Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.9. France
I.9.2. Relations commerciales
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 1, Dok. 480
volume linkBern 1990
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
▼ ▶ Signatur | CH-BAR#E13#1000/38#102* | |
Alte Signatur | CH-BAR E 13(-)1000/38 22 | |
Dossiertitel | Korrespondenz des Handels- und Zolldepartements und Anträge an den Bundesrat; Bundesratsbeschlüsse; Korrespondenz mit der Schweizer Gesandtschaft in Paris T. 2 (1863–1863) |
dodis.ch/41479
Ihre verschiedenen Zuschriften vom 22., 27. und 29. Mai2 sind mir richtig zugekommen.
Aus den zwei das gleiche Datum vom 27ten Mai tragenden Schreiben muss ich entnehmen, dass Sie meine Einfragen bezüglich einzelner Tarifansäze d. d. 20. Mai und 22. d. gl. Monats3 in einer Weise aufgefasst haben, welche mir ein paar nachträgliche Bemerkungen nothwendig zu machen scheint. Sie haben offenbar aus derselben den Schluss gezogen, als ob ich die von Ihnen gemachten Zugeständnisse bezüglich Reduction für bestimmte Verkehrsartikel in ihrer Gesammtheita\s zu gering, als zu unbedeutend ansehe. Das ist ein entschiedener Irrthum. Ich finde, es seien dieselben im Ganzen genommen, in ihrem Betrag zusammengerechnet, so erheblich, dass, wenn Frankreich irgend Billigkeit walten lässt(l), solche zu einer Verständigung genügen sollten. Ja ich fand solche Artikel darunter, bei welchen ich, nach meiner persönlichen Ansicht, nicht so weit gegangen wäre, als es von Ihrer Seite geschehen ist, und ich wollte versuchen, ob es nicht möglich sei, diesfalls ohne Erhöhung unseres finanziellen Opfers auf irgend einem der Ansäze und ohne irgend nationalökonomische Rüksichten hintanzusezen, unsre gesammte Reduction, unsern Gesammtverlust auf den Einnahmen zu vermindern, wie Sie sich bei Kenntnisnahme vom Protokoll über unsre erste Sitzung vom 2. Mai nach Wiederaufnahme der Verhandlungen selbst werden überzeugen können. Dass ich, ehe Ihre Zuschriften vom 27. Mai in meinen Händen waren, in diesem Sinn Anträge stellte und vertheidigte, wird Ihnen den besten Beweis liefern, dass ich unsre finanzielle Einbusse im Ganzen auch meinerseits nach allen Billigkeitsrüksichten eher zu hoch als zu niedrig ansehe. Was mich zu meinen Erläuterungseinfragen nöthigte, war also nicht von ferne der Gesammtbetrag der durch Modifikation des Tarifs anerbotenen Zugeständnisse, sondern der Umstand, dass mir über die von mir speziell bezeichneten Artikel theils die materielle Begründung derselben, welche Sie geleitet hat, theils die Art der Zusammenrechnungwon Reductionen oder wieder Erhöhung auf analogen Artikeln gar nicht mitgehteilt worden ist, obwohl ich schon in einem Rapport vom 20. April4 ausdrüklich den Wunsch ausgesprochen hatte, es möchten mir nicht bloss die reduzirten Ansäze, sondern auch das auf dieselbe bezügliche «dieselben beleuchtende Material mitgetheilt werden». Es war mir daher unerklärlich, warum mir lezteres nicht gleichzeitig mit den Instruktionen gesandt wurde, umso unerklärlicher, als ich ja voraussetzen musste, der Bundesrath werde diese Ansäze nur auf Grundlage einer vom Zolldepartement ihm vorgelegten Durchschnittsberechnung festgesezt haben. Die endlich in Folge erneuerten Gesuches erfolgte Mittheilung einer lithographirten Aufrechnung nach einem fünfjährigen Durchschnitt, die ich aber erst vorgesternvon Ihnen erhalten habe, sind der beste Beweis, dass ich mich in meiner Voraussetzung nicht geirrt habe. Aber ich gestehe Ihnen ganz offen, noch bis heute ist mir kein Grund bekannt, und auch Ihre beiden Schreiben vom 27. geben keinen an, warum Sie sich nicht bewogen fanden, schon bei Anlass der Mittheilung der neuen Instruktionen vom 7. Mai5 oder doch bald nachher, mir diese Berechnung ebenfalls zukommen lassen, da sie offenbar einen Commentar zu den Ansäzen bildete, der mir umso nothwendiger war, als, wie Sie sich selbst erinnern werden, jede materielle Beleuchtung der einzelnen vorgenommenen Reductionen in dem Schreiben vom 9. Mai6 abgeht. Ich muss also, da mir kein