeizuführen, u. damit, wie das Einladungsschreiben hervorhebt, die Wohlfahrt aller Nationen und aller Bevölkerungsklassen zu fördern. Die einladende Regierung stellt das Gesuch an Sie3, ihr mitzutheilen, ob die Schweiz sich an einer solchen Konferenz betheiligen würde; sie wünscht aber auch gleichzeitig, wenigstens im allgemeinen, Ihre Ansichten über den Gegenstand bereits kennen zu lernen.
Dem mir Ihrerseits ausgedrückten Wunsche um eine Meinungsäusserung komme ich gerne nach, bitte aber um Entschuldigung, wenn ich mich im gegenwärtigen Momente, wegen andererseitiger Inanspruchnahme, nicht so gründlich u. einlässlich über die Sache aussprechen kann, wie sie es verdiente. Immerhin darf ich beifügen, dass nachstehende kurze Erörterungen auf langjährigem Studium der Frage beruhen, u. dass meine Ansichten ziemlich feststehende sind.
Vorerst einige geschichtliche Thatsachen:
Mit Anfang der Siebziger Jahre begann die Entwerthung des Silbers, das sich während langer Zeit in seinem Verhältniss zum Gold einer gewissen Stabilität erfreut hatte, zumal speziell die Staaten der lateinischen Münzunion der vermehrten Produktion des Metalls ein Gegengewicht durch die freie Prägung entgegengestellt hatten. Dieses Gegengewicht reichte nicht mehr aus, als zu der Entdeckung neuer Silberminen in den Vereinigten Staaten die Abnahme der Silberausfuhr nach Indien, die Ersetzung der Silberwährung in Deutschland durch die Goldwährung, u. dann von 1873 an die nothwendig gewordene Beschränkung, u. schliessliche völlige Sistierung der Prägung von Courant-Silber, in den Staaten der lateinischen Union, hinzutrat. Von ca. 601/4 Pence per Unze Standard im Jahre 1870 sank der Silberpreis bis 46Y4 d. im J. 1876, hob sich dann wieder, und stand während einigen Jahren auf ca. 52 d. Zur Aufrechthaltung dieses letztem Preises hatte zumeist beigetragen die sogenannte Amerikanische Bland Bill vom Jahre 1878, welche das Schatzamt verpflichtete, monatlich für mindestens 2 Millionen u. höchstens 4 Millionen Dollars Silber anzukaufen u. auszuprägen, zu einem Preise, welcher der Werthrelation zum Golde von 1:15,988 entsprach. Vorübergehende Werthverbesserungen brachten die Spekulationen, welche sich auf die internationalen – bekanntlich resultatlos verlaufenen – Münzkonferenzen von 1873 u. 18814 fussten, nach deren Vorbild nunmehr eine neue, dritte Auflage, vorgeschlagen wird.
Die seitherigen Bestrebungen der Freunde der Herstellung eines bestimmten Werthverhältnisses zwischen Gold u. Silber, von welchen namentlich die vor einigen Jahren in England von staatswegen veranstaltete grosse Enquête, dann der anlässlich der Pariser Ausstellung von 1889 veranstaltete freie Kongress zu nennen wären, haben zu keinem praktischen Resultate geführt, und sind auch auf den Preis des Silbers ohne nennenswerthen Einfluss geblieben. Dagegen erzeugte allerdings die am 14. Juli 1890 vom Kongress der Vereinigten Staaten beschlossene Abänderung der Bland Bill, wonach das Schatzamt angewiesen wurde, monatlich 4.500.000 Unzen Silber «oder so viel als überhaupt ihm angeboten werde», zum Marktpreis gegen auszugebende Schatznoten zu kaufen, so lange derselbe unter dem Münzsatz von 129.29 Cents p. Unze stehe, eine tiefgehende, aber doch nur temporäre, Wirkung auf den Silberpreis. Die Spekulation nützte die Situation aus und trieb den letztem von 44 d. im Februar 1890 auf 541/4 d. im August desselben Jahres, zum grossen Schaden des durch so enorme Schwankungen in allen Berechnungen gestörten legitimen Handels mit den Silberwährungsstaaten, namentlich mit Ostasien. Die neue Bill erreichte ihren Zweck nicht. Silber ist seitdem wieder stetig im Preise gefallen, und zwar auf den noch nie dagewesenen Stand von 39 d. – heutiger Preis 40 d. f. Unze Standard. Die Silberinteressenten schreiben diesen Misserfolg dem Umstande zu, dass man mit jener gesetzlichen Massregel auf halbem Wege stehen geblieben sei, und nicht die völlig freie Silberausprägung dekretiert habe. Ein Versuch, diese letztere im Kongress durchzubringen, ist am 22. März d.J. mit einer Stimme Mehrheit vereitelt worden.
