Mein heutiges Telegramm2 brachte Ihnen die Nachricht eines bedeutsamen Schrittes, den die Gotthardangelegenheit in der Richtung nach ihrem Ziel gethan. Der vom Bundesrath angenommene und heute beim Reichstag einzubringende Gesetzesvorschlag lautet, wie Sie aus der Anlage (Kommissionalantrag) ersehen wollen, und lässt die Frage des eventuellen Zuschusses der Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft im günstigen Sinne wenigstens als eine offene bestehen, so dass es wohl besser wäre, wenn die Berathung der Frage durch kein Amendement im gestern angedeuteten Sinne durchkreuzt würde.
Die Beschlussfassung des Bundesrathes sollte, wie Ihnen meine gestrige Depesche3 richtig meldete, erst heute Morgen stattfinden, fand aber auf das besondere Verlangen d.H. Delbrük noch gestern Abends nach 11 Uhr statt. Die Gefahr, dass der Reichstag zur Gotthardfrage Beschlussunfähigkeit erlangen sollte, hat sich, seitdem heute die Verschiebung der Discussion über die Todesstrafe auf nächsten Montag verschoben worden und noch einige Aussicht auf eine Verständigung des Reichstages mit dem Bundesrath sich erhält, um etwas gemindert, aber noch keineswegs ganz gehoben.
Kommt ein Compromis in der Frage der Todesstrafe zu Stande, so würde die Gotthardfrage, wie ich soeben vernehme, nächsten Dienstag zur Verhandlung kommen.
Aus Württemberg will ich vorläufig melden, dass dort nicht ohne Erfolg ein Schweizerischer Staatsmann für den Splügen wirkt, während ich anderseits auch hörte, dass beim Ministerium Geneigtheit für eine Gotthardsubvention vorhanden sei? Eine bestimmte Richtung wird in der Württembergischen Eisenbahnpolitik wohl erst nach dem Entscheid in Berlin genommen werden. Jedenfalls bitte ich, meine schon früher ausgesprochene Ansicht, dass dort ein Spezialdelegirter des Schweiz. Bundesrathes nützlich wäre, in geneigten Betracht zu ziehen, indem es mir, wegen der mir verordneten Badekuren, kaum möglich sein wird, dort mehr als einen kurzen Besuch zu machen.
Meine Genesung schreitet stufenweise, aber doch langsamer, als ich mir dachte, vor, und werde ich nächstens ein Urlaubsgesuch einreichen, um mir verordnete Badekuren in Vichy und St. Moriz zu machen.