Grund zu Unterlassung der Mittheilung des von mir speziell gewünschten (30. April)7 Materials angegeben worden ist, fast vermuthen, es sei dies einem Übersehen oder einer Vergesslichkeit zuzuschreiben. Dann mag es aber auch lezterm Umstand und nicht meiner Schuld zugeschrieben werden, wenn ich gezwungen worden bin, über Unklarheiten, welche sich mir bei den von mir hier vorgenommenen Nachrechnungen aufdrängten, nähere Erläuterungen von Ihnen nachzusuchen. Es war dies niemandem so unangenehm, als mir selbst, indem mir diese Unterlassung mehrere Tage die Arbeit noch fernerer Nachrechnungen und Vergleichungen auferlegte, die mich aber natürlich immer noch 'm Ungewissheit liess, welche Durchschnittsjahre und welche Ausgleichungsfactoren bei Ihren Berathungen im Bundesrath Vorgelegen und Sie geleitet haben. Dass mir dies in einer Zeit, wo ich mit Sitzungen und Vorbereitungen für fast tägliche Post- und Handelsconferenzen im vollesten Maasse in Anspruch genommen bin, nicht sehr gelegen kam, wird jedermann begreifen, der sich in meine Lage versezt. Die in Folge meiner wiederholten Schreiben endlich erfolgte Zusendung des bezeichneten Materials in Verbindung mit Mittheilungen, die mir in den lezten Tagen vom Zolldepartement zugekommen sind, geben mir nun zu Ihren Instruktionen den Commentar, den ich immer vermisst und umsonst schon am 20. April nachgesucht hatte.
Dass ich übrigens auch bei den noch zu gewärtigenden Debatten die Interessen und namentlich auch die finanziellen eben sowohl zu vertheidigen wissen werde, wie es in den bekannten Debatten über die Weinfrage und die Savoyerzone geschehen ist, glaube ich nicht erst versichern zu dürfen. Wenn aber da und dort eine Verständigung erzielbar ist, welche weder grössere finanzielle Einbusse noch Verletzung nationalökonomischer Rüksichten in sich schliesst, so sollte man solche, das ist wenigstens meine Überzeugung, nicht von sich weisen. Das wird sich aber erst nach Eröffnung und Debattirung aller Konzessionen herausstellen und zur Zeit wäre ein diesfälliges Urtheil voreilig.
Ich sehe der beförderlichen Zusendung Ihrer Instruktionen puncto Schuz des litterarischen und industriellen Eigenthums entgegen. Vermuthlich werden auch diese uns neue Schwierigkeiten bieten, insofern nämlich solche abweichen von denjenigen, welche Sie gleich anfänglich und in Übereinstimmung mit den Ansichten der in Bern gehaltenen Handelsconferenz ertheilt haben (cf. die ersten Hauptinstruktionen B l8, welche zu einem Abschluss auf Grundlage der mit Deutschland abgeschlossenen Übereinkunft ermächtigen).
Was das Forum betrifft, so macht Frankreich den Grundsaz geltend, dass über alle auf seinem Gebiet säsirten Waaren nach dem französischen Gesetz und vor französischen Gerichten zu verfahren sei mit Gegenseitigkeitsanerkennung, und ich zweifle sehr, dass es auf diesen Grundsaz, den es ohne Vertrag gegen alle Staaten in Anwendung bringt, ausnahmsweise der Schweiz gegenüber durch einen Vertrag verzichten wird.
Dass es aber Strafbestimmungen en détail in den Vertrag aufnehme, kommt mir ebenso zweifelhaft vor, und im bejahenden Fall würde ich sehr befürchten, diese Strafbestimmungen würden weit rigoroser, als wenn es die Schweiz für sich oder ihre Kantone vorbehält, Begriff und Strafe festzustellen. Die Hauptsache ist immer, dass wir den Franzosen nicht mehr Recht, nicht mehr Schuz gewähren als unsern eigenen Bürgern oder Einwohnern. So weit vorläufig über diesen Punkt. Ich denke, diese Frage komme donnerstags oder freitags auf die Tagesordnung und erwarte täglich Ihre neuen Instruktionen, wenn Sie es nicht vorziehen, es bei den schon ertheilten zu belassen, die jedenfalls eher eine Verständigung möglich machen im Hinblik auf das Praecédens aller Staaten, die bisher contrahirt haben, und speziell Deutschlands, das am meisten Analogie mit der Schweiz darbietet. Auf nächsten Mitwoch habe ich die Herren Challet-Venel und Lentulus zur Behandlung der Zone vom Pays de Gex einberufen9. Morgen kommt die Judenfrage und permis de séjour zur Verhandlung.
