Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
16. Italie
16.1. Commerce
16.1.1. Traité de commerce de 1891
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 4, doc. 60
volume linkBern 1994
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E13#1000/38#284* | |
Old classification | CH-BAR E 13(-)1000/38 65 | |
Dossier title | Korrespondenz des Departements des Auswärtigen (Handelsabteilung), u.a. mit dem schweizerischen Handels- und Industrieverein betr. Vorbereitungen für die Instruktion der schweizerischen Verhandlungsdelegation; schweizerische Forderungen an den Vertrag (1891–1891) |
dodis.ch/42470
Mit Ihrer geehrten Zuschrift vom 3. Juni2 ersuchten Sie uns, die Vertreter aller am Verkehr mit Italien interessierten Industrie- und Handelszweige zur Kundgebung ihrer Wünsche betreffend den Abschluss eines neuen Handelsvertrags mit genanntem Staate zu veranlassen, und Ihnen sodann einen zusammenfassenden Bericht über unsere Umfrage bis Anfangs Juli zu erstatten. Gleichzeitig beauftragten Sie uns, die kritische Bearbeitung der Handelsstatistiken auch auf den italienisch-schweizerischen Warenaustausch erstrecken zu wollen.
Entschuldigen Sie zunächt, hochgeehrter Herr Bundesrat, dass die Ihnen bekannten Untersuchungen über den Warenverkehr der Schweiz mit Deutschland und Österreich es uns verunmöglichten, Ihrem Wunsche hinsichtlich der gesetzten Zeitgrenze gerecht zu werden. Wollen sie es des weitern gütigst der Knappheit der uns zur Verfügung gebliebenen Zeit zuschreiben, wenn die Ausarbeitung der nachstehenden Ergebnisse und Begutachtungen über unsere Erhebungen Ihren Erwartungen auch in ändern Beziehungen nicht entsprechen sollte.
Was die Durchführung des uns gewordenen Auftrags anbelangt, so glauben wir bei der Umfrage keinen der am Verkehr mit Italien in irgend beachtenswerthem Masse betheiligten Erwerbszweige übergangen zu haben, wenn die folgenden Mittheilungen darüber Zweifel gestatten könnten, so erlauben wir uns diesbezüglich vorweg einzuschalten, dass uns auf verschiedene Einladungen zur Berichterstattung entweder keine Antworten, oder aber die Erklärungen eingingen, man sei nicht im Falle, die gesuchten Aufschlüsse zu geben. Es fehlen uns beispielsweise Vernehmlassungen seitens der Zigarrenfabrikation, seitens typographischer Gewerbe, seitens der Fabrikation musikalischer Instrumente – Musikdosen u.s.w.
Diese Lücken sind nicht gerade sehr misslich in Hinblick auf den Ihnen im Spätjahr 1887 unterbreiteten Bericht «Zur Erneuerung des schweizerisch-italienischen Handelsvertrags», dessen Darlegungen heute noch alle Beachtung verdienen. Mehrere Sektionen unseres Verbandes berufen sich nachdrücklich auf die damals entworfenen Schilderungen und Vorschläge, und wir glauben unsererseits ein Gleiches thun zu dürfen, soweit es sich wenigstens um die Beleuchtung der Ursachen handelt, welche hauptsächlich dazu beigetragen haben die Verhältnisse so zu gestalten, wie sie sich nun darstellen. Es sind der Beschwerden neuern Ursprungs, die sich gegen den südlichen Nachbarn richten, mehr als genug, so dass die Auffrischung alter füglich unterbleiben kann; denn was etwa s. Z. geäusserte Befürchtungen betrifft, so muss zugegeben werden, dass sie sich leider im Ganzen erfüllt haben. Sofern freilich das dermalige Gutachten in diesen oder jenen Einzelheiten vom frühem abweicht, hat das erstere wohl Anspruch auf grössere Berücksichtigung, weil es eben auf die heutige Beurtheilung der Sachlage abstellt.
