Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.2. Autriche
I.2.4. Relations commerciales
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1, doc. 364
volume linkBern 1990
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2400#1000/717#574* | |
Old classification | CH-BAR E 2400(-)1000/717 154 | |
Dossier title | Mailand (1848–1878) | |
File reference archive | 1 |
dodis.ch/41363
Ohne in diesem Bericht die politischen Veränderungen, die im abgelaufenen Jahr in der Lombardie Stattgefunden, neuerdings zu berühre, bleibt mir dagegen zu bemerken, auf welche Artikel und Erzeugnisse der schweizerischen Industrie dieser Wechsel seinen Einfluss ausgeübt hat.
In erster Linie stehen die Manufactur-Waaren in Zeugdruck, die in Concurrenz mit Vorarlberg unter Österreich nur in Contrebande hineingekommen und nun nicht nur in der Lombardie, sondern auch in den Herzogtümern bereits bedeutende Consumenten gefunden haben. Die Etablissements von Glarus, Zürich, Thurgau waren auch bald bei der Hand.
Die Mousseline-Industrie und Stickwaaren von St. Gallen und Appenzell haben bei dem sardinischen Zoll nicht weniger Erleichterung und werden grössern Absatz finden. Für unsere Seidenfabrication kann namentlich auf geringen Bändern etwas mehr gehofft werden; in glatten Stoffen fabriziren dagegen die Fabriken von Como und Mailand ebenso gut und billig und für façonnés Modestoffe hält man sich an den französischen Geschmack. Unsere Fabrikanten ersparen nun den Zoll auf dem Rohstoff, welcher bis jetzt auf roher gezwirnter Seide Fr. 26.– per 50 Kilo betrug, welche Ersparnis indessen zu gering ist, um bei dem hohen Stand des Artikels Anlass zu grösserm Umsatz zu geben, dagegen bei dem bedeutenden Export ein ansehnliches Defizit in den Einnahmen des Staats macht.
Es wurden im verflossenen Jahre über die beiden Pässe von
St. Gotthard 3278 Ballen gegen 5111 im 1858
Splügen 8045 ” ” 7794 ” ”
11323 ” ” 12905 ” ” ausgeführt.
Enorme Quantitäten asiatischer, China- und Bengal-Seiden, die hier nur verarbeitet (ouvrirt) werden, sind in diesen Zahlen inbegriffen, welche also durchaus keine Norm für die letztjährige Seiden-Production der Lombardie geben können.
Die Seidenpreise stehen ca. 20% höher als voriges Jahr zur gleichen Epoche und da der Spinner dabei noch verliert und wenige Vorräthe da sind, so sind billigere Preise vor neuen Ernteaussichten nicht zu hoffen.
Der letztes Jahr aus der Schweiz bezogene Seidenraupensaamen, wie von Walenstadt, Staefa, Affoltern, Schinznach hat im Allgemeinen noch ein gutes Resultat gehabt und ca. 35 Kilo Cocons von jeder schweizerischen Unze Saamen erzeugt; es bestanden aber mit einer einzigen Ausnahme Symptome von Oidium wie bei den meisten ändern Provenienzen.
Die Käse-Einfuhr aus der Schweiz findet sich durch den niedern sardinischen Zoll und die weniger fühlbare Concurenz Tyrols unter bessern Conditionen für den allgemeinen Handel, dem einzelnen reichern Händler diente aber natürlich der frühere hohe Zoll besser.
Für den Viehhandel bleiben die Verhältnisse die gleichgünstigen und da die Heuernten auch dieses Jahr gut und Heu billig ist, so bleibt Vieh sehr gefragt und erlöst hohe Preise. Trotz den grossen Requisitionen in Heu, welche die österreichische Armee s. Z. gemacht, entstand nur auf einzelnen Bauernhöfen augenbliklicher Mangel, welcher aber bald durch Zufuhren aus weniger heimgesuchten Gegenden ersetzt wurde. Die französische Armee führte ihren Bedarf grösstentheils nach.
Hafer blieb nur kurze Zeit vor Anfang des Kriegs auf hohem Preis, steht aber seit dessen Ende wieder auf gewöhnlichem Mittel-Preis; und war die Ernte gut, wie die von allen ändern Früchten, Getreide, Mais; und besonders ergiebig war die Reis-Ernte. Alle Lebensmittel stehen zum besten der armen Classen und zum Verdruss der Gutsbesitzer auf äusserst billigen Preisen.
Seit Anfang des Jahres rechnet man nach Lire Italiane oder Francs wovon 100 auf 40.50. Österreichische Gulden kommen also
Fr. 1 = ItL. 2.46 74/81
Austr. Lire 1 neue = ItL. - 86 54/81
Austr.Lire 1 alte = ItL. - 8377/81
Die Umänderung von Mass und Gewichte ist auf 1861 festgestellt.
Die neue Bank, deren Statuten ich dem löblichen Handels- und Zoll-Departement einzusenden das Vergnügen hatte2, soll ihre Ergebnisse mit denen der Banken von Turin und Genua verschmelzen; solche hat ihre Funktionen noch nicht begonnen, was aber in kurzer Zeit geschehen wird. Die Actie von ItL. 1000 bekommt heute ItL. 60 à 70 Agio.
Die hiesigen neuen Postverhältnisse und Eisenbahnen sind in neuester Zeit durch ein verehrliches Mitglied des hohen Bundesrathes aufs genauste inspizirt worden, ohne dass ich mehr darüber hinzuzufügen hätte.
Es bleibt in den gegenwärtigen Administrativenverhältnissen noch sehr viel zu thun. Die neuen sardinischen Beamten sind noch neu und finden nicht immer das Entgegenkommen und die Anleitungen, die ihnen wünschbar wären. Die abgetretenen und nach Piemont versetzten Beamten sind über diese Versetzungen mit kleinerm Gehalt unzufrieden.
Tägliche Einbrüche, Raubanfälle in den Strassen der Stadt und auf dem Land, meistens von Gesindel verübt, das entweder aus östreichischem oder dem Dienste des Garibaldi zurückgekommen, machen Verstärkung der Gendarmerie und Polizeiwacht nöthig. Der Polizeidirector mit den ersten Beamten wurden in neuester Zeit ihrer Stellen entsetzt, weil, wie man sagt, Mazzini mehrere Tage hier unentdekt geblieben und nach Lugano (?) gereist wäre.
Im Zollwesen war die Bestechung schon lange nicht mehr so an der Tagesordnung wie jetzt; Manufactur-Waaren werden um Trinkgelder aus der Mauth zurückgezogen, ein Unfug, welchem auch Österreich nie steuern konnte.
Das Steuergesetz für 1860 hat böses Blut gemacht, denn nicht nur bestehen die gleichen Besteuerungen auf den Gütern wie bis anhin, sondern auch die Extra-Taxe für Kriegskosten soll beibehalten werden. Über revolutionaire Bewegungen wurde gesprochen; die Truppen, französische wie sardische, wurden auch einige Nächte in den Casernen in Bereitschaft gehalten; man scheint sich aber in dieser Hinsicht einstweilen zu sehr zu allarmieren, denn die bessern Classen wollen Ruhe und Ordnung, und wenn auch unzufrieden, gehen sie nicht in die Strassen.
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