Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
IV. NIEDERLASSUNGS- UND ASYLPOLITIK
3. Massnahmen gegen die Emigrantenpresse
3.1. Die «Avant-garde»
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 3, doc. 148
volume linkBern 1986
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E21#1000/131#13929* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 21(-)1000/131 485 | |
Titolo dossier | Berichte der schweizerischen Gesandtschaft in Berlin über die Sozialistische Bewegung in Deutschland (vereinzelt auch der Gesandtschaften in Rom, Paris und Wien 1878) (1878–1902) | |
Riferimento archivio | 06.2.2.01 |
dodis.ch/42127
Heute, Sonntag, Mittags 1 Uhr, sind alle Chefs de mission des hiessigen diplomatischen Corps von dem Kaiser und der Kaiserin empfangen worden. Die Initiative hiefür hatte der englische Botschafter, Lord Russel, als Doyen, ergriffen. Der Kaiser, welcher sehr wohl aussah, den rechten Arm aber noch in der Binde trug, richtete, gleich beim Eintritt in den Empfangssalon, an die ganze Versammlung einige allgemeine Dankesworte für die Glückwünsche des diplomatischen Corps. Dann machte er die Runde und unterhielt sich der Reihe nach mit Gruppen von je 3 oder 4 Gesandten. Mir und meinen Nebenmännern (den Gesandten von Meklenburg, Hessen-Darmstadt und Bayern) sprach er von der schweren Zeit, welche er durchgemacht, «er habe allerdings körperlich ziemlich viel durchmachen müssen, ungleich grösser seien aber die Leiden gewesen, welche seine Gefühle getroffen haben» (sic). Dann fügte er scherzend bei: «Der Mann hats übrigens recht gut mit mir gemeint, ich hatte über 80 Schrotkörner in meinem Mantel, wovon mich allerdings etwa 40 verwundeten.»
Mit dem spanischen Gesandten unterhielt er sich sehr lange über die gleiche Angelegenheit; letzterer äusserte, die Regierung habe sehr energische Sicherheits-Maassregeln getroffen, worauf ich von Seite des Kaisers die Worte vernahm: «Il faut espérer que les autres Etats imiteront cet exemple; c’est bien triste de voir que ce mouvement est surtout dirigé contre la vie des souverains.»
Betreffend die Einzugsfeierlichkeiten erwähne ich nur die Anrede des Kaisers an die Staatsminister und die Präsidenten der beiden Häuser des Landtags, in welcher es unter Anderem heisst: «Die schmerzlichen Erfahrungen, welche mich persönlich betroffen, haben aber auch wunde Stellen in unseren gesammten gesellschaftlichen Verhältnissen aufgedeckt und erkennen lassen, welche nur von der starken Hand des Gesetzes geheilt werden können, dessen Einwirken neuerdings auf gerufen werden musste...
Ich sage daher allen Dank, welche in der Gesetzgebung zu einer weitern Entwicklung dieser Erkenntniss mitgewirkt haben und kann nur noch den Wunsch aussprechen, dass auch die ausführenden Behörden mit energischer und nach allen Seiten gerechten Handhabung dahin wirken mögen, die Absicht und den Zweck des Gesetzes zu erreichen...»
Der Deputation des Magistrats von Berlin gegenüber, welche gestern Mittag empfangen wurde, äusserte sich der Kaiser u.A. folgendermassen: «...Eine Änderung der Gesetze ist nothwendig geworden, und wie nothwendig diese Änderung für Deutschland und dessen Einzelstaaten war, liegt jetzt wohl Allen klar vor Augen. Aber auch für die ändern Staaten ist dadurch eine Anregung gegeben. Es ist ja doch bewiesen, dass weit verzweigte Verbindungen existiren und zwar mit dem ausgesprochenen Prinzip, die Häupter der Staaten zu beseitigen.
Die Hauptsache ist aber die Erziehung der Jugend etc....»
Einzelne hiessige Blätter drucken jeweilen mit Wohlgefallen die telegraphisch gemeldeten Hetzereien der spanischen Journale gegen die Schweiz ab, soweit aber meine Wahrnehmungen reichen, ist bis jetzt von Schritten gegen die Schweiz, im Sinne der angeblichen Pourparlers, in den offiziellen Kreisen noch nicht die Rede gewesen. Einen sehr guten Eindruck würde es hier jedenfalls machen, wenn gegen die Leute der «Avantgarde»2, deren öfters erwähnte Artikel aus der letzten Zeit allgemeine Entrüstung hervorgerufen, bald und kräftig eingeschritten würde. Ein Vorgehen nach dieser Seite aus eigener Initiative dürfte ohne Zweifel allfällige andere Reklamationen von uns abwenden.
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Attività politiche delle persone straniere