Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.1 ALLEMAGNE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 107
volume linkBern 1985
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2300#1000/716#84* | |
Old classification | CH-BAR E 2300(-)1000/716 46 | |
Dossier title | Berlin, Politische Berichte und Briefe, Militärberichte, Band 1 (1867–1873) |
dodis.ch/41640
Indem ich mich auf meine kurze Depesche Nr. 10 (v. München 11. July)2, beziehe, habe ich die Ehre, Ihnen zu melden, dass ich bis zum Ende der vorigen Woche in München blieb, um meine offiziellen & durch die Schikklichkeit gebotenen Besuche (bei dem Prinzen Otto, als dem einzigen anwesenden Mitglied des kgl. Hauses, sowie bei den Ministern & Gesandten) abzustatten od. wenigstens den Versuch dazu zu machen; denn wie Berlin, ist auch München um diese Zeit des Jahres beinahe verlassen & wer irgend kann, hat sich bereits in eine Sommerfrische oder ins Bad zurükkgezogen. Am Montag reiste ich ab & zwar, da ich den König von Württemberg noch für einige Tage abwesend wusste, nach Carlsruhe; zwar war ich auch von dorther durch den Minister v. Freydorff in Kenntniss gesetzt worden, dass ich den Grossherzog (der nach St. Moritz gegangen ist) nicht treffen würde; allein ich hielt es für schikklich, wenigstens die Minister in Carlsruhe zu begrüssen, da die besonders freundschaftlichen Verhältnisse der Schweiz zu Baden eine solche Aufmerksamkeit wohl rechtfertigen. Ich wurde denn auch ungemein herzlich empfangen & ich konnte wohl sehen, dass mein Erscheinen, trotz der Abwesenheit des Fürsten, sehr angenehm berührte. Hr. von Freydorff theilte mir mit, dass vor etwa 8 Tagen in Form eines Protokolls die Abolition des bekannten Militär-Artikels in dem Vertrage zwischen Baden & der Schweiz über die Basel–Constanzer Linie vereinbart worden sei, & wunderte sich sehr, als ich ihm erklären musste, dass ich, obgleich als Gesandter in Deutschland accreditirt, hievon nicht einmal in Kenntniss gesetzt sei; ich belehrte ihn aber, dass eben die Schweiz in jeder Richtung ein durchaus eigenartiges Land sei. Mit dem gegenwärtigen Präsidenten des Ministerrathes, Mathy, habe ich eine lange & sehr interessante Unterredung. Er bekennt sich ganz offen zu der Ansicht, dass die Zeit der kleinen Monarchien vorüber sei u. dass es für die Fürsten dieser Staaten das Beste sein werde, mit Gelegenheit sich zurükkzuziehen u. ein schönes Privatleben als grosse Gutsbesitzer, vielleicht als deutsche Peers zu führen. Der Grossherzog sei durch die Ereignisse des letzten Jahres sehr erschüttert worden & habe die Lust am selbstthätigen Eingreifen in die Staatsgeschäfte verloren; er lasse jetzt so ziemlich die Minister machen. Merkwürdig war nur, dass Mathy ein Fürsprecher der Tabak- Regie ist u. sich, trotz aller Einwendungen der Theorie, zu der Meinung bekennt, wenn man Geld brauche, so sei der Tabak das beste Mittel, um es zu schaffen; besteure man Salz, Bier & Mehl, so sei kein Grund vorhanden, den Tabak nicht auch mitzunehmen. Aber wenn man das wolle, so sei das einzig rationelle & durchgreifende Verfahren die Einführung der Regie: jedes andere bringe schwierige Complicationen in der Erhebungsart u. werde wenig Geld herbeischaffen, während das Geschrei dasselbe sein würde, wie bei einer ganzen Massregel. Bei der Regie würde man, mit Hülfe der guten, intelligenten & ehrlichen Administration, die im ausseröstreichischen Deutschland herrsche, mit Leichtigkeit 1 G. pro Kopf herausschlagen; das wäre dann eine gewaltige Finanzquelle, die nachher kein Staat mehr entbehren könne, & so wäre ein neues, unzerreissbares Band, neben dem Zollverein, geschaffen, das ein Auseinanderfallen des neuen deutschen Bundesstaates unmöglich machte. Die Tabaksbauern würden sich gut dabei befinden, weil sie anstatt der Händler, welche sie jetzt ausbeuten, nur mit dem reellsten Käufer, mit dem Staate, zu schaffen hätten. Die Fabrikanten müsste man natürlich entschädigen; das würde voraussichtlich nur durch Contrahirung einer Bundesschuld möglich & auch diese würde wieder ein politisches Band darstellen. Es ist das nun freilich eine Anschauungsweise, die manche Einwendungen zulässt; aber originell ist sie