Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 309
volume linkBern 1985
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#1641* | |
Old classification | CH-BAR E 2(-)1000/44 269 | |
Dossier title | Frage der Besetzung von Chablais und Faucigny und Übergabe dieser Provinzen an die Schweiz während des deutsch-französischen Krieges von 1870-1871 (1870–1873) | |
File reference archive | B.137.1 |
dodis.ch/41842
Ihrer Weisung, Sie über hierseitige Anschauungen der Savoy erfrage betreffend im Laufenden zu erhalten, nachkommend, beehre ich mich (unter allem Vorbehalt) Ihnen mitzutheilen, was ich von den in Versailles herrschenden Ansichten in Erfahrung gebracht.
Mein Gewährsmann kam direkt von Versailles, und hat die Savoyerfrage betreffend mit den massgebendsten Persönlichkeiten daselbst persönlich gesprochen. Als Resultat seiner Unterredung bezeichnete er mir Folgendes:
Im allgemeinen treffe man in Versailles nicht auf vollständige historische Kenntniss und auch nur auf ein sekundäres Interesse hinsichtlich der Savoyerfrage.
An massgebender Stelle sey allerdings eine günstige Stimmung für die schweizerischen Ansprüche vorhanden. Diesselbe werde aber wieder aufgewogen durch die Befürchtung, es möchte die Geltendmachung fraglicher, vorwiegend schweizerischer Interessen bei einem allfälligen Friedensschluss der Erreichung exclusiv deutscher Interessen Abbruch thun, – um so mehr, als die in deutschem Interesse an Frankreich zu stellenden Ansprüche diesem Lande schon sehr schwere Opfer zumuthen.
Auch scheue man sich, an Fragen zu rühren, welche die Einmischung Europa’s veranlassen könnten; jedenfalls könnte u. würde Preussen die bewusste Frage nur in Folge Anregung Seitens der Schweiz in Behandlung ziehen.
Zum bessern Verständniss muss ich beifügen dass, aus anderweitigen Mittheilungen zu schliessen, angenommen werden darf, es sey in Versailles auch schon die Frage in Betracht gezogen worden, ob nicht auch die Abtretung Savoyens an Preussen, resp. das deutsche Reich – ähnlich wie diejenige Venetiens an Napoleon – zu erzielen sey.
Was die Stimmung an massgebender Stelle in Berlin hinsichtlich einer möglichen Besetzung Savoyens Seitens der Schweiz in Folge des Wiener u. Pariser Vertrages betrifft, so kann ich aus neuerlichen Wahrnehmungen nur bestätigen, dass eine solche Besetzung hier gebilligt würde.
Aus verschiedenen Unterhaltungen konnte ich hier entnehmen, dass man eine faktische Geltendmachung des Besetzungsrechtes als die sicherste Grundlage für eine definitive Lösung der Savoyerfrage ansehe.
Zur Verhütung von Missverständnissen füge ich bei, dass alle hierüber gepflogenen Unterhaltungen vollständige Privatgespräche waren; wogegen ich es für unsern Interessen förderlicher gehalten hätte, wenn sich der hohe Bundesrath seiner Zeit hätte entschliessen könne, die vor 10 Jahren sistirte diplomatische Behandlung der Sache wieder aufzunehmen.
- 1
- E 2/1641.↩
Tags
Neutrality of Savoy (1870–1871)