Über die Sitzungen vom lezten Donnerstag und Freitag vorläufig kurz folgendes.
In der Sitzung vom 28. Mai machte ich die Eröffnungen bezüglich Modifikation unseres Tarifes. Die französischen Bevollmächtigten stellten folgende weitergehende Forderungen: Frankreich verlangt:
réduction pour
Meubles en bois d’ébénisterie de toute espèce à 16 fr. pr 100 Kilos; ou 10 % valeur
Savons de toute espèce, y compris le savon pour toilette
1 fr. 50 c. les 100 Kilos
10 fr. les 100 Kilos
Parfumeries non alcooliques
A la sortie
Bois de toute espèce 0,50 Centimes.
Die Sitzung vom 29. Mai wurde fast ganz ausgefüllt mit neuen oft sehr lebhaften und warmen Debatten über Eingangszoll und Consumogebühren auf Getränken. Dann gab ich die Instruktionen puncto Pays de Gex zu Protokoll, ohne sie schon zu debattiren. Man bemerkte sehr, dass der Wein keine Begünstigung haben soll und wird dies verlangen. Die Zahl 50! bei Marmor, sagte man, könne nicht ernst gemeint seyn und werde als Schreibfehler betrachtet werden müssen. Wirklich ist 50 Cent, bei einem so sehr ins Gewicht fallenden Artikel fast nichts. Bei solchen Dingen sollte man nicht zu ängstlich seyn.
Frankreich verlangte: Festsetzung eines Fixums von 4 fr. als cantonale Taxe puncto Weineinfuhr im Allgemeinen nach der Schweiz für die Consumogebühren auf vin en cercle und 14 fr. auf Wein en bouteilles et par hectolitre.
Diese Taxen sollten mit dem eidgenössischen Eingangszoll von 3 fr. für Wein in Fässern und von 7 fr. für Wein in Flaschen an der Schweizergrenze gleichzeitig erhoben werden. Der Bund hätte also die Consumogebühren zu Händen der betreffenden Cantone zu beziehen.
Ich vertheidigte die neuen und älteren Instruktionen und diese neuen Begehren wurden am Schluss von den französischen Bevollmächtigten zu Protokoll gegeben.
Sie sehen, wir stehen noch weit auseinander. Rouher sagte am Schluss: «Plustöt le statu quo tel quel en toute chose que de le sanctionner par un traité», und ich entgegnete ihm: «Je vous propose de nouveau un traité analogue à celui de la Suisse avec la Belgique réciproquement, ni plus ni moins; plutôt point de traité qu’un traité dont je préverrais [sic] le rejet par les autorités fédérales». Wir werden fortfahren über die rükständigen Fragen unsre Erklärungen zu Protokoll zu geben. Ob ein Resultat herauskömmt, lässt sich erst in der lezten Sitzung mit Sic/zer/zezYbeurtheilen. Da ich täglich Conferenzen für Handel und Posten beiwohnen muss, so ist mir rein unmöglich, täglich noch Rapporte zu schreiben. Wenn irgend etwas maassgebendes sich berichten lässt, werde ich nicht ermangeln, es zu thun; sonst aber muss ich auf die Protokolle mich beziehen.10
- 1
- E 13(B)/167.↩
- 2
- Cf. PVCF E 1004 1/53, nos 1955, 2031 et 2032 (lettres du 27 mai) et 2066.↩
- 3
- Lettre du 20 mai, non reproduite; lettre du 22 mai, non retrouvée.↩
- 4
- Non retrouvée.↩
- 5
- Non reproduites.↩
- 6
- Non retrouvée.↩
- 7
- Extrait non reproduit.↩
- 8
- Cf. No 472.↩
- 9
- Experts fédéraux désignés pour la négociation concernant la zone du Pays de Gex. Cf. leur rapport, No 484.↩
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