immerhin; Mathy hat auch in Berlin (wo er jüngst zu den Conferenzen in Zollsachen war) den Eindrukk erhalten, dass eigentlich alle Regierungen die Regie gerne hätten, aber sie wagen nicht recht, damit hervorzutreten. Was die allgemeinen politischen Verhältnisse Deutschlands anbelangt, so ist die gegenwärtige Regierung Badens zu jedem Opfer an die Gemeinsamkeit bereit & eigentlich ungeduldig, so bald möglich in ein engeres Verhältniss zum Nordbunde zu gelangen. Mathy bestätigt aber, was ich Ihnen schon früher aus anderer Quelle gemeldet, dass Preussen gar nicht drängt, sondern im Gegentheil zurükhält. In Betreff Württembergs bemerkte er spöttisch, man habe den König in Paris sehr schön «enguirlandirt» & er zweifle gar nicht daran, dass die Zeitungs-Notiz wahr sei, wonach derselbe gesagt haben soll, die Zoll-Einigung sei die lezte Concession, die er den Preussen gemacht habe. «Als ob das eine Concession an Preussen wäre, was alle Einsichtigen, die den Zollverein entwikkelungs- u. lebensfähig sehen wollen, seit mehr als einem Jahrzehnd für unerlässlich gehalten u. erstrebt haben!» Varnbüler werde dem König den Kopf aber schon wieder zurechtsetzen; er habe einen unbedingten Einfluss auf ihn & wandle jetzt ganz energisch in den neuen Bahnen, wozu wohl beitragen möge, dass er eine gewisse junkerhafte Wahlverwandtschaft mit Gf. Bismarck in sich verspüre. Mathy kam auch auf die thurgauische Seethalbahn zu sprechen, deren Geschichte er in alles Detail hinein kennt, da die Sache in sein Ressort gehört. Er sagte: die Schweiz müsse sich keine Hoffnung darauf machen, dass Baden in Betreff des Anschlusses einer Stein-Singener Bahn sich zu bestimmten Vertragsverpflichtungen herbeiliesse; man habe sich zu einer Subvention der Strekke Constanz–Romanshorn entschlossen, lediglich der Stadt Constanz zu liebe, aber im vollen Bewusstsein, dabei ein schlechtes Geschäft zu machen & reelle Opfer zu bringen. Der Anschluss in Singen für eine Bahn nach Stein habe gegenwärtig gar keine actuelle Bedeutung; kein Mensch bewerbe sich um diese Bahn & es sei sehr unwahrscheinlich, dass jemals die Concession werde verlangt werden; über blosse künftige Möglichkeiten schliessen aber die Staaten keine Verträge, sondern über vorliegende Verhältnisse; komme einmal eine Gesellschaft & wolle v. Singen nach Stein bauen, so werde man mit ihr reden & ich glaube sogar, man werde leicht mit ihr einig werden. Jetzt aber sei die Zeit nicht dazu vorhanden & Baden habe überhaupt in der ganzen Angelegenheit nicht mit der Schweiz als Staat, sondern lediglich mit dem Seethalbahn-Comité zu thun. Es machte mir den Eindrukk, dass diese Auffassungsweise, mag sie nun ganz begründet sein oder nicht, bei der badischen Regierung durchaus feststeht; beharrt man also schweizerischer Seits auf der Ansicht, die dem neulichen Ständerathsbeschluss3 zu Grunde zu liegen scheint, dass nämlich die Concession für Constanz–Romanshorn nur zu ertheilen sei, wenn die Möglichkeit einer Abzweigung Singen–Stein vorher vertragsmässig gesichert sei, so wird der Schluss-Effekt der sein, dass die Seethalbahn überhaupt nicht zu Stande kommt & man wird dann eine sofort mögliche Realität einer höchst unwahrscheinlichen, zukünftigen Möglichkeit zum Opfer gebracht haben. Hoffentlich wird indessen die Angelegenheit durch directe Verständigung zwischen Thurgau und NOB eine anderweitige Regelung finden. Auch die Alpenbahn wurde in unserem Gespräche berührt. Mathy sagte mir, es werde zur Stunde für den Lukmanier wieder eifrig gearbeitet, allein die Sache werde wohl in der nächsten Zukunft keine Siebenmeilenstiefel-Schritte machen; Italien sei von internen Fragen zu sehr in Anspruch genommen & finanziell zerrüttet; auch habe seine Stellung durch die Erwerbung von Venetien sich erheblich verändert, für seine Verkehrs-Interessen sei durch Mont-Cenis u. Brenner eigentlich ausreichend gesorgt & es bleibe für die dritte Linie (durch die Schweiz) nur noch ein politisches Interesse: Italien habe zwei böse Nachbarn – Oesterreich u. Frankreich – u. mit diesen sei es durch Brenner & Mont-Cenis verbunden, mit den einzigen guten – Schweiz & Deutschland – würde es dagegen durch die Schweiz. Alpenbahn in Verbindung treten.