Wenn man sich nun die Gründe näher ansieht, welche in den Vereinigten Staaten für oder gegen die seit 14 Jahren zu Gunsten der Hebung des Silberpreises getroffenen gesetzlichen Massnahmen ins Feld geführt wurden, so sind es in der Hauptsache folgende: die zwangsweise Ausprägung hat dem Lande einen Vorrath von innerlich minderwerthigen Silberdollars zugeführt, der die Zirculationsbedürfnisse überschreitet; als unmittelbare Folge ergibt sich, wie die jährlichen statistischen Aufnahmen darthun, eine Verminderung des Vorrathes des werthvolleren Metalles, des Goldes. Mit Recht befürchten daher viele Amerikaner dass bei weiterm Fortschreiten auf dieser Bahn, namentlich aber wenn die freie Silberprägung hinzukäme, die Goldwährung, welche trotz des grossen Silbervorrathes thatsächlich bis anhin noch festgehalten werden konnte, der eigentlichen Silberwährung über kurz oder lang Platz machen müsse. Gegenüber den Ländern mit Goldwährung, wie England, Deutschland, Frankreich, sänken damit die Vereinigten Staaten zu einem Handelsstaate niederer Ordnung herab, und die wirtschaftlichen Folgen wären geradezu unberechenbar.
Die Silberfreunde bestreiten dagegen, trotz der vorliegenden Erfahrungen, dass die oben erwähnten Wirkungen wirklich eintreten würden, das heisst dass Nordamerika thatsächlich zu einem Silberwährungsland degradiert würde. Jedenfalls erhofft aber ein Theil derselben, nämlich die an der Produktion des Silbers unmittelbar Betheiligten, von der freien Prägung ein Steigen des Preises, und das ist für sie die Hauptsache. Ein anderer Theil hinwieder, die lnflationisten, erwarten, auch bei eventuellem niedrigen Silberpreise, durch die grosse Vermehrung der Zirkulationsmittel einen wirtschaftlichen Aufschwung, eine Hebung der Exportfähigkeit namentlich für die Bodenerzeugnisse, u.s.w.
Nachdem der Kongress – mit kleiner Mehrheit – nun allerdings vor den Folgen der freien Prägung zurückgeschreckt ist, darf hingegen mit um so grösserm Rechte das Einladungsschreiben der Washingtoner Regierung andeuten, dass die öffentliche Meinung ihres Landes in einer internationalen Vereinbarung zum Zwecke der allgemeinen Verwendung des Silbers – welche zugleich eine Hebung des Preises desselben nach sich zöge – einen grossen Vortheil sähe. So wie die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten liegen, erscheint dieser Ausspruch plausibel, da auch die Gegner der bisherigen, einseitig auf ihr Land beschränkten legislatorischen Massregeln, in einer Mitbetheiligung der ändern bedeutenderen Handelsstaaten eine wesentliche Erleichterung und eine Verminderung der Gefahren für sich selbst erblicken müssen. In wie weit ändern Staaten durch eine solche Vereinbarung ähnliche Vortheile erwüchsen, ist eine Frage, die ich wenigstens für die Mehrheit der europäischen Handelsnationen, deren Geldumlauf auf der Basis von Gold vor sich geht – wenn auch bei einigen derselben diese Basis mit Rücksicht auf einen grossen eigenen Silbervorrath etwas schwach erscheint – nicht bejahen möchte. Allerdings findet sich ja auch in Europa eine Silberparthei, u. ein gewisses Interesse an der Erreichung des von den Vereinigten Staaten angestrebten Zieles läge auch hier vor. Die Exporteure von Manufakturwaren nach den Silberwährungsländern Ostasiens müssen eine Hebung u. namentlich eine Stabilisierung des Silberpreises wünschen. Die Agrarier sind der Ansicht, die Werthverminderung des Silbers habe die Produktionsund Exportfähigkeit der Silberwährungsländer an Getreide u.s.w. erleichtert, u. dadurch die Preise in Europa, oder vielmehr auf dem Weltmärkte heruntergedrückt. Allein einmal sind die Schlüsse einzelner sich in Folge der gegenwärtigen Zustände benachtheiligt glaubender Interessentenkreise nur theilweise zutreffend, die hervorgehobenen Nachtheile werden übertrieben, und so weit sie zutreffen für einzelne Berufsklassen, bedeuten sie nicht auch gleichzeitig einen Schaden für das Ganze.
