Thematische Zuordung Serie 1848–1945:
I. KIRCHENPOLITIK
1. Der Kulturkampf
1.3. Der internationale Kontext
1.3.1. Beeinflussungsversuche der Mächte
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 3, doc. 3
volume linkBern 1986
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#1231* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 517 | |
Dossier title | Wien, Politische Berichte und Briefe, Militär- und Konsularberichte, Band 20 (1873–1875) |
dodis.ch/41982 Der schweizerische Gesandte in Wien, J.J. von Tschudi, an den Bundespräsidenten und Vorsteher des Politischen Departements, P. Cérésole1
Da mir aus einer sicheren Quelle ganz confidentiel mitgetheilt wurde, dass die Berichte der K. u. K. Gesandtschaft in Bern über die Angelegenheiten der Bischöffe eine sehr prononcirte Färbung tragen, so ergriff ich heute die Gelegenheit um den Grafen Andrässy zu ersuchen, diese Vorgänge nicht so aufzufassen, wie sie Baron Ottenfels durch seine ultramontane Brille ansehe, u. stellte ihm dieselben so dar, wie sie mir aus den Berichten unserer grösseren Schweizerblätter bekannt sind. Graf Andrässy bemerkte mir, dass er sich immer bemüht habe, bei den Gesandtschaftsberichten die thatsächlichen Vorgänge von der subjectiven Anschauung des Darstellenden scharf zu trennen; er meinte auch, dass sich Baron Ottenfels doch bemühe die Ereignisse so objectiv, als es ihm möglich sei, zu berichten, dass ihm dagegen die Berichte des Legationsrathes Markwort denn doch schon zu arg geworden seien. Graf Andrässy billigte durchaus das Vorgehen des h. Bundesrathes gegen den Bischoff Mermillod. Selbst der ultramontane bayerische Gesandte am hiesigen Hofe, Graf Bray (bayerischer Minister des Äussern während des deutsch-französischen Krieges) sprach sich vom diplomatisch politischen Standpunkt ganz unverholen für das Vorgehen des h. Bundesrathes in dieser Angelegenheit aus.
In Bezug auf die Anerkennung der spanischen Republik wiederholte mir Andrässy, was ich Ihnen schon in meinem letzten Berichte mittheilte2; er erkennt jedem Lande das volle Recht zu sich eine Regierungsform nach eigenem Gutdünken zu wählen u. desshalb habe er auch die officiellen Beziehungen zur spanischen Republik nicht unterbrechen lassen; die Republik könne er aber nur dann anerkennen, wenn sie eine Constituante erklärt habe; er betrachte die unter der Monarchie gewählten Cortes durchaus nicht berechtigt die Republik als definitive Regierungsform zu proclamiren. Der portugiesische Gesandte hat heute Telegramme erhalten, dass man in Estramadura (einer an Portugal gränzenden spanischen Provinz) mit der Theilung des Grossgrundbesitzes begonnen habe und dass alles dabei ganz friedlich vorgegangen sei!!
Gestern Nachts erhielten sowohl der italienische Gesandte, Graf Robilant, als auch der französische Botschafter Marquis Banneville von ihren Regierungen Telegramme, dass die Laurionfrage definitiv ihren Abschluss gefunden habe.
Graf Robilant fragte mich, ob ich vom hohen Bundesrathe Berichte habe, wie er sich gegenwärtig der Metercommission gegenüber verhalten werde, was ich verneinen musste. Graf Robilant theilte mir dann mit, dass seine Regierung die wissenschaftliche Aufgabe der Metercommission als vollendet betrachte u. durchaus nicht gesonnen sei, sich der neu erwählten praktischen Metercommission zu fügen, in der Italien nicht vertreten sei und die über Ausgaben verfüge (z. B. den Bau eines eigenen Palastes in Paris) die grosse gemeinschaftliche Opfer verlangen. Er vermuthete, dass die Schweiz, die ebenfalls nicht in dieser letzteren Commission vertreten sei, sich ebenso wenig wie Italien u. noch der eine oder andere Staat, den Massnahmen dieser Commission fügen, sie überhaupt anerkennen werde.
Da ich von den Schritten des h. Bundesrathes in dieser Angelegenheit durchaus nicht informirt bin3, so beschränke ich mich lediglich darauf Ihnen diese Äusserungen des italienischen Gesandten zur Kenntniss zu bringen.
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