Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.1 ALLEMAGNE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 415
volume linkBern 1985
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#48* | |
Old classification | CH-BAR E 2(-)1000/44 2 | |
Dossier title | Don Carlos, Herzog von Madrid, Kronprätendent und Gefolge (1872–1886) | |
File reference archive | B.121.21.20 |
dodis.ch/41948
Ihr confidentielles Circular No 22, für das ich verbindlich danke, enthält die Andeutung, dass dem Herzog von Madrid nach dem Missbrauch, den er vom Asylrecht in der Schweiz gemacht, die Wiederkehr in unser Land möglicherweise versagt werden dürfte. Nach den Eindrüken, die ich von verschiedener Seite hinsichtlich der bezüglichen Stimmungen empfangen, muss ich eine früher wiederholt ausgesprochene Meinung3 neuerdings bestätigen, dass die Ansammlung conspirirender fremder Elemente in Genf (heissen solche Ultramontane, Legitimisten oder Communisten) uns über kurz oder lang Schwierigkeiten zu bereiten geeignet sey.
Ich glaube auch, nach empfangenen Andeutungen versichern zu dürfen, dass ein leitender Staatsmann hier durch die Haltung der Correspondance de Genève u. deren Beziehungen zu Bischoff Mermillod empfindlich berührt zu werden scheint. Es wird Ihnen bei Lesung der Norddeutschen Allgemeinen nicht entgangen sein, dass seit einiger Zeit Entrefilets ministeriellen Ursprungs (aus dem ministeriellen Pressebüreau stammend) gegen Genf erscheinen, zu welchen ich eines hier zur Erinnerung beilege4. Wenn man sich erinnert, welchen Gebrauch der leitende Staatsmann von der Presse macht, so wird man kaum fehl gehen, anzunehmen, dass man sich betreffenden Ortes mit Genf beschäftige. In welcher Weise das Russische Cabinet hinsichtlich Genfs disponirt ist, kann nach den Mittheilungen, die Sie mir früher schon zugehen Hessen, kaum zweifelhaft sein.
Die Zeitungsgerüchte einer internationalen Conferenz, die sociale Frage betreffend, sind nach Mittheilungen, die mir gestern Herr v. Thile gemacht, insoweit begründet, als wirklich zwischen Östreich-Ungarn und dem deutschen Reich die Abhaltung einer Conferenz verabredet ist. Diesselbe soll diesen Sommer (?) noch in Berlin stattfinden u. sollen dann die auf derselben gewonnenen Resultate denjenigen Regierungen, die sich für die Sache interessiren, «zur Vernehmlassung mitgetheilt werden». Da nun, wie bekannt, schon mehrere Staaten, wie z.B. Russland, Spanien, Dänemark, Frankreich etc. sich dem Gedanken gemeinsamer Massregeln günstig gezeigt, so würde eine europäische Conferenz, sobald nur einmal die Deutsch-Österreichische Separatconferenz die Basis zu gemeinsamen Vorschlägen geliefert haben wird, allerdings in Aussicht genommen werden können. Es wird diese Frage für uns um so mehr von Interesse sein, als verschiedene Staaten ihre Gesinnungen mit Rüksicht auf die Ausübung des Schweizerischen Asylrechts überhaupt, oder in einzelnen Kantonen insbesondere schon markirt haben. Die immer wieder auftretenden Arbeiterstrikes, die Verurtheilung v. Bebel und Liebknecht, die massenhaften Auswanderungen der Agrarbevölkerungen in den preussischen Ostprovinzen, die litterarischen Arbeiten des s. g. Kathedersozialismus u. die vermuthete Convergenz der sozialistischen u. kirchlichen Partheytendenzen, haben hier die Aufmerksamkeit für die socialen Fragen sehr geschärft.
Mit den Vorarbeiten zu den Unterhandlungen über den Auslieferungsvertrag ist vom Reichskanzleramt Herr Geheimrath Koenig betraut worden. Ich werde nächstens von demselben hierauf bezügliche Bemerkungen zur Mittheilung nach Bern erhalten. Ich glaube, Ihren Intentionen gemäss zu handeln, wenn ich in dieser Angelegenheit absolut nicht dränge, um so mehr, als auch deutscherseits ein besonderer Eifer, die Sache vorwärts zu bringen, nicht bekundet wird. Ich vermuthe, dass sich Deutschland auch hinsichtlich des NiederlassungsVertrages Zeit lassen werde, was vielleicht mit der Optionsfragen in Elsass-Lothringen einen gewissen Zusammenhang hat.
Ich bekomme seit einiger Zeit Anfragen aus diesem Reichsland von solchen, die in Folge der Annexion das Schweizerische Bürgerrecht sich erworben haben, oder erwerben wollen, u. es liegt in der Natur der Dinge, dass sich Erscheinungen, wie sie bei der Einverleibung Frankfurts vorkamen, hier wiederholen werden. Ich werde nächster Tage mit Staatsminister Delbrük über solche u. andere schwebende Angelegenheiten mich unterhalten u. verschiebe meinen Bericht auf später.
Die Verhältnisse zu Frankreich betreffend sind neue Thatsachen nicht zu melden. Noch gestern theilte mir Herr v.Thile mit, dass alle Gerüchte, die von einer demnächstigen Vereinbarung über beschleunigte Zahlung und Gebietsräumung sprechen, unbegründet seien. Frankreich habe allerdings Eröffnungen gemacht, bisher jedoch keine solchen, die von der kaiserlichen Regierung als annehmbar erachtet werden. Es sey deutscher Seits überhaupt in dieser Beziehung noch keine Erklärung abgegeben worden.
- 1
- E 2/48. Schweiz. Asylrecht.↩
- 2
- Cf. rf 413.↩
- 3
- Cf. no 397.↩
- 4
- «In der Spener’schen Zeitung lesen wir: « Genf erscheint mehr und mehr als der Mittelpunkt mannigfaltiger Bewegungen. Die « Germania» pflegt zwar einen besonderen Ton darauf zu legen, dass in Genf «keine Jesuiten» sind und waren. Das Dasein der Correspondance de Genèveist indessen noch nicht bestritten worden; der Jesuitismus nistet also jedenfalls in Genf. Dorthin verzweigen sich auch die Beziehungen der anderen Internationalen. Jetzt erweist sich, dass der Aufstand in Spanien das Genfer Ursprungs-Zertifikat an sich trägt. Genfer Telegramme melden nach Spanien, wann und wo in Spanien der Prätendent sich vor 24 Stunden befand. Die Art und Weise, wie Don Carlos sein Pronunciamento von Genf aus erlassen, giebt Anlass zu reiflichem Nachdenken.»↩
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