Classement thématique série 1848–1945:
I. LES RELATIONS INTERGOUVERNEMENTALES ET LA VIE DES ÉTATS
I.3. AUTRICHE-HONGRIE
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 2, doc. 37
volume linkBern 1985
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2200.53-06#1000/1751#138* | |
Old classification | CH-BAR E 2200.53-06(-)1000/1751 47 | |
Dossier title | Offizielle Korrespondenz: Schreiben des Bundesrates (1866–1866) |
dodis.ch/41570
Le Président de la Confédération, J. M. Kniisel, au Chargé d’Affaires de Suisse à Vienne, A. O. Aepli1
In den nächsten Tagen werden also die Verhandlungen über die Friedensbedingungen beginnen. Obwohl es der Schweiz für die Zukunft nicht ganz gleichgültig sein kann, wie sich die Neugestaltung Deutschlands u. Italiens vollzieht, so liegt es doch weder in unserm Berufe, noch in unserer Macht, ein Wort mitzusprechen. Und dennoch erlaube ich mir, Sie auf einen Punkt aufmerksam zu machen. Wie man annehmen kann, wird Österreich bedeutende Landesabtretungen machen müssen, Venedig ist so gut wie von Österreich abgetrennt und dem Königreich Italien einverleibt, lezteres verlangt auch noch die Abtretung Welschtyrols. Sollte Österreich auch zu dieser Abtretung sich bequemen müssen, was mir aber nicht wahrscheinlich ist, so bleibt in erster Linie das übrige Tyrol stets von Italien gefährdet. Ähnlich verhält es sich am Stelvio, so lange das Veltlin und namentlich der obere Theil von Tirano aufwärts in den Händen von Italien sich befinden. Es könnte daher leicht der Fall sein, dass Österreich gerne Hand dazu bieten würde, auf lezterm Punkte seine Gränze sicher zu stellen. Das geeignetste Mittel dazu wäre, wenn das Veltlin, namentlich eben der obere Theil, einem neutralen Staate, d.h. der Schweiz, einverleibt würde. Sollte daher Österreich dazu gebracht werden, im Etschthale die Gränzen von Deutschtyrol bloss zu legen, so sollte es ihm so mehr daran gelegen sein, wenigstens am Stelvio die Gränzen dieses Landestheils sicher zu stellen. Es könnte daher, den Fall von Abtretungen im Welschtyrol vorausgesezt, leicht möglich sein, dass Österreich sehr geneigt wäre, auf die angedeutete Idee einzugehen und zu erklären: soll ich an dem einten Orte eine Landesgränze militärisch schwächen, so soll man wenigstens dazu Hand bieten, dieselbe an einem ändern Orte um so sicherer zu machen; dass die Schweiz einige materielle Opfer für Erwerbung von Landeszuwachs sich gefallen lassen müsste, versteht sich von selbst, gegenüber von Österreich würden sich hiefür schikliche Anlässe bieten.
Ich wollte mit obigen Andeutungen Ihre Aufmerksamkeit nur auf einen Punkt hinlenken, der wenigstens einiger Beachtung werth ist, der aber mit aller Vorsicht behandelt werden muss. Die Schweiz wird keine Gelegenheit erhalten, an einem Kongresse dermalen zu erscheinen, auch würde es schwer sein, mit solchen Begehren aufzutretten, da Italien bekanntlich lieber noch den Kanton Tessin annexiren würde, als dass es gesonnen ist, von seinem Gebiete an uns abzutretten. Es könnte daher bei den bevorstehenden Verhandlungen nur Österreich diese Frage zur Besprechung zu bringen. Sie werden wahrscheinlich Gelegenheit finden, einen «Fühler» auszuwerfen; es versteht sich aber von selbst, dass dieses nicht auf schriftlichem Wege zu geschehen hat, noch ist der Bundesrath irgendwie in Mitleidenheit zu ziehen, dem ich auch von diesem Schritte noch keine Mittheilung gemacht habe, da es sich dermalen noch um nichts weiteres handelt, als eine sorgfältige Sondirung oder mit ändern Worten, um eine Anregung am geeigneten Orte und in geeigneter Weise anzubringen. Italien selbst dürfte bei reiflicher Überlegung es auch nicht unpassend finden, sein Land an diesem verwundbaren Flek am Stelvio sicher zu stellen, aber bei dem Bestreben, die welsche Erde unter seine Herrschaft zu bringen und bei der gegenwärtigen unerklärlichen üblen Stimmung gegen die Schweiz kann gar nicht die Rede davon sein, nach dieser Seite nur etwas verlauten zu wollen.
Ich empfehle Ihnen diese Anregung, wiederholte aber, dass mit aller Vorsicht vorzugehen ist.
P.S. Ich habe eine geschichtliche Arbeit über das Veltlin anfertigen lassen3, sollten Sie dieselbe zur Einsicht wünschen, so steht sie zur Verfügung4.
- 1
- Lettre: E 2200 Vienne 1/47.↩
- 2
- Date illisible, vraisemblablement le 31 juillet.↩
- 4
- Remarque manuscrite d’A. O. Aepli: «Am 3. Aug. geantwortet – Die Opportunität einer bezügl. Anregung bezweifelt, weil Öster. Welschtyrol überhaupt nicht aufgebe, daher die fakt.[...] zutreffe u. weil es den Anschein hätte, als ob die Schweiz aus den Kriegen dritter Staaten, an denen sie nicht Theil genommen, für sich Vortheile ziehen möchte, die man ihr wohl weder von der einen noch der anderen Krieg führender Parteien einzuräumen geneigt wäre.»↩