Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 3, doc. 231
volume linkBern 1986
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E19#1000/43#1507* | |
Old classification | CH-BAR E 19(-)1000/43 163 | |
Dossier title | Verhandlungen mit Österreich und Abschluss eines Staatsvertrages am 30.12.1892 (1876–1890) |
dodis.ch/42210 Der schweizerische Gesandte in Wien, J.J. von Tschudi an den Bundespräsidenten und Vorsteher des Politischen Departements, L. Ruchonnet1
Ich beehre mich Ihnen beigeschlossen eine vorgestern erhaltene Note2 des
k. u. k. Ministeriums des Äusseren zu übersenden, in welcher nun dasselbe Mittheilung über den gegenwärtigen Stand der Rhein-Korrektionsfrage als Antwort auf
meine verschiedenen Noten, die ich in dieser Frage in jüngster Zeit an dasselbe
gerichtet habe, macht.
Sie wollen aus dieser Note gefälligst entnehmen:
a) Das Resultat der internen kulturtechnischen Kommission, die im Juni v. Js. die
Korrektionsfrage an Ort und Stelle eingehend geprüft und ihren Bericht in dem beiliegenden Protokolle, aufgenommen zu Feldkirch am 7. Juni 1882, niedergelegt hat. Ich ersuche auf Wunsch des Ministeriums um gefällige Rücksendung dieses Protokolles.3
b) Die Mittheilung der k. u. k. Statthalterei für Tirol dass die Rhein-Korrektionsfrage in der letzten Vorarlberger Landtagssession zur Verhandlung kam, die Majorität des Landtages sich gegen die Durchstichsausleitung in die Hard-Fussacher-Seebucht ausgesprochen, und den Antrag gestellt habe, dass die Rheinausleitung westlich von der Rohrspitz stattfinden und noch verschiedene weitere Erhebungen gepflogen werden.
c) Die Mittheilung dass den Anträgen des Vorarlberger Landtages seitens der k. u. k. Regierung keine Folge gegeben, die Statthalterei für Tirol und Vorarlberg vielmehr beauftragt wurde unverzüglich die Ausarbeitung der nothwendig anerkannten Projektsmodifikationen vornehmen zu lassen und eventuell zum Abschluss des Staatsvertrages mit der Schweiz geschritten werden könne.
Ich erlaube mir hiezu folgende Bemerkungen:
ad a) Ich habe mit Prof. Dr. Pereis wiederholt Rücksprache über das Resultat der Untersuchungen der kulturtechnischen Kommission genommen; er glaubt, dass die im Protokolle niedergelegten Vorschläge wesentlich zum günstigen Erfolge des Unternehmens beitragen werden. Gegen den gleichzeitigen Beginn beider Durchschnitte, glaubt er, sei kaum noch anzukämpfen, da derselbe einerseits durch gegenseitige Vereinbarung schon bestimmt sei, andererseits die Stimmung in Vorarlberg auf das entschiedenste gegen die Aufeinanderfolge der Durchstiche sei. Nach seiner Ansicht wäre es ebenso rationell zuerst den unteren Durchstich zu vollenden, die Wirkung davon abzuwarten, und dann je nach den Bedürfnissen Hand an den oberen zu legen. Wie die Verhältnisse aber gegenwärtig liegen, sei an ein einseitiges Vorgehen durchaus nicht zu denken.
ad b) Die Abweisung des Regierungsvorschlages und die neuen Anträge durch den Vorarlberger Landtage sind weder wissenschaftlich noch technisch begründet und durchaus nicht ernst zu nehmen. Sie sind nur ein Verschleppensmanoever wie von Zeit zu Zeit solche auftauchen. Wenn heute die Regierung die Vorschläge des Landtages annehmen würde und Aussicht vorhanden wäre, dass sie durchdringen würden, so würden die Opponenten der Rheinkorrektion unverzüglich wieder mit neuer und womöglich noch unsinnigerer Proposition hervortreten. Es ist eine politische Opposition quand même.
ad c) Seit Jahr und Tag habe ich sowohl mündlich und schriftlich dahin gearbeitet, dass die Regierung die Opposition des Landtages nicht mehr berücksichtigen, und über den Kopf desselben hinweg den Staatsvertrag mit der Schweiz abschliessen solle, da nur auf diese Weise das gewünschte Ziel erreicht und der unsinnigen Opposition die Spitze gebrochen werden könne. Endlich hat nun die Regierung dieser meiner Ansicht beigepflichetet, indem sie die Statthalterei beauftragte den Anträgen des Landtages keine Folge zu geben. Es ist diess der grösste und geradezu ein entscheidender Fortschritt in der Rhein-Korrektionsfrage. Wenn die Punkte, welche die kulturtechnische Kommission angeführt hat genau untersucht und erwogen sind, so steht nach meiner Ansicht dem Abschlüsse des Staatsvertrages nichts mehr im Wege und mein Nachfolger kann dann die Frucht meiner fünfzehnjährigen Arbeit ernten.