Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
I. KIRCHENPOLITIK
1. Der Kulturkampf
1.4. Die Beilegung des Kulturkampfes
Darin: Der Kardinalstaatssekretär fordert die Wiederherstellung des Bistums Basel und eine Lösung für das Tessin und bietet Verhandlungen an. Annex vom 20.10.1883
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 3, Dok. 251
volume linkBern 1986
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E22#1000/134#1647* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 22(-)1000/134 322 | |
Dossiertitel | Übereinkommen mit dem Heiligen Stuhl betr. die kirchlichen Verhältnisse im Kt. Tessin und im Bistum Basel (1883–1885) | |
Aktenzeichen Archiv | 4.06.3.2 |
dodis.ch/42230
Im Laufe der Verhandlungen, welche zum Zweke der Regelung der kirchlichen Angelegenheiten des Kantons Tessin gepflogen wurden, hat uns der dortherige Statsrat ersucht, unsere Zustimmung zu geben, dass im Tessin provisorisch ein apostolischer Verwalter aufgestellt werde, mit dem Beifügen, dass er geneigt sei, als hiefür geeignete Person den Herrn Eugen Lachat zu bezeichnen.3
Nach stattgefundener Beratung haben wir der Regierung von Tessin erklärt, dass wir unsererseits geneigt seien, soweit an uns, zu einer Verständigung Hand zu bieten, wobei folgende 2 Hauptpunkte im Auge zu behalten wären:
1. Herr Lachat hätte auf Titel und Stellung eines Bischofs von Basel zu verzichten und die Wahl seines Nachfolgers nach einem modus vivendi stattzufinden, der zwischen dem hl. Stuhle, dem Bundesrate und den beteiligten Kantonen zu vereinbaren wäre; oder aber die verschiedenen Beteiligten hätten sich sofort über die Wahl eines neuen Bischofs zu verständigen, wobei übrigens die Rechte der Kantone für die Zukunft gewahrt blieben.
2. Die von Hr. Lachat im Kanton Tessin (: unter dem Titel eines Verwalters (amministratore apostolico) oder unter einer ähnlichen noch zu vereinbarenden Bezeichnung: ) auszuübenden Funktionen wären als blos provisorische zu betrachten und hätten selbstverständlich aufzuhören, sobald man mit Tessin über eine definitive Regelung der dortigen kirchlichen Verhältnisse einig geworden wäre; für den Fall, dass Herr Lachat vor Erzielung dieser Regelung mit Tod abgehen sollte, hätten sich die Beteiligten über neue provisorische Massnahmen zu verständigen.
So ist es gekommen, dass die zum Bistum Basel gehörenden Kantone in eine Verhandlung mit hineingezogen wurden, welche ursprünglich Tessin allein betreffen sollte. Wenn wir Ihnen diese Verumständungen nicht schon früher mitteilen wollten, so geschah dies, weil wir es für notwendig erachteten, uns vorher darüber zu orientiren, welche Aufnahme die tessinischen Vorschläge von Seiten des hl. Stuhles zu gewärtigen hätten und namentlich darüber, ob dieser sich nunmehr dazu verstehen dürfte, Herrn Lachat seines Amtes zu entbinden. Solange man von den Absichten des hl. Stuhles in Bezug auf diesen wichtigen Punkt überhaupt nichts wusste, konnten wir uns durch die Vorschläge der Regierung von Tessin nicht veranlasst finden, diplomatische Verhandlungen zu eröffnen, oder auch nur jene Vorschläge zum Gegenstände einer offiziellen Mitteilung an die zum Bistum Basel gehörigen Kantone zu machen.
Seither ist nun die Regierung von Tessin, welche über die Intentionen des hl. Stuhles Erkundigungen hatte einziehen lassen, im Falle gewesen, uns dieselben zur Kenntnis zu bringen. Eine Note des Kardinal-Statssekretärs Jacobini, von welcher uns eine Abschrift4 vorliegt, besagt: es sei der Hl. Stuhl, von dem Wunsche geleitet, für eine normale Verwaltung des Bistums Basel Vorsorge zu treffen und den von der katholischen Bevölkerung Tessins wiederholt geäusserten Wünschen zu entsprechen, geneigt, auf den obbezeichneten Grundlagen in Unterhandlungen einzutreten. Allerdings fügt die Note einen Vorbehalt bei, welcher dahin lautet: «... vorausgesezt, dass das Domkapitel von Solothurn und das Bistum Basel gemäss den Vorschriften der Bulle Inter praecipua Sr. Heil.Leo’s XII. wiederhergestellt und in den sieben Diözesankantonen die Hindernisse beseitigt werden, welche der freien Ausübung der bischöflichen Funktionen (ministero episcopale) im Sinne der kirchlichen Vorschriften entgegenstehen.»
Wenn wir auch nicht im Falle sind, die Tragweite dieses Vorbehaltes, welcher vorkommenden Falles Gegenstand diplomatischer Verhandlungen sein wird, genau zu bemessen, so wollen wir doch nicht mehr länger anstehen, Ihnen das Vorstehende mitzuteilen.
Sie mögen nun beurteilen, ob es Ihnen genehm ist, dass wir den Vorschlägen von Tessin, soweit die Sache Sie direkt betrifft, Folge geben.
Eine vorläufige Konferenz5 zwischen Abgeordneten der beteiligten Stände und solchen des Bundesrates dürfte den diesfälligen Meinungsaustausch erleichtern und uns in den Stand sezen, eine Einigung darüber zu erzielen, welche Stellung den angedeuteten Vorschlägen gegenüber einzunehmen und welche Schritte zu Erreichung eines abschliesslichen Resultates weiter zu tun seien.
Wenn Sie die Veranstaltung dieser Konferenz wünschen und daran Teil nehmen wollen, so ersuchen wir Sie, uns dies anzuzeigen; wir werden uns dann beeilen, den Tag des Zusammentritts festzusezen und die nötigen Einberufungsschreiben ergehen zu lassen.
- 1
- Die Kantone Bern, Luzern, Zug, Solothurn, Baselland, Aargau, Thurgau.↩
- 2
- E 22/1647.↩
- 3
- Vgl. das Schreiben des Tessiner Staatsrates vom 23.10.1883 (E 22/1647).↩
- 4
- Als Annex abgedruckt.↩
- 5
- Diese fand am 12.3.1884 unter dem Vorsitz Solothurns und in Anwesenheit von Bundesrat Welti in Bern statt (E 22/1647). Vgl. auch den GBer. 1883 (BBl 1884, 2, S. 603–605) und Nr. 263.↩
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