Classement thématique série 1848–1945:
II. AFFAIRES ECCLÉSIASTIQUES
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 306
volume linkBern 1985
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#914* | |
Dossier title | Besetzung und Annexion des Kirchenstaates durch Italien (1870–1871) | |
File reference archive | B.122.11.09 |
dodis.ch/41839
Die gegenwärtigen Zustände des Kirchenstaates und die Lage des Heiligen Vaters ziehen die Aufmerksamkeit der katholischen Welt in hohem Grade auf sich, was auch bei hiesiger Bevölkerung der Fall ist.
Der unterm 24. d. M. versammelte Landrath hat sich daher ebenfalls mit dieser Angelegenheit befasst, und findet durch die gewaltsame Besitzergreiffung Roms durch König Viktor Emanuel die Interessen der katholischen Christenheit in hohem Grade verletzt und vermag dieselbe auch in keiner Weise mit den Begriffen des Völkerrechts in Einklang zu bringen.
Es ist nicht nur der Hl. Vater durch die rohe Gewalt als rechtmässiger Souvrain aus seinen vielfach verbrieften und unbestreitbaren Rechten auf frevelhafte Weise verdrängt, sondern die gesammte katholische Christenheit, welche ein Anrecht auf den ungestörten Besitz des Patrimoniums Petri durch den Hl. Stuhl hat, in ihren Rechten gekränkt. Das unter der Waffengewalt des Eroberers bewerkstelligte Plebiscit, dessen Berechtigung wir unter den dort bestehenden Verhältnissen weder anerkennen können, noch dessen innere Wahrheit zu glauben vermögen, vermag dem Gewaltakte mit Nichten das Gepräge des Rechtes aufzudrücken.
Die Lage des Hl. Vaters gleicht infolge der jüngsten beklagenswerthen Vorgänge, laut seiner eigenen Erklärung an die Kardinäle der römisch-katholischen Kirche vom 29. September vollständig derjenigen eines Gefangenen, und ist derselbe derjenigen Freiheiten und Rechte in mehr als einer Beziehung beraubt, welche er zur Ausübung seines Oberhirtenamtes bedarf und zu besitzen das unantastbare Recht hat.
Mit Rücksicht auf unsere durch den Bund garantirte Verfassung, welche in § 3 sagt: «Die Religion des Kantons Ury ist die christlich-römisch-katholische», kann dieser Sachverhalt den Behörden dieses Kantons nicht gleichgültig sein, sondern sie erblicken darin eine Beeinträchtigung der Rechte u. Interessen des katholischen Volkes, welches einen unbestreitbaren Anspruch auf den freien Verkehr mit seinem geistlichen Oberhirten, dem Hl. Vater, besitzt und dies als ein ihm verfassungsmässig garantirtes Recht fordern kann. Auch abgesehen hiervon erblickte unser Landrath in der gewaltsamen Besitzergreifung Roms und der Anexion desselben und deren Consequenzen eine grosse Gefahr für die Integrität und Freiheit der Eidgenossenschaft.
Es ist nicht nöthig, Ihnen weiter auseinander zu setzen, wohin es führen muss, wenn die Mächtigem mit Missachtung jeden Rechtes auf Grund des sogenannten Nationalitätsprinzips, oder wohl auch aus einer Convenienz sich der schwächern Nachbaren bemächtigen können. Eine anlässlich in Scene gesetzte Volksabstimmung bietet dann weder Gewähr noch Trost für das niedergetrettene Recht.
Von diesen Erwägungen ausgehend stellen wir im Aufträge des hohen Landrathes an Sie Titl. das Ansuchen, auf den Fall der hohe Bundesrath zu allfälligen Verhandlungen über die Sicherstellung der Freiheiten und Rechte des Heiligen Stuhls als Vertretter der schweizerischen Katholiken beigezogen wird, nach Kräften dahin wirken zu wollen, dass der Hl. Stuhl in den Besitz der Kirchenstaaten, auf welche mit ihm die ganze katholische Welt ein unveräusserliches Recht hat, wieder eingesetzt werde.2