Eingehend wurde dann noch eine Materie besprochen, über die ich nun besonders eintreten muss, weil ich nicht blos die Ansicht Mathys, sondern die ganze Lage der Sache dar legen möchte: es sind dies die Verhältnisse des deutschösterreichischen Postvereins. Durch die Centralisation des Postwesens in Norddeutschland, wie sie durch die neue Bundesverfassung eingeleitet u. durch die Übernahme der Thurn- & Thaxischen Post Seitens Preussens seit 1. July bereits zur Thatsache geworden ist, haben sich die faktischen Grundlagen des genannten Vereins allerdings erheblich verändert & es ist daher ganz begreiflich, dass Preussen die Initiative ergriff, um den Vereins-Vertrag, diesen neuen Verhältnissen gemäss, umzugestalten. Bekanntlich wurden zu diesem Behufe auf den 8. July Conferenz-Abgeordnete aus allen Vereinsstaaten nach Berlin eingeladen; dann aber der Termin nach Bayerns & Oesterreichs Wunsche auf Anfang August hinausgerükkt. Was soll nun das Ergebniss der bevorstehenden Conferenzen sein & namentlich: auf was geht dabei Preussen aus? Es sind offenbar in Hauptsache zwei Möglichkeiten gegeben, entweder man behält im Wesen den bisherigen Zustand bei & bringt im Vertrage nur diejenigen, an sich wenig bedeutenden Modificationen an, welche durch die neue Lage der Dinge erfordert werden; oder aber: man lässt den bisherigen Vertrag fallen & bildet, unter selbstverständlichem Ausschluss Oesterreichs, einen deutschen Postbund mit preussischer Suprematie & gemeinschaftlicher Kasse, ähnlich wie der neue (reconstruirte) Zollverein. In Berlin, wo ich mich mehrmals zu orientiren suchte, versicherte man mich, Preussens Absicht sei, nur den bisherigen Verein «etwas besser zu gestalten», aber ohne ihn dem Wesen nach «razugestalten; doch waren einzelne Äusserungen, die gemacht wurden, doch geeignet, den Eindrukk zu machen, dass man sich vorstelle, die Sache werde darauf hinauslaufen, dass schliesslich Preussen, als einzige repräsentirende Macht des Postbundes, mit dem Ausland nach allen Seiten hin zu verhandeln hätte, während im jetzigen Verein alle Verträge mit dem Ausland nur von den limitrophen Vereinsstaaten zu Händen des gesammten Vereins, abgeschlossen werden. Ich verliess also Berlin, ohne über die wirklichen Intentionen der preuss. Regierung ins Klare gekommen zu sein. So unangenehm mir dies war, weil ich wusste, dass unser Tit. Postdepartement in Sachen orientirt zu sein wünschte, so tröste ich mich nun mehr doch damit, dass die süddeutschen Regierungen, die doch directer interessirt & auch weit eher in der Lage sind, als ich, in Berlin geradezu bestimmte Anfragen zu stellen, die zudem in wenigen Tagen die Berliner Conferenzen beschikken sollen – gerade so viel, d. h. gerade so wenig wissen & gerade so sehr auf Muthmassungen angewiesen sind, als ich. In München, wo ich den Gegenstand einlässlich mit dem Generaldirector der bayer. Verkehrs-Anstalten Hrn. v. Brück besprach, war man der Ansicht, man gehe in Berlin allerdings auf einen Postbund mit preussischer Spizze u. centralisirter Postkasse («deren Schlüssel natürlich die Preussen in den Taschen hätten») aus & man werde wohl auch dieses Ziel, wenn man es ernstlich verfolge, erreichen: Dank der Unentschlossenheit, Muthlosigkeit u. Zwiespältigkeit der Süddeutschen, denen man nicht verfehlen werde, auch materiell bange zu machen. Hr. v. Brück verhehlte seinen Unmuth darüber nicht, gedachte mit Schmerz der schönen Zeiten vor 1851, wo die Mittelstaaten Alles, was sie wollten, erreichten, indem sie den Preussen sagten, wenn sie nicht zustimmen, so werde man mit Österreich allein abschliessen, & hinwieder die Österreicher mit dem Schrekkbild