Wenn sodann aber zugegeben werden kann, dass die Herbeiführung einer grössern Stabilität im Werthverhältnis zwischen Gold u. Silber unbedingt allgemein nützlich wäre, so erscheint die Hauptfrage auf der Bildfläche, ob durch eine internationale Übereinkunft das Ziel erreichbar wäre. Die Frage ist anlässlich der internationalen Konferenzen von 1878 und 1881 mit Mehrheit verneint worden, und die Faktoren, welche gegen eine Bejahung sprächen, haben sich seitdem nicht günstiger gestaltet; im Gegentheil. Trotz des fortwährend – einige künstlich herbeigeführte Unterbrechungen ausgenommen – gesunkenen Marktpreises ist die Silberproduktion stetig und ganz bedeutend gestiegen. Eine starke Erhöhung des Silberpreises in Folge der Öffnung der Münzstätten aller an einer internationalen Vereinbarung betheiligten Staaten würde unausweichlich die Produktion ganz intensiv weiter stimulieren und die Aufrechterhaltung eines stabilen Werthverhältnisses zwischen Gold und Silber nach kurzer Zeit wieder gefährden. Die ändern Staaten hätten zwar die Geschäfte der amerikanischen und anderer Silbermineninteressenten besorgt, damit aber ihre eigenen, soliden, Geldverhältnisse auf den Kopf gestellt. Ob überhaupt eine ausreichende Kontrolle über die richtige Durchführung einer so weit ausgreifenden internationalen Konvention möglich wäre, scheint mir, im Vorbeigehen gesagt, nicht wahrscheinlich; immerhin, je nach der Qualität und der Zahl der beitretenden Staaten, nicht absolut unmöglich.
Wie werden sich nun die bedeutenderen europäischen Handelsstaaten zu der Einladung stellen?
England, das vor allem in Betracht fällt, hätte Indiens halber, das sein grösster Abnehmer in Manufakturwaren ist, ein gewisses Interesse an der Hebung und Stabilisierung des Silberpreises. Der Schatzminister Goschen hat sich vor einiger Zeit öffentlich dahin ausgesprochen, dass England wohl zu einer internationalen bimetallistischen Vereinbarung die Hand bieten könnte, u. dass es seinerseits bereit wäre, die Verpflichtung einzugehen, Indien habe seine Münzstätten wie bis anhin der Silberprägung offen zu halten, und es sei im fernem die Bank von England zu veranlassen, einen Fünftheil ihres Barbestandes in Silber anzulegen. Die englische Fachpresse hat diese Äusserung Goschens scharf getadelt, mit dem Bedeuten, dieses Versprechen von eventuell geringfügigen Verpflichtungen sei für die Sache ziemlich werthlos, und ein derartiges Vorgehen überhaupt bloss geeignet, Illusionen zu erwecken, die zu nichts führten.
So wenig wie England wird Deutschland, dessen Geldumlauf von dem aus der seinerzeitigen Währungsänderungsoperation übrig gebliebenen Vorrath an Silbercourant kaum mehr belästigt wird, sich ernstlich zu dem Versuche hergeben, seine Goldwährung gefährden zu lassen.
