Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.5. Confédération germanique
I.5.1. Relations commerciales
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1, doc. 410
volume linkBern 1990
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
Archival classification | CH-BAR#E1007#1995/533#49* | |
Dossier title | Oktober - Dezember 1860 (Nr. 4366-5542) (1860–1860) | |
File reference archive | 7.1.1 |
dodis.ch/41409
Der schweizerische Bundesrath beehrt sich bei Sr. Tit. etc. (Ministerium) die Angelegenheit der der Schweiz in den Jahren 1850 und 1851 entzogenen Zollerleichterungen neuerdings in Anregung zu bringen und Hochdasselbe zu bitten, die Aufmerksamkeit der hohen Grossherzoglichen (Königl.) Regierung diesen für die Schweiz wichtigen Verhältnissen geneigtest zuwenden zu wollen.
Vor der Gründung des süddeutschen Zollverbandes unterhielt die schweizerische Industrie und der schweizerische Handel einen lebhaften Verkehr mit jenen Staaten, und es bestund ein sehr bedeutender gegenseitiger Waaren-Austausch. Diese Zustände änderten jedoch plözlich nach Inkrafttreten des jenseits vereinbarten Zolltarifs. Während nämlich die deutschen Manufakte in der Schweiz fortwährend freien Markt genossen, war den meisten Industrieprodukten der Schweiz der Zutritt nach Deutschland durch die hohen, in vielen Fällen einer Prohibition gleichkommenden Zölle gänzlich gesperrt. Den damaligen eindringlichen Vorstellungen der Schweiz trugen die süddeutschen Vereinsstaaten insoweit etwelche Rechnung, als sie ihr in den Jahren 1835 und 1838 nachfolgende Zollerleichterungen einräumten:
1. In der zollfreien Ein- und Ausfuhr von Getreide, Holz, rohen Farbkräutern, Honig, Wurzeln, gedörrtem Obste, ungebleichtem Wachse und gemeinen Töpferwaaren.
2. In der Einfuhr des schweizerischen weissen Bodenseeweines in Fässern zum ermässigten Eingangszoll von 50 xr. für den Zentner (anstatt jezt fl. 14.–).
3. In der Einfuhr des schweizerischen Obstmostes (Cider) und des schweizerischen Essigs zu dem gleichen ermässigten Zollansaze.
4. In der Einfuhr von Schweizerkäse zum geminderten Zollsaze von fl. 2.30 xr. für den Zentner (anstatt fl. 6.25).
5. Einfuhr von Uhrenbestandtheilen (Uhrfedern, Uhrrädern, usw.); ferner von Extrait d’absinthe (Wermuthgeist), von Schweizerkirschwasser und von Schweizer-Strohgeflechten gegen die Hälfte der betreffenden allgemeinen Tarifsäze.
Obschon diese Konzessionen für den Verkehr im grossen Ganzen keine wesentliche Bedeutung hatten und namentlich den wichtigsten Industrie-Produkten der Schweiz daraus keine Vortheile erwachsen sind, so erleichterten sie dennoch den schwer getroffenen Gränzverkehr und die Schweiz gab sich zufrieden. Ihre Industrie suchte und fand andere Absazquellen. Nun kamen die Theurungsjahre 1846 und 1847 und mit ihnen die von der Schweiz hart empfundene Massregel der deutscher Seits angeordneten Aufhebung der zollfreien Ausfuhr von Getreide.
Im Jahr 1849 reorganisirte die Schweiz ihr Zollwesen nach den Vorschriften
der Bundesverfassung von 1848. Alle innern Zölle, Weg- und Brükengelder und
die zahllosen ändern den Verkehr belastenden Gebühren wurden losgekauft und
die Zölle an die Gränze verlegt. Aus diesen Verhältnissen ist das gegenwärtige
schweizerische Zollsystem hervorgegangen, durch welches die Mittel beschaffen
werden sollen, um die Kantone für ihre bedeutenden Ansprüche zu entschädigen
und die Bedürfnisse des eidgenössischen Staatshaushalts zu deken. Diese Gränzzölle haben also einen ausschliesslich finanziellen und keinen protektionistischen
Charakter; sie sind auch so niedrig gehalten, dass sie für Landesprodukte und
Rohstoffe nur Kontrolgebühren bilden und die Konkurrenz auf den inländischen
Märkten aller sogar bis zur grössten Vollkommenheit verarbeiteter Artikel in keiner Weise schmälern oder beeinträchtigen.