einer einseitigen Post-Allianz mit Preussen in die Enge treiben, & legte über seine Unzufriedenheit mit der schlappen Nachgiebigkeit seiner gegenwärtigen Regierung nur einen sehr durchsichtigen Schleier. In Carlsruhe klang es nun ganz entgegengesetzt: Mathy sagte, das einzig Vernünftige, was der Idee des Bundesstaates entspräche, wäre ein Postbund mit preussischer Spitze, ganz wie der Zollverein eingerichtet, mit Gesetzgebung durch den erweiterten Reichstag; Baden sei jeden Augenblikk bereit, sein ganzes Postwesen vorbehaltlos in diese Gemeinschaft einzuwerfen, aber in Berlin, wo er genau nachgeforscht, wisse man gar nicht, was man wolle; die Frage sei noch gar nicht von staatsmännischen Augen angesehen worden: wollte sich Bismarck eine einzige Stunde damit beschäftigen, so würde er sofort sehen, was Noth thue; so aber sei die Sache bis jetzt blos in den Händen der Fachleute geblieben & diese vergelten, wie gewohnt, am Detail herum, ohne die grossen & dominirenden Gesichtspunkte zu würdigen. Die Conferenzen auf den 8. July seien durchaus ohne festes Programm einberufen worden; man habe gehofft, die Ändern werden ein solches bringen u. dgl. m. In Stuttgart endlich, wo ich gestern mit Hrn. v. Varnbüler redete, lautete es wieder völlig anders, nicht wie in München, aber auch gar nicht wie in Carlsruhe: der Minister, der neben dem Auswärtigen auch die Verkehrs-Anstalten unter sich hat & mit besonderer Vorliebe dirigirt, erklärte, dass er zwar ganz Genaues & Positives nicht wisse, dass er zwar glaube, es gebe in Berlin postalische Autoritäten, welche auf einen straffen organisirten Postbund, mit Ausschluss Österreichs, drängen. Dass dagegen in den höhern politischen Kreisen diese Tendenz gar nicht getheilt werde; dass aber, mögen die Absichten & Wünsche Preussens sein, welche sie wollen, Württemberg durchaus seine Posten nicht abtreten & in dieser Frage ebenso bestimmte Front gegen Preussen machen würde, wie es in der Zollsache («deren Regelung durchaus mein Werk ist», fügte er bei!) zu Preussen gestanden ist. Nicht ohne Interesse war es mir, von Hrn. v. Varnbüler zu vernehmen, dass die Franzosen sich ungemein um diese postalische Angelegenheit bekümmern: «wo mich Einer auf der Strasse erwischt, frägt er gleich: eh bien, où en êtes-vous avec vos conférences postales? comment cela finira-t-il etc.?» Es scheint, dass Frankreich also eben auch den preussisch-deutschen Postbund als neues Machtelement Preussens u. neuen Schritt zur Herstellung des eigentlichen deutschen Bundesstaates besorglich voraussieht. Ich gebe Ihnen diese verworrenen & verwirrenden Aussprüche der verschiedenen Leute, mit denen ich gesprochen, einfach als Materialien, Ihnen überlassend, die richtige Conclusion daraus zu ziehen. Mir persönlich scheint, dass Preussen allerdings den Wunsch nach einem engern Postbund mit Zollvereins-ähnlicher Organisation hegt, ja – sage ich – hegen muss, & dass, wenn es diesen Wunsch in einen positiven Plan mit fester Absicht, das Ziel zu erreichen, umsetzt, der Erfolg ihm auch nicht fehlen wird, trotz der tapfern Worte des Hrn. v. Varnbüler. Aber ganz unsicher bin ich über den Punkt: ob Preussen die Sache mit festem Entschlüsse in die Hand nehmen wird, m. a. W. ob man die Sache für wichtig genug erachtet, um Österreich & Frankreich zum Trotze, & unter etlichem Widerstreben wenigstens einzelner süddeutscher Staaten, einen Schritt vorwärts zu thun. Die Antwort wird natürlich wesentlich von der Gestaltung der allgemeinen politischen Lage abhängen, bez. Wse. von den Ansichten, die sich über dieselbe die preussische Regierung gebildet hat. Die nächste Zukunft muss darüber Aufschluss