dodis.ch/42240 Der schweizerische Gesandte in
Berlin, A.
Roth, an den Bundespräsidenten und Vorsteher des Politischen Departements,
E. Welti1
Ich beehre mich, Ihnen Ihre Mittheilungen vom 8. d. M.2 betreffend die neuesten Vorfälle auf dem Gebiete der anarchistischen Umtriebe etc. bestens zu verdanken.
Die Presse fährt fort, gemeinsame, internationale Massregeln gegen die anarchistischen und die Dynamit-Verbrechen in Aussicht zu stellen.
Einige Blätter erklären allerdings die diesbezügl. Meldungen als verfrüht und als zu positiv, andere dagegen, wie z.B. die National-Zeitung (vid. beil. Ausschnitt der Nr. 160, vom 13. März 1. J.)3 beharren auf der Richtigkeit gedachter Meldungen.
So viel ich ermitteln konnte, dürfte die Sachlage folgende sein:
Deutscherseits wird zur Zeit die Frage geprüft, ob man pcto. Fabrikation und Handel von Dynamit auf dem Weg der internen Gesetzgebung erhöhte Garantien gegen den Missbrauch desselben schaffen könnte. Das Resultat dieser Vorprüfung wird aber ohne Zweifel dahin lauten, dass ein anderes Mittel als die Verschärfung der bereits bestehenden strafrechtlichen Bestimmungen kaum erreichbar sein wird und dass die Fortschritte, welche die Chemie in neuerer Zeit gemacht hat, jedem Versuche, anderweitige prophylaktische Cautelen ausfindig zu machen, spotten würden.
Was in obigem Sinne bis jetzt geschehen, ist als eine exclusiv interne Massregel aufzufassen. Internationale Besprechungen über diese Détailfrage, sowie auch über das Asylrecht haben bis jetzt nicht stattgefunden und ist auch an massgebender Stelle nichts davon bekannt, dass solche internationale Verhandlungen bereits beabsichtigt wären. Immerhin hält man es, mit Rüksicht auf die allgemeine Situation, eher für wahrscheinlich, dass das am meisten geängstigte Russland gelegentlich wieder eine diesbezügliche Anregung machen werde und legt man Betonung darauf, dass der Fürst Bismark sich einer solchen Anregung gegenüber zweifellos sympathisch verhalten würde, da er heute ebensogut, wie vor 3 Jahren, den Standpunkt vertrete, man sollte den anarchistischen Umtrieben als einem internationalen Übel mit wirksamen internationalen Schutzmassregeln gegenübertreten und u.a. endlich auch ein Mal dem Grundsätze, dass Mord unter allen Umständen Mord sei, internationale Geltung verschaffen.
Ich bin in der Lage, die Quellen, aus welchen ich diese Auskunft erhalten habe, als durchaus zuverlässig zu bezeichnen.