Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.9. France
I.9.5. Question de Savoie
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 1, doc. 375
volume linkBern 1990
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2200.154-01#1000/226#33* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2200.154-01(-)1000/226 29 | |
Titolo dossier | Korrespondenz der Eidg. Behörden (1859–1863) | |
Riferimento archivio | A |
dodis.ch/41374
Verehrtester Freund!
Ihren Brief vom 4. dies.2 habe ich erhalten.
Ich für mich bin ganz der Ansicht, dass die Schweiz eventuell zur Besetzung Nordsavoyens schreiten muss. Sobald die Franzosen Anstalten treffen, Truppen in Savoyen zu stationiren, müssen wir absolut dasselbe für Nordsavoyen thun, sonst ist unsere Sache verloren. Ich zweifle nicht daran, dass der Bundesrath für diesen Entschluss einstimmig sein wird. Als Chef des Militärdepartements treffe ich im Stillen alle Vorbereitungen.
An den bloss mündlichen und dazu noch unbestimmten Zusagen Frankreichs können wir uns nicht begnügen. Sie werden deshalb den Auftrag des Bundesrathes, bei dortigem Kabinete schriftlich zu reklamiren, bereits empfangen haben, gleich wie Kern in Paris.
Ich bin ferner der Ansicht, dass der Bundesrath nun sofort auch durch eine Zirkular-Note an die sämmtlichen Kongress-Mächte von 1815 sich wenden soll. Napoleon hat die Anexionsfrage offiziel gestellt; die Schweiz muss also auch offiziel und offen auf die Bühne treten. Napoleon nicht «bös» machen zu wollen, was noch bei vielen oberste Maxime ist, soll uns nicht einzig leiten.
Eine Allianz mit Italien würde unsere Stellung bei Italien natürlich in hohem Grade verbessern und für Savoyen auch eine klare Position geben. Wie Sie selbst bemerken, stehen aber wenige Staatsmänner der Schweiz auf diesem Standpunkte: neutral zu bleiben, bis einem das Wasser in den Mund läuft und man untersinkt, ist eine bequeme Maxime, aber sie muss nothwendig früher oder später zur Nullifizirung und damit zum Untergange eines Volkes führen.
Ich huldige deshalb nichts weniger als der absoluten Neutralität: im vorliegenden Fall sind aber noch nicht Motive genug da, um uns zur Aufgabe der Neutralität zu bewegen. Wie ich aus dem Munde von Männern des demokratischen Italiens hörte, würde man der Schweiz sehr gerne einen Teil von Tyrol überlassen, wenn sie helfen würde, die Österreicher aus Venetien zu vertreiben. Vom italienischen Standpunkte aus ist dies sehr begreiflich, man möchte zur Hut der Alpenübergänge zwischen Deutschland und Italien die Schweizwie einen Keil zwischen beide hineintreiben; man wäre sogar geneigt, uns auch einen Theil des Veltlins zurückzugeben, damit die Strasse über das Stilfserjoch unter schweizerische Neutralität fiele. An Savoyen hängt diese Partei gar nicht und würde uns also auch hier gerecht werden. So sprach mir vor 3–4 Wochen ein Abgeordneter aus Zentralitalien. Dies lautet gewiss sehr schön für die Schweiz – aber es herrscht in dem Programm die Politik der Vergrösserung vor; für eine solche allein kann die Schweiz nicht in den Krieg ziehen; es muss dafür die Selbsterhaltung oder die Sicherstellung für die Zukunft als oberster Zweck erscheinen, dann ist sie gerechtfertigt vor ganz Europa und ihre eigenen Söhne werden mit Begeisterung marschiren. Soweit aber sind wir bei der Allianz-Frage mit Italien noch nicht. Es kann jedoch kommen.
Ich möchte Sie bitten, auf alle militärischen oder sonstigen Anzeichen, die auf eine französische Occuppation Savoyens hindeuten möchten, genau Acht zu haben. Wir werden zwar unsere Beobachtungen in Savoyen haben und in Lyon und Grenoble ebenfalls anstellen; aber es ist möglich, dass man in Turin noch früher sehen oder es früher erfahren kann.
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