Classement thématique série 1848–1945:
II. RELATIONS BILATÉRALES
16. Italie
16.1. Commerce
16.1.1. Traité de commerce de 1891
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 4, doc. 57
volume linkBern 1994
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dodis.ch/42467
Soeben bin ich von einer interessanten Besprechung, welche ich mit den Ministern Luzzatti und Colombo gepflogen habe, zurückgekehrt und beehre mich, Ihnen den hauptsächlichsten Inhalt derselben zu berichten.
Es wurde mir bestätigt, dass man eine Conferenz in Bern mit Deutschland, Österreich und der Schweiz, betreffend die Handelsverträge, auf Mitte Juli (oder den 20.) in Aussicht genommen habe.
Hr. Luzzatti sagte, entgegen der mir gestern auf der Consulta gemachten Mittheilung, dass man wahrscheinlich schon im Laufe des Sommers einen Vertrag abschliessen könne, da die Revision des Generalzolltarifs zwar allerdings nicht vor November im Parlament zur Behandlung gelange, man jedoch schon im Monat Juli die Ansätze desselben, für die uns am meisten interessierenden Positionen kennen werde und somit einen Handelsvertrag abschliessen könne, ohne bis zum Winter zu warten.
Ich habe den Herren die guten Absichten, welche die Schweiz hege, um, so viel an ihr liege, zu einem möglichst liberalen Handelsvertragsabschluss zu kommen, erklärt. Auch machte ich darauf aufmerksam, dass der Hauptexportartikel Italiens (ausser der Seide), der Wein, bei uns immer mehr Absatz finde und konnte mich diesfalls auf eine Zusammenstellung, die ich dem Bericht der kaufmännischen Gesellschaft in Zürich entnommen hatte, berufen. Ich habe diese Zusammenstellung vor einiger Zeit dem Handelsminister Chimirri übergeben, damit er daraus ersehe, dass Italien gegenwärtig der stärkste Weinimporteur [sic] in der Schweiz ist.
Ich verlangte dann, dass man uns auch italienischerseits mehr entgegenkomme und namentlich in den Exportartikeln unserer Industrie eine Erleichterung gewähre.
Auf dies hin sagte Hr. Luzzatti: er wolle sich ganz freimüthig aussprechen. Die Industrie Italiens befinde sich in einer höchst precären Lage. Hätte man einen Vertrag mit Frankreich, so wäre der Absatz italienischer Industrieprodukte eher möglich. Aber bei den gegenwärtigen Verhältnissen bedürfe die Industrie des kräftigen Schutzes, wenn sie nicht zugrunde gehen solle. Die Städte und Dörfer seien voll unbeschäftigter Arbeiter, weil die Fabriken, aus Mangel an Absatz gegenüber der Concurrenz anderer Länder, nicht produzieren können und es liege daher in der Pflicht des Staates zu helfen, so viel ihm möglich sei. Colombo fügte bei: die Industriellen Norditaliens und darunter vorab die dort niedergelassenen schweizerischen Fabrikanten dringen sehr darauf, dass man sie unterstütze. Man werde daher weder gegenüber Deutschland noch Österreich und der Schweiz Ermässigungen in denjenigen Artikeln, welche Italien produziere, eintreten lassen können.
Ich beklagte mich dann lebhaft über die Zollbehandlungen, die wir erleiden und bemerkte, dass unsere Reklamationen meist unberücksichtigt bleiben und wir mit Italien leider mehr Zollanstände haben als mit allen anderen Nationen zusammengenommen.
Es sei darum durchaus nothwendig, in dieser Sache Ordnung zu schaffen und unseren durch die hohen Tarife ohnehin schon belasteten Verkehr nicht noch durch Zollchicanen zu erschweren.
Hr. Luzzatti unterstützte mich und wünschte, dass ich über diesen Punkt auch mit dem Ministerpräsidenten spreche, der sicherlich entgegenkommend sein werde. Hr. Finanzminister Colombo war jedoch anderer Meinung. Er sagte, dass er früher selber Theil an den Verhandlungen der Zoll-Experten Commissionen genommen habe. Das Verfahren derselben sei ein loyales, streng gesetzliches und es werde niemals eine Rücksicht auf die Provenienz der Ware genommen: alle Importationen werden genau nach gleichem System behandelt.