Seit dem Jahre 1888 hat sich der Handelsverkehr zwischen der Schweiz und Italien weiter zuungunsten des erstem und zugunsten des letztem Landes vollzogen. Dies ist nicht nur nachzuweisen an Hand der Statistiken, sondern auch mit Hülfe einer langen Reihe eingegangener Berichte, welche mit seltenen Ausnahmen die Abnahme des Absatzes in Italien selbst in solchen Fällen darthun, wo die Statistiken das Gegentheil glauben lassen. Es wird sich anlässlich der Prüfung der beidseitigen handelsstatistischen Aufzeichnungen Gelegenheit bieten, auf diese Erscheinungen des Nähern einzutreten.
Wesentlich veranlasst ist die Thatsache des Rückgangs der schweizerischen Ausfuhr nach Italien in erster Linie durch die mit Beginn des Jahres 1888 erfolgte neuerliche und beträchtliche Erhöhung der italienischen Eingangszölle und durch die damit in vermehrtem Grade bewirkte Erstarkung der dortigen Konkurrenz, welche abgesehen vom Zollschutz unter vorteilhafteren Bedingungen arbeitet als der schweizerische Produzent. In zweiter Linie hat dem Export Abbruch gethan die wirtschaftliche Gedrücktheit, die insbesondere infolge des italienisch französischen Zollkriegs über Italien kam, und deren Aufhören einstweilen noch nicht abzusehen ist.
Zu diesen Hauptursachen gesellt sich eine Anzahl anderer, welche einzeln für sich betrachtet nicht von Wichtigkeit scheinen mögen, die aber insgesamt den Verkehr in bedauerlicher Weise hintanhalten und deshalb an dieser Stelle schon gedrängt sollen namhaft gemacht werden.
Nachdem es nämlich der Schweiz durch den Vertrag vom 23. Januar 1889 gelungen war, von Italien einige willkommene Zollermässigungen und Bindungen auszuwirken, hat es Italien seither an nichts fehlen lassen, um die zugestandenen Vergünstigungen mittels aller denkbaren lästigen Vorkehren, in denen offenbar System liegt, so weit als möglich hinfällig zu machen. Italien hat wiederholt bewiesen, dass es behufs Erreichung seiner Ziele nicht davor zurückscheut, jene Grenzen zu überschreiten, welche sonst jedem loyalen Kontrahenten durch den Wortlaut der gegenseitigen Übereinkommen deutlich gezeichnet sind. Wir sind uns der Schwere dieser Anklagen vollkommen bewusst, aber auch von ihrer Begründetheit so fest überzeugt, dass wir keinen Anstand genommen haben im «Bericht über Handel und Industrie der Schweiz im Jahre 1889» unsern Anschauungen in dieser Frage sogar öffentlich Ausdruck zu geben.
Willkürliche Tarifentscheide und Chicanen der Douane bei der Zollabfertigung; ungebührliche Erhöhung statt der vertraglich in Aussicht gestellten Ermässigung der sog. Grenzspesen infolge der Übertragung des Vollzugs der Zollbehandlung an die Bahnverwaltungen, ungerechtfertigter Bezug der Lamina-Steuer; unstatthafte Verzollung von Mustern und ebenso von Reklame-Plakaten; zweckloser Weiterbezug von Ursprungszeugnissen; unbegründete Erschwerung des Poststückverkehrs, vertraglichen Abmachungen zuwiderlaufende Bedingungen bei Konzessionsertheilungen – das sind einige der Hemmnisse, mit welchen Italien den schweizerischen Handel bedenkt.
