dodis.ch/42123 Der schweizerische Gesandte in
Berlin,
A. Roth, an den Bundespräsidenten und Vorsteher des Politischen Departements,
K. Schenk1
Confidentiel Berlin, 3. Dezember 1878
Bis zur Stunde konnte ich über die angeblichen pourparlers zwischen einzelnen Regierungen betreffend Collektiv-Schritte bei dem schweizerischen Bundesrathe und etwa auch bei der belgischen Staatsregierung behufs Überwachung etc. der Sozialdemokraten nur Folgendes in Erfahrung bringen:
Es ist Thatsache, dass die Spanische Regierung gewaltig schüret und speziell bei der Reichsregierung bezügliche Schritte gethan hat. Die hiessige spanische Legation stellt dies zwar in Abrede, wie mein Gewährsmann behauptet, – ich habe natürlich dort nicht angeklopft – allein die Richtigkeit dieser Auskunft ist von sehr kompetenter Seite her bestens verbürgt. Bis gestern Abend wenigstens hat aber weder die Reichsregierung, noch das preussische Staatsministerium irgend eine Entscheidung in Sachen gefasst; ein sehr gut unterrichteter Botschafter glaubt aber Indizien dafür zu haben, dass nach der Rückkehr des Kaisers irgend ein Schritt nach der angedeuteten Richtung wahrscheinlich von Sr Majestät selbst provocirt werden dürfte. Auch der Reichskanzler neige nach dieser Seite hin, währenddem umgekehrt der Kronzprinz nichts nach Aussen zu thun wünsche und überhaupt von Anfang an gegen alle Ausnahms-Verfügungen gestimmt gewesen sei. Von Italien glaube man bestimmt zu wissen, dass die Regierung keine internationalen Maassregeln befürworte, sondern die Ansicht vertrete, die Ordnung könne und müsse auf internem Wege und nur auf diesem hergestellt werden. Was Frankreich betrifft, so heisst es auf gewisser Seite, die spanische Regierung und Consorten haben dort nicht auf das gewünschte Entgegenkommen zu hoffen, mir ist es aber sehr fraglich, ob man nicht in Paris, bei dem jetzt notorischen Bestreben Deutschland angenehm zu sein, doch gewisse Conzessionen machen würde, wenn die Reichsregierung sich herbeilassen sollte, die Direktion der von Spanien angeregten Aktion zu übernehmen.
Als ganz sicher ist mir auch gemeldet worden, der Polizeipräsident von Berlin, sowie der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg, haben sich dahin ausgesprochen, die 3 gefährlichsten Punkte für die Agitation der Sozialdemokraten seien zur Zeit Pest, Zürich und Verviers, diese 3 Städte müssen ganz besonders überwacht werden. Sobald ich Weiteres erfahren haben werde, sollen Sie von mir Bericht erhalten.
Betreffend den «kleinen», «trockenen» Belagerungszustand und weitere Ausweisungen erlaube ich mir, mich auf die nebenstehenden Zeitungsausschnitte zu beziehen. Eine Art Abschiedsproklamation der Ausgewiesenen ist sofort mit Beschlag belegt worden, auch sind alle Gesuche um Fristverlängerung ohne Ausnahme abschlägig beschieden worden; man will eben für die Ankunft des Kaisers tabula rasa haben.