Dennoch tauchten im Jahr 1850 bei unsern süddeutschen Nachbarstaaten Klagen gegen diese Zölle auf2; namentlich befürchtete man von daher Störungen des
Gränz- und Marktverkehrs und beanstandete speziell die Zölle auf Eisen, in denselben eine unbillige Begünstigung Englands erblikend, während in Wirklichkeit
durch die Tarifbenennung «Eisen, englisches» nicht die Herkunft, sondern nur
die Qualität des Eisens bezeichnet werden wollte. Die hierauf stattgefundenen
Konferenzverhandlungen in Karlsruhe führten zu keiner Vereinbarung, namentlich deshalb nicht, weil man es ablehnte, der Schweiz bestimmte Zusicherungen
für die freie Getreideausfuhr, auf die sie ein grosses Gewicht legen musste, zu
ertheilen. Unmittelbar nach dem Scheitern dieser Verhandlungen und schon den
1. August 1851 erschienen die Verordnungen, durch welche die Aufhebung der
im Verkehr mit der Schweiz bestandenen Zollerleichterungen ausgesprochen wurde.
Der schweizerische Bundesrath war damals durch Bundesbeschluss vom
26. August 1851 bevollmächtigt3, in Anwendung des Art. 33 des Zollgesezes vom
30. Juni 1849 diejenigen Tarifabänderungen vorzunehmen, welche er im Hinblik
auf die Lage der Dinge für angemessen erachten würde. Der Umstand aber, dass
eine solche Massregel unausweichlich ernstliche Störungen in den Beziehungen
zu den süddeutschen Nachbarstaaten und im Gränzverkehr nach sich gezogen
haben müsste, veranlasste den Bundesrath, von diesen Vollmachten keinen
Gebrauch zu machen.
Das schweizerische Zollgesez vom 27. August 1851, in Kraft getreten den
1. Januar. 1852, brachte dem Gränz- und Marktverkehr neue, umfassende
Erleichterungen, deren Werth sich dadurch noch steigerte, dass bei Vollziehung
des Gesezes in dieser Richtung stets möglichste Milde geübt und den Lokalverhältnissen thunlichste Berüksichtigung zu Theil wurde. Mit Überzeugung kann
daher die Ansicht ausgesprochen werden, die hohen Regierungen der Vereinsstaaten werden sich nach Verfluss eines Decenniums versichert haben, dass das
gegenwärtige schweizerische Zollsystem die störenden Einflüsse auf den Gränzund Marktverkehr nicht ausübt, welche früher dortseits befürchtet worden sind.
Aber noch weitere Änderungen haben in der schweizerischen Zollgesezgebung stattgefunden. Schon der Zolltarif vom 27. August 1851 beseitigte die
Benennung «englisches Eisen» und stellte eine Werth Verzollung auf. Später wurde auch diese fallen gelassen, und gegenwärtig zahlt, laut Bundesbeschluss vom 19. Juli 18564, alles geschmiedete, gezogene oder gewalzte Eisen, abgesehen von seinem Werthe, den Einheitszollansaz von Fr. 1.– per Zentner, und es besteht nur noch ein Unterschied für Eisen zum Maschinen- & Schiffsbau, von solchen Formen und Grössen, wie sie in der Schweiz nicht gemacht werden, welches Eisen einem Zoll von 30 c. per Zentner unterworfen ist. Also auch in dieser Richtung ist den Reklamationen der süddeutschen Zollvereins-Staaten aus den Jahren 1850 und 1851 vollständig Rechnung getragen worden, indem das deutsche Eisen, welches meistens zu den besseren, theureren Sorten gehört, seit 1856 eine Tarifermässigung von 50 c. per Zentner geniesst und schlechteres Eisen den gleichen Zoll bezahlen muss.
Unbestritten liegt auch in dem mit l.März a. c. in Vollziehung getretenen Gesez über Ermässigung der Durchfuhrzölle (siehe Beilage)5 eine wesentliche Begünstigung des Verkehrs im Allgemeinen und des Gränzverkehrs im Speziellen. Diese Zölle befinden sich nun auf das Mass einer minimen Kontrolgebühr zurükgeführt.
Nachdem also der Nachweis geleistet wurde, dass Seitens der Schweiz der wesentlichste Theil derjenigen Beschwerdepunkte der deutschen Nachbarstaaten, welche dieselben s. Zt. zu der Aufhebung der früher eingeräumten Zollerleichterungen bewogen haben, durch gesezliche Verfügungen gehoben worden sind, so glaubt der schweizerische Bundesrath mit Vertrauen einem hohen Königlichen Ministerium u. s. w. die Erwartung aussprechen zu dürfen, sein Ansuchen um Zurükgabe jener Erleichterungen, welches er hiemit die Ehre hat, darzubringen, werde dortseits geneigtes Entgegenkommen finden.
Indem der schweizerische Bundesrath schliesslich einem hohen Ministerium mitzutheilen die Ehre hat, dass das gleiche Ansuchen auch an die Grossherzoglich Badische und Königlich Bayerische Regierung gestellt worden ist, erlaubt er sich aufmerksam zu machen, dass die Bewilligung der angestrebten Konzession nicht verfehlen würde, in der Schweiz einen sehr guten Eindruk hervorzurufen. [...]
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