Eine Maschinenfabrik schreibt uns: «Die bisherigen übertriebenen Zölle sind eigentlich nur nominelle, denn immer und immer müssen wir die Wahrnehmung machen, dass absolut richtige, dem Wortlaut des Zollvertrags vollkommen entsprechende Zolldeklarationen von den betreffenden italienischen Beamten einfach als unrichtig bezeichnet werden. Nach eigenem, willkürlichem und chicanösem Ermessen werden unter eine Zollkategorie gehörende Sendungen zergliedert, für die einzelnen Theile, andere, selbst verständlich höhere Zollansätze angerechnet, so dass die Gesamtzollspesen für die betreffenden Sendungen sehr oft ganz bedeutend mehr ausmachen, als laut Tarif irgendwie gerechtfertigt ist. Im Handelsvertrag zwischen der Schweiz und Italien steht: unvollständige Maschinen unterliegen dem Zoll der betreffenden Maschinen. Spedieren wir nun aber z. B. verschiedene Bestandtheile zu einer Papiermaschine und deklarieren wir die Sendung als ‹Bestandtheile zu einer Papiermaschine› so wird nicht der hier laut Tarif vorgesehene Ansatz von Fr. 10. –, sondern im günstigsten Falle Fr. 11. – per 100 kg. verrechnet. Enthält die Sendung zufällig Bestandtheile aus Kupfer oder Metall u.s.w., so wird das Gewicht dieser Theile einfach zu dem für aus dem betreffenden Material hergestellten Apparate zur Verrechnung kommenden hohen Zollansatz bis zu Fr. 18. – per 100 kg. verzollt. Oder spedieren wir eine vollständige Turbine mit Blechmantel oder mit Einlaufrohr aus Eisenblech, so wird, anstatt die ganze Sendung als Wassermotor oder hydraulische Maschine zu Fr. 10.– per 100 kg. zu verzollen, der Blechmantel oder das Einlaufrohr ausgeschieden und zu Fr. 14. – bis Fr. 18. – verzollt. Es sind das Verhältnisse, die unbedingt mit aller Energie abgeschafft werden sollten, denn bei dieser willkürlichen und ungerechten Zollbehandlung ist es dem Fabrikanten einfach unmöglich die Zollspesen zum voraus richtig zu berechnen.»
Eine andere Maschinenfabrik berichtet, dass sie vor etlichen Jahren eine grössere Zahl von Lokomotiven nach Sardinien zu liefern gehabt habe, welche, weil schmalspurig, theilweise demontiert werden mussten. Nun wurden die einzelnen Bestandtheile, obschon zu ein und derselben Maschine gehörig, ganz verschiedenartig klassifiziert. Der Mehrzoll belief sich auf mehrere tausend Franken, aber alle Reklamationen blieben erfolglos.
Wieder eine andere Maschinenfabrik meldet lakonisch: «Willkürliche Tarifentscheide kommen oft vor.»
Über die sog. Grenzspesen ist Ihnen ein besonderes Memorandum zugegangen, doch heben wir auch hier aus manchen zwei Beispiele heraus: Ein Exporteur gefärbter Baumwolltücher begehrt sehr, es solle auf Beseitigung dieser Nebenspesen gedrungen werden, welche 5–8 % des ohnehin hohen Zolles ausmachen und besonders bei kleinen Sendungen sehr empfindlich wirken. Und ein Baumwolldrucker theilt mit, es koste jede über Chiasso gehende Sendung 4–6 Fr. Grenzspesen: «über Buchs via Arlberg und Triest sind diese Spesen viel kleiner.» Danach wäre also die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass Italien die Meistbegünstigten mit ungleichem Masse misst.
Ebenfalls ein Baumwolldrucker berichtet über die sonderbare Berechnung der Lamina-Steuer: «Überdies bezahlt jeder Abschnitt bei unsern Artikeln – Mouchoirs – gewöhnlich das Dutzend 5 cts lamina. Diese Kontrolsteuer wird an gewissen Plätzen sehr streng gehandhabt, so dass, wenn zufällig ein Dutzend aus verschiedenen Abschnitten besteht, jeder Abschnitt die Lamina zu bezahlen hat.»
Wieder ein anderer Baumwolldrucker konstatiert, dass hie und da Geschäftsreisende immer noch gehalten werden ihre Muster – z. B. Viertelsmouchoirs wie ganze – zu verzollen. Eine Rückzahlung des Zollbetrages findet nur statt, wenn der Betreffende mit den beanstandeten, bzw. verzollten Mustern wieder über das nämliche Grenzzollamt zurückkehrt, das er beim Eintritt in das Land passierte.
