Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
IV. NIEDERLASSUNGS- UND ASYLPOLITIK
2. Die schweizerische Asylrechtspraxis
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 3, Dok. 407
volume linkBern 1986
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E1004.1#1000/9#7726* | |
Dossiertitel | Beschlussprotokoll(-e) 11.06.1889 (1889–1889) |
dodis.ch/42386
Protokoll der Sitzung des Bundesrates vom 11. Juni 18891
2246. Angelegenheit Wohlgemuth
Herr Bundesrat Droz als Vorsteher des Departements des Auswärtigen gibt Kenntnis von der in Erwiderung auf die herwärtige Note vom 31. Mai2 in Sachen Wohlgemuth vom Fürsten v. Bismark an den deutschen Gesanten gerichteten Depesche vom 6. d. M., welche Herr von Bülow Herrn Droz vorgelesen und von der er ihm Abschrift belassen hat. Die Depesche lautet:
«Aus dem Bericht vom 2. d. M. habe ich mit Bedauern ersehen, dass der Schweizer Bundesrat auf seinem ungerechtfertigten Verhalten beharrt. Wollte ich auf die Note des Herrn Droz vom 31. vor. Mts. näher eingehen, so würde ich nur schon Gesagtes wiederholen. Es wird sich jezt darum handeln, die von uns in Aussicht genommenen Massregeln ins Werk zu sezen.
In der Note des dortigen Herrn Departementschefs finden sich jedoch zwei Punkte, welche der Richtigstellung bedürfen.
Die Auslegung, welche der Schweizer Bundesrat dem Artikel 2 des Niederlassungsvertrages vom 27. April 18763 gibt, steht mit dem klaren Wortlaut des Vertrages in Widerspruch. Nach demselben müssen Deutsche, um in der Schweiz Wohnsiz zu nehmen oder sich dort niederzulassen, unter Anderem mit einem Leumundszeugnis versehen sein. Diese Fassung wäre unverständlich, wenn die Schweizer Behörden nach ihrem Ermessen von diesem Erfordernis absehen können. Die Erfüllung desselben ist ein Recht, auf welches jeder der Vertragsschliessenden Teile bestehen kann. Die k. Regierung hat diesen Standpunkt niemals verlassen. Die von Herrn Droz in Bezug genommene und der diesseitigen Weisung entsprechende Note Ihres Herrn Amtsvorgängers vom 10. Dezember 18804 hat diese Seite des Art. 2 gar nicht berührt. Damals handelte es sich um den Umstand, dass einzelne Kantonalregierungen die Erfüllung der in diesem Artikel aufgestellten Erfordernisse auch von den nur vorübergehend sich in der Schweiz aufhaltenden Deutschen, wie reisenden Handwerksburschen, verlangten. Der Bundesrat hatte in seinem Kreisschreiben vom 13. September 18805 den Kantonen gegenüber die Auffassung vertreten, dass sich Art. 2 des Vertrages auf einen vorübergehenden Aufenthalt nicht beziehe. Die Note vom 10. Dezember 1880 enthielt nur die Anfrage, ob der Schweizer Bundesrat seine Meinung in dieser Hinsicht geändert habe. Der dortige Herr Departementschef der auswärtigen Angelegenheiten berührt zwar die Frage, dass die dienstlichen Papiere des Polizeiinspektors Wohlgemuth demselben eingehalten werden, gibt aber einen Grund für dieses rechtswidrige Verfahren nicht an. Es widerspricht den völkerrechtlichen Gebräuchen und den nachbarlichen Beziehungen, dass ohne Einleitung eines strafrechtlichen Verfahrens und nachdem sich der Inhaber als Beamter legitimirt hatte, dessen Dienstpapiere, welche mit der in Rede stehenden Angelegenheit gar nicht Zusammenhängen, und auf welche ausser dem Beamten dessen vorgesezte Behörde Anspruch hat, der lezteren Vorbehalten werden.
Euer Hochw. geb. ersuche ich ergebendst, vorstehenden Erlass Herrn Droz vorzulesen und auf Wunsch Abschrift zurükzulassen.»
Herr Bundesrat Droz macht auch konfidentielle Mitteilungen über die gegenwärtige politische Situation.