Ich erwiderte ihm darauf, dass wir nicht behaupten, speziell parteiisch behandelt zu werden. Aber das ganze Verfahren sei ein höchst pedantisches, engherziges und chicanöses, wie dies nicht nur von mir sondern auch von den Vertretern anderer Staaten beklagt werde.
Übrigens wolle ich ihm einige frappante Fälle von Zollplackereien anführen.
Ich erwähnte dann den Fall Prina, wo Bücher, die einen ondulierten Strich am Schlüsse jedes Capitels aufwiesen, als «illustrierte Werke» mit Fr. 100 [per Centner taxiert wurden und unsere Reklamation dreimal in den Expertenkommissionen abgewiesen wurde, bis man sie endlich anerkennen musste.
Ferner: Die Sacktücher, die ein Zeichen mit rothem Faden trugen, als «Stikkereien» behandelt und wie wollene Leibchen, welche ein kleines seidenes Bändchen am Hals hatten, als «Seidenwaren» classifiziert wurden etc. etc.
Hr. Colombo gab zu, dass dies Übelstände seien, behauptete jedoch, die sämtlichen Taxationen gründen sich auf den Wortlaut des Gesetzes. Er erklärte sich bereit, bei künftigen Verhandlungen, in Bezug auf die «Definition» der Gesetzesartikel Milderung eintreten zu lassen und überhaupt darauf hinzuwirken, dass eine liberalere Auslegung des Zollgesetzes stattfinde. Auf meine Frage, wer für Italien als Unterhändler abgeordnet werde sagte mir H. Luzzatti: unter keinen Umständen werde man Ellena damit betrauen. Wahrscheinlich wählte man Malvano und einen Techniker.
Sollte sich die Wahl des Generalsekretärs Malvano bestätigen, so wäre dies zu begrüssen, da derselbe der traktabelste Mann unter den hiesigen Beamten ist, den ich kenne.
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- Lettre: E 13 (B)/217. Une copie de cette lettre fut annexée à une dépêche envoyée le 11 juin 1891 à Berlin et à Vienne, dont voici un extrait: [...] Sie entnehmen aus dem Berichte des Herrn Bavier, dass Italien keine Koncessionen bei industriellen Erzeugnissen, welche in jenem Lande selbst produziert werden, machen will. Wir sehen daraus, dass diese Unterhandlungen uns manche Schwierigkeiten bieten werden, denn Italien wird sich gegenüber den von uns notwendig zu verlangenden Koncessionen sehr zäh verhalten. Wir haben freilich ein gutes Kampfmittel, nämlich den Wein. Hinsichtlich des Absatzes dieses Produktes in der Schweiz hat Italien allen ändern Nationen, selbst Frankreich den Rang abgelaufen, und wir werden und müssen den schweizerischen Weinzoll gegenüber Italien dazu benutzen, um für unsere Industrieerzeugnisse Ermässigungen auszuwirken. Auf diesen Punkt sollte auch bei den Unterhandlungen mit Österreich-Ungarn und Deutschland Bedacht genommen werden, was Sie gefälligst den übrigen drei Herren Delegierten des Bundesrathes mittheilen wollen. Damit wir den Weinzoll gegenüber Italien gehörig benutzen können, ist nötig, dass der schweizerische Generalzoll gegenüber Österreich und Deutschland nicht oder wenigstens nicht wesentlich, jedenfalls nicht bis auf 3 fr. 50 Cts. ermässigt werde. Unsere Situation gegenüber Italien wird auch den deutschen und österreichischen Delegierten sehr einleuchtend sein, so dass wir erwarten dürfen, dass dieselben nicht auf Ermässigung des Weinzolles bis auf 3 fr. 50 Cts. insistieren werden. Es liegt ja auch infolge der Meistbegünstigungsklausel im Interesse Deutschlands und Österreich-Ungarns, dass wir für Industrieerzeugnisse von Italien Zollermässigungen erhalten (E 13 (B)/2 '17).↩
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