Über die Zollbelastung von Reklame-Plakaten, die sonst in keinem ändern Lande besteht, beschwert sich ein Chocolade-Fabrikant. Die Plakate werden von den italienischen Käufern mit grosser Zähigkeit verlangt und müssen deshalb jeder Kiste beiliegen. Sie werden nicht verkauft, sondern ausschliesslich verschenkt.
Auch das noch andauernde Fordern von Ursprungs-Zeugnissen, nachdem doch Italien Frankreich gegenüber die Differentialzölle hat fallen lassen, wird von mehrern Seiten mit Recht gerügt.
Der Poststückverkehr wird dadurch unnöthigerweise erschwert, dass für jedes Packet ein Ursprungszeugniss, Begleitadresse und verschiedene Zolldeklarationen verlangt werden, während im Verkehr mit ändern Ländern ja nur ein Exemplar der besagten Formulare gefordert wird für mehrere Pakete, wenn sie an die nämliche Adresse bestimmt sind.
Über die vertraglichen Abmachungen zuwider laufenden Bedingungen bei Konzessionsertheilungen schreibt eine Maschinenfabrik, dass z.B. bei Ertheilung von Konzessionen für Eisenbahnanlagen die Verpflichtung auferlegt werde, es sei das Material im Inlande zu beschaffen. Der Unternehmer ist gezwungen, dem inländischen italienischen Fabrikanten sogar bei beträchtlich höhern Offerten den Vorzug zu geben vor dem fremden. Unter solchen Umständen hat es allerdings nicht viel auf sich, Zölle zu binden oder mit ihrer Herabsetzung Vortheile zu erkaufen, deren Genuss man sicher ist.
Damit schliessen wir an diesem Orte die Illustration der obigen Aufzählung; doch möchten wir nicht ermangeln hier noch zu erwähnen, dass von seiten einer Firma dem Abschluss eines in der Form annehmbaren italienisch-schweizerischen Zollkartells das Wort geredet wird. Es heisst in der betreffenden Eingabe: «Es liegt auf der Hand, dass nicht im vollen Umfange entsprochen werden kann, allein ein Entgegenkommen sollte doch möglich sein, ohne dass sich die Schweiz an ihrer Ehre etwas vergibt. Man kann ja das Zollregime Italiens moralisch verurtheilen, allein zu mehr haben wir kein Recht; umso weniger, als die Zölle, die Italien gegenwärtig einnimmt mehr Finanz- als Schutzzölle sind. Es treten dieselben an den Platz indirekter Steuern, welcher es nun einmal in der gegenwärtigen Lage nicht entbehren kann. Wenn eine akzeptable Form des Entgegenkommens gefunden werden könnte, so würde damit unsern Unterhändlern eine mächtige und erfolgreiche Waffe in die Hand gegeben und würden vielleicht Zollplackereien in Zukunft weniger häufig Vorkommen.»
Wir verhehlen uns die Schwierigkeit einer beide Theile zufriedenstellenden Lösung dieser äusserst heikeln Frage nicht. Bei der Behandlung derselben ist bislang wohl mit Recht der etwa zu erkaufende materielle Vortheil nicht in den Vordergrund gerückt worden, und es dürfte nach unserm unmassgeblichen Erachten auch jetzt noch wohlgethan sein, hier sorgfältig auf die Stimmung des Volkes zu achten und mit ihr zu rechnen.
Die nachstehenden Bemerkungen zur Ausfuhr der Schweiz nach Italien sind, soweit dies möglich oder angezeigt war, nach der Reihenfolge der italienischen Zolltarifnummern geordnet, umgekehrt diejenigen über die Einfuhr der Schweiz aus Italien nach den Nummern des schweizerischen Zolltarifs.
Beizufügen gestatten wir uns noch, dass von einer unserer Verbandssektionen der Wunsch ausgesprochen worden ist, es möchten mit Rücksicht auf die Kürze der Zeit, welche zur Behandlung dieser Vertragsfrage zugestanden werden konnte, sowie mit Rücksicht auf die Kompliziertheit der Sache, zu den Verhandlungen eventuell Fachleute mit Mustern zugezogen werden; so z.B. für die Stikkerei.
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