Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 4, Dok. 49
volume linkBern 1994
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E2300#1000/716#881* | |
Dossiertitel | Rom, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 5 (1890–1891) |
dodis.ch/42459
Die gegenwärtigen Parlamentsferien werden vom Ministerium dazu benutzt, sich für die ihm ohne Zweifel bevorstehenden Kämpfe mit der Opposition zu rüsten.
Die Colonialpolitik in Afrika, der Dreibund und die Finanzlage werden die hauptsächlichen Angriffspunkte bilden.
In Bezug auf die Verhältnisse in Abyssinien ist es dem Ministerium gelungen, sich mit England über die Grenzbereinigung zu verständigen. Dabei wird Kassala – wie ich Ihnen schon Anfangs des Winters zu berichten die Ehre hatte – nicht in den Besitz von Italien übergehen. Es wird demselben, nur unter gewissen Bedingungen, die vorübergehende Besetzung der Festung zugestanden, wenn seine militärische Aktion dies erfordern wollte. Unter allen Umständen muss Italien sich jedoch verpflichten, Kassala an Egypten zurückzuerstatten, sobald dasselbe es verlangt und im Stande ist es zu schützen. Die Demarkationslinie ist bei den Verhandlungen zwischen H. di Rudini und Lord Dufferin genau bezeichnet worden. England überlässt Italien ein grosses Stück des Gebietes von Juba bis zum Rothen Meere. Sobald das Übereinkommen definitiv genehmigt worden ist werde ich mich beehren, Ihnen eine Carte mit der Grenzlinie zu übersenden.
Hiemit sind jedoch die Schwierigkeiten in Afrika noch keineswegs alle beseitigt. Der Negus Menelik weigert sich bekanntlich, den mit Hr. Crispi s. Z. abgeschlossenen Vertrag, welcher in Art. 17 Italien das Protektorat überträgt, anzuerkennen. In Folge dessen ist der Vertreter Italiens abgereist und wird demnächst in Rom erwartet, um die noch vor dem Zusammentritt des Parlaments erwünschten Aufklärungen zu ertheilen. Mittlerweile soll Menelik, nach der Abreise Antonelli’s, sich eines Bessern besonnen haben und zum Kreuz gekrochen sein. Er habe an König Humbert einen Brief geschrieben, in dem er sich bereit erkläre Italiens Protektorat anzuerkennen (und vielleicht ein paar weitere Millionen in Empfang zu nehmen). Von diesem Brief konnte ich übrigens auf der Consulta nichts erfahren und er bedarf, obschon er in der ganzen ital. Presse angekündigt worden ist, noch sehr der Bestätigung. Herr di Rudini ist der Ansicht, dass man in Afrika keine Gebietsausdehnung anstreben, aber immerhin darauf Bedacht nehmen solle, den dortigen Besitz mit möglichst geringen Mitteln zu sichern. Er kann sich über die Verhältnisse neben den offiziellen Berichten, auch noch in privater Weise orientiren, da sein Sohn sich seit längerer Zeit bei Dr. Nerazzini, dem Repräsentanten Italiens, in Harras befindet. [...]
In Bezug auf die Tripelallianz habe ich aus bester Quelle erfahren, dass H. di Rudini unerschütterlich daran festhält und dass er zwar sich grosse Mühe gibt, einen angenehmeren modus vivendi mit Frankreich herbeizuführen und namentlieh die commerciellen Beziehungen zu verbessern, dass er aber auch des Bestimmtesten erklärt hat auf keinerlei Concessionen, welche eine Lockerung des Dreibundes bezwecken würden, einzugehen. Von der Opposition und ganz besonders von den H. Crispi freundlichen Organen: der «Riforma» und dem «Popolo romano» wird die Finanzpolitik des neuen Ministeriums fortwährend zum Gegenstand der Critik gemacht.
- 1
- E 2300 Rom.↩
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