dodis.ch/42345 Der schweizerische Gesandte in Washington, E. Frey, an den Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements, L. Ruchonnet1
Washington, 21. März 1888
Im September v. J. haben Sie mich beauftragt, unter der Hand dahin zu wirken, dass das Staatsdepartement der Ver [einigten Staaten in der Mormonenfrage beim Bundesrath vorstellig werde2, in der Meinung, dass eine solche Reklamation dem Bundesrathe verstärkte Veranlassung geben dürfte, gegen die propagandistischen Wühlereien der Mormonen in der Schweiz vorzugehen.
Ich sprach darüber vor einiger Zeit mit dem ersten Unterstaatssekretär Hrn. Rives.3 Er schien darüber in Zweifel zu sein, ob die Ver [einigten Staaten Regierung konstitutionell in der Lage sei, eine solche Reklamation zu erheben. Die Gesetze der Ver [einigten Staaten, meinte er, verpflichten die Regierung allerdings, dafür zu sorgen, dass einwandernde «paupers», Irrsinnige, Verbrecher und dergl. zurückgewiesen werden; von den Mormonen sei jedoch in diesen Gesetzen nicht die Rede.
Als ich vor einigen Tagen den Gegenstand wieder zur Sprache brachte, bat mich Hr. Rives, heute auf das Staatsdepartement zu kommen. Inzwischen hatte er Kenntniss von einem Circulare erhalten, welches die V [er einigten] Staaten Regierung im Jahre 1879 an ihre Vertreter im Ausland gerichtet hat und in welchem sie dieselben aufforderte, die Regierungen, bei denen sie beglaubigt waren, auf die Werbungen der Mormonen aufmerksam zu machen, mit dem Bemerken, dass man in Washington für ein thatkräftiges Einschreiten gegen die Werber dankbar sein würde.4 Dieser Thatsache gegenüber scheint nunmehr Hr. Rives seine konstitutionellen Bedenken aufgegeben zu haben, denn er versprach mir, es werde das Staatsdepartement Hrn. Winchester Auftrag geben, gestützt auf jenes Circular die Sache beim Bundesrathe wieder anhängig zu machen.