ertheilen. Bei meiner gestrigen, sehr langen Unterredung mit Hrn. v. Varnbüler brachte Derselbe von sich aus zwei Punkte zur Sprache, über die ich nicht in der Lage war, ihm eine bestimmte amtliche Antwort zu ertheilen, von denen ich Ihnen aber hier Kenntniss geben will. Das Erste – was ich auch erwartete – war eine Nachfrage über den, nun auch, gleich dem Handelsverträge, seit zwei Jahren in der Luft hängenden, projectirten Niederlassungsvertrag zwischen der Schweiz & Württemberg. Ich erwiederte ihm, dass natürlich, unter den veränderten Verhältnissen, der Vertrag in derjenigen Weise, wie er vor 2 Jahren in Aussicht genommen war, nämlich als ein mit dem Handelsvertrag in unzertrennlicher Verbindung gesetztes Annexum desselben nicht mehr bestehen könne; dass es sich vielmehr, wenn man auf den Gegenstand zurükkommen wolle, darum handeln werde, zwischen der Schweiz & Württemberg separate Negotiationen einzuleiten. Hr. v. Varnbüler erklärte sich damit ganz einverstanden, wollte aber von mir wissen, ob die Schweiz wohl geneigt wäre, darauf einzutreten; hierüber konnte ich natürlich amtlich nicht antworten, sprach aber – mit der ausdrükklichen Reserve, dass dies blos individuelle Ansicht sei – dieselbe dahin aus, dass die Schweiz, nachdem sie einen Vertrag mit Baden habe, nachdem s. Zt. der Entwurf eines solchen mit Württemberg vom BR. gutgeheissen worden, & nachdem die leidige Judenfrage, welche früher die Sache erschwerte, nun ausser Betracht falle, keine Schwierigkeiten machen werde. Der zweite Punkt betrifft die vorsorglichen Massregeln gegen die Rinderpest. Hr. v. Varnbüler wünschte sehr, dass die Schweiz der unter den vier süddeutschen Staaten abgeschlossenen Mannheimer-Convention beitreten möchte, deren Grundgedanke bekanntlich dahin geht, dass der Staat den Vieh-Eigenthümern im Falle von Rinderpest möglichst liberale Vergütungen leistet, um dadurch den Grund für Verheimlichungen zu beseitigen & rechtzeitiges Einschreiten zu ermöglichen. Dass er Vorarlberg & Tyrol lieber nicht in der Convention einbegriffen sähe, wie er ihnen bereits durch Hrn. v. Ow zu verstehen gegeben, beruhe lediglich darauf, dass er kein Zutrauen zu einer energischen & rükksichtslosen Durchführung derselben Seitens der dortigen Behörden habe (eine Ansicht, die ich – beiläufig gesagt – vollständig theile) & dafür halte, es sei besser, die Convention bestehe nur zwischen solchen Staaten, die gegenseitig ganz sicher sind, dass Jeder seine übernommenen Pflichten ganz & tüchtig erfüllen wird. Ich erwiederte dem Minister, dass bekanntlich die im September in Zürich zusammentretende Veterinärconferenz diese Materie zum Hauptgegenstande ihrer Berathungen machen & dass, wie ich voraussetze, der BR. zuerst die Ergebnisse dieser Diskussion abwarten werde, bevor er sich über das weiter einzuhaltende Verfahren schlüssig mache.
Den König traf ich hier nicht, er reiste am Mittwoch, von Paris kommend, nur hier durch und ging sofort nach Friedrichshafen, wo er mich empfangen will. Hr. v. Varnbüler sagte mir, der Herr sei von den Strapazen des Aufenthaltes in Paris & der Reise sehr ermüdet & halbkrank gewesen & habe daher gewünscht, man möchte ihm für ein paar Tage volle Ruhe lassen; wahrscheinlich wird meine Audienz Montags oder Dienstags stattfinden. Von Friedrichshafen gedenke ich dann sofort in die Schweiz zu gehen & zwar zunächst nach Bern, wo ich Ihnen voraussichtlich etwa am Mittwoch der kommenden Woche meine Aufwartung machen zu können hoffe.
P.S. Eben, wie ich den Brief zu schliessen im Begriffe stehe, erhalte ich von Friedrichshafen die telegraphische Einladung, Montags Nachmittag dort meinen Brief abzugeben.