Frankreich und Belgien mit ihren übergrossen Beständen an silbernen V F thalern hätten ähnlich wie die Vereinigten Staaten, aber doch in weit geringerem Masse, da sie nicht Silberproduzenten sind, ein etwelches Interesse am Zustandekommen einer bimetallistischen Union, auf welche sie vielleicht einen Theil ihres Überschusses an Silber abzuladen vermöchten. Diese beiden Staaten werden sich also, trotz geringerer Hoffnungen auf einen praktischen Erfolg, zu einer Betheiligung an der projektierten Konferenz wahrscheinlich herbeilassen. Letzteres wohl auch schon aus Höflichkeitsrücksichten, obwohl die sich täglich frisch erneuernden Erinnerungen an die Segnungen der MacKinley Bills die europäischen Staaten im allgemeinen wenig zu Sympathiebezeugungen dieser Art ermuntern können. Andere Staaten, wie Italien, das Besseres zu thun hat, als sich mit der vorliegenden Frage stark abzumühen, Österreich-Ungarn, das eben an der Einführung der Goldwährung laboriert, können hier ausser Betracht gelassen werden. Soviel ist jedenfalls sicher, dass eine internationale Vereinbarung ohne Englands u. Deutschlands intensive Betheiligung schon von vorneherein ungedenkbar sein muss.
Was soll die Schweiz thun?
Bei der Beantwortung dieser Frage darf man sich nicht bloss von der Überzeugung leiten lassen, dass wenn auch alle bedeutenderen Handelsstaaten die Konferenz beschicken, ein praktisches Resultat nicht zu Tage gefördert werden wird. Höflichkeitsrücksichten einerseits, dann aber besonders die Stellung der Schweiz als Münzverbündeter Belgiens, Frankreichs, Italiens werden sie darauf hinweisen, dem Beispiel dieser Staaten zu folgen. Insofern erscheint es mir überhaupt korrekt, wenn – was i. J. 1881 meines Wissens nicht der Fall war – die an der Lateinischen Münzkonvention betheiligten Staaten vorher ihre Gedanken austauschen, und a priori darüber mit sich ins reine kommen, dass nur mit gegenseitigem Einverständnis, von seite eines einzelnen Münzverbündeten Verpflichtungen, welche mit dem Sinn u. Geist der lateinischen Konvention in Widerspruch stünden, gegenüber einer neuen internationalen Vereinbarung eingegangen werden dürften.
Sollten Sie sich veranlasst sehen, aus diesen oder jenen Gründen die Einladung zu beantworten bevor Frankreich u. Belgien sich erklärt haben, so würde ohne Zweifel doch an eine Zusage Ihrerseits der Vorbehalt der Betheiligung unserer Münzverbündeten zu knüpfen sein.5 Hinsichtlich des im Einladungsschreiben ausgedrückten Wunsches nach einer vorläufigen Meinungsäusserung über die Sache selbst, dürfte wohl gesagt werden, dass man hierseits die Schwierigkeiten, eine befriedigende Lösung der Frage in angestrebtem Sinne zu erzielen, als beinahe unüberwindlich ansehe.
Über die eventuelle Stellung sich auszusprechen, welche im Falle des Zustandekommens der Konferenz die Schweiz einzunehmen hätte, erscheint heute noch völlig verfrüht.
Zum Schluss meiner sehr unvollständigen Auseinandersetzungen gestatte ich mir bloss noch folgende Bemerkungen: Meines Erachtens wird die Silberfrage ihrem natürlichen Gange überlassen werden müssen. Für die Staaten der lateinischen Union sorgt einstweilen die bestehende Vereinbarung. Im allgemeinen wird eine nothwendig werdende Einschränkung der Silberproduktion, die sich bei einem etwaigen weitern Sinken des Preises einstellen muss, sodann die seit einigen Jahren konstatierte regelmässige Vermehrung der Goldproduktion, nach und nach ein richtigeres Verhältniss zwischen den beiden Münzmetallen herzustellen vermögen6
- 1
- Lettre: E 12/32.↩
- 2
- Non retrouvé.↩
- 4
- C'f. DDS, vol. 3, chapitre II.4.2.↩
- 5
- Le Conseil fédéral décide le Ier juin 1892 de charger le DFAE de répondre à l’invitation américaine dans les termes suivants: [...] Nous sommes chargés par le Conseil fédéral de vous répondre qu’il est disposé à faire représenter la Suisse à la conférence que projette votre Gouvernement, sous réserve toutefois que les autres Etats faisant partie de l’Union monétaire latine acceptent également l’invitation de Monsieur le Président des Etats-Unis d’Amérique. [...] ( E 1004 1/169, no 2312).↩
- 6
- Voir aussi RG 1892 (FF 1893, II, pp. 488 s.).↩
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