Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.9. France
I.9.5. Question de Savoie
Pubblicato in
Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 1, doc. 340
volume linkBern 1990
Dettagli… |▼▶Collocazione
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
Segnatura | CH-BAR#E1007#1995/533#43* | |
Titolo dossier | April - Juni 1859 (Nr. 1201-2791) (1859–1859) | |
Riferimento archivio | 7.1.1 |
dodis.ch/41339
In öffentlichen Blättern fängt bereits die Frage des Anschlusses von Savoyen an Frankreich sich zu regen an. Im Savoyischen selbst beginne sie die Gemüther zu beschäftigen, besonders im untern Theile, während im Obern (Chablais und Faucigny) man kälter sei und eher zum Anschlüsse an die Schweiz geneigt wäre.
Jedenfalls ist für uns die Zeit gekommen, diesem Gegenstände unsere volle Aufmerksamkeit zu schenken.
Die Erklärung Frankreichs, bei gegenwärtigem Kriege keine Eroberungen machen zu wollen, kann uns nicht hinreichend beruhigen. Es kann dieses Versprechen scheinbar gehalten werden, indem man zum Mittel einer Volksabstimmung greift.
Worin wir unsere Stüze suchen müsen, das sind die Mächte, welche die Verträge von 1815 errichtet haben. Ohne die Einwilligung derselben dürfen die Territorialverhältnisse nicht verändert werden, ja die Schweiz selbst hat das Recht zu verlangen, dass ohne ihre Zustimmung in den gegenwärtigen internationalen Verhältnissen Savoyens zur Schweiz nichts verändert werde. Die Neutralisirung eines Theils von Savoyen, die im Jahr 1815 im europäischen Interesse und in demjenigen der Schweiz und Sardiniens erfolgte, fiele durch den Anschluss an Frankreich dahin; das gleiche wäre der Fall mit ändern Stipulationen, die in ältern und neuern Verträgen zwischen der Schweiz und Sardinien aufgestellt wurden. In dieser Hinsicht mache ich Sie aufmerksam, dass in Art.... des Turinervertrages von 1816 alle ältern Verträge ausdrüklich bestätigt wurden.2 Unter diesen ältern Verträgen ist unter anderm der durch die elf unparteiischen Orte ermittelte Frieden zwischen Bern und dem Herzoge von Savoyen von 1564 von Bedeutung, in welchem Bern die Waadt, dem Herzoge aber unter Anderm das Chablais und das Genevois zugesprochen und dann beigefügt wurde:
«Kein Theil soll die ihm zugesprochenen Städte, Festungen, Land und Leute einem ändern Fürsten, Herren, Städten, Landen und Gemeinden, wer sie auch sein möchten, weder kaufs- noch tausch- noch einiger anderer Weise übergeben, damit ein Theil den ändern fremder ungelegener und beschwerlicher Nachbarschaft enthebe und ein jeder derselben entladen sei und bleibe.»
«Beide Theile sollen in diesen ihren anstossenden Landen keine neuen Befestigungen gegen einander bauen, auch innerhalb einer Meile Weges gegen die Grenzen keine Kriegsrüstungen sammeln.»3
Im Vertrage von Saint-Julien d.d. 1603, welcher den Frieden zwischen Savoyen und Genf feststellte, ward stipulirt, dass der Herzog von Savoyen in dem Umkreis von 4 Stunden von Genf keine Festungen anlegen und kein Kriegsvolk versammeln dürfe.4
Es lässt sich nachweisen, dass unter anderm auch diese Bestimmungen das Motiv bildeten, im Turiner Vertrag von 1816 die ältern Verträge ausdrüklich zu bestätigen.
Durch die Vereinigung Savoyens mit Frankreich würden alle diese schüzenden Bestimmungen für die Schweiz illusorisch.
Genf als Stappelplaz des ganzen Bassins des Pays de Gex und des obern Savoyens könnte sich als unahängiger Staat auf die Dauer nicht halten; durch die französische Zollinie würde es erdrükt; eine militärische Vertheidigung desselben durch die Schweiz wäre nicht mehr möglich, weil wir keine militärischen Rechte mehr im Savoyischen besässen. In dieser Beziehung brauche ich nicht weitläufiger zu sein, indem Sie die ganze Gefahr gewiss vollständig erkennen.
Es nähert sich nun die Periode, wo die neutralen Mächte mit VermittlungsVorschlägen auftreten werden. Schon jezt erscheint es dehalb als angemessen, auf die Besorgnisse der Schweiz an geeigneter Stelle aufmerksam zu machen, vorläufig jedoch nur mündlich und höchst confidentiell. Suchen Sie zu diesem Zweke vorzüglich mit Lord Cowley Unterredungen zu pflegen, damit er seiner Regierung Winke zukommen lasse. Das Gleiche können Sie bei dem preussischen Gesandten5 versuchen, wenn derselbe wieder nach Paris zurükkehrt. Ich werde hier in gleicher Weise mit dem englischen und preussischen Gesandten6 mich unterhalten. Es ist besonders zu betonen, dass die Schweiz keineswegs lüstern nach Gebietserwerbungen ist, aber wenn Besizänderungen mit Savoyen vor sich gehen sollten, so müsste sie im Interesse der Sicherheit und Integrität ihres bisherigen Gebietes verlangen, dass der obere Theil von Savoyen nicht mit Frankreich, sondern mit der Schweiz vereinigt werde. Ich schike Ihnen noch zwei Pläne des neutralisirten Savoyens, in welchen auch die der Schweiz günstigste Vertheidigungsgränze eingezeichnet ist. In dem in Ihren Händen befindlichen Memorial des Herrn Oberstquartiermeister Finsler von 18147 finden Sie die ausführliche Motivirung dazu.
Die Zeit zu offiziellen und schriftlichen Vorstellungen wird erst kommen, wenn der Zusammentritt eines Kongresses in Aussicht steht oder sichere Anzeichen einer beabsichtigten Annexion Savoyens zu Tage treten. Es wird hier dazu Alles vorbereitet.
Was unsere Besorgnisse noch steigert, ist, dass wir mit Sardinien in den Unterhandlungen über die eventuelle Besezung Savoyens nicht vorwärts kommen. Das Bestreben Sardiniens ist, unsere bereits stipulirten Befugnisse möglichst zu schmälern. Zu Ihrer Orientirung über den Gang der Verhandlungen lege ich Ihnen einige Aktenstüke bei.8
Ihre Berichte in der Sache gewärtigend, benuze ich etc.
NS. Sie sind ermächtigt, Anlass nehmend von den Artikeln in öffentlichen Blättern, auch mit Walewski über die Sache sich zu unterhalten und ihm die in der Schweiz herrschenden Besorgnisse vertraulich mitzutheilen. Es ist dies wünschenswerth, damit auch nicht der Schein entstehe, als thäten wir etwas hinter dem Rüken von Frankreich.
Der Bundesrath ist mit diesem ganzen Schreiben einverstanden.9
- 1
- Lettre: E 1001 (E)q 1/43, No 2761.↩
- 2
- Traité du 16 mars 1816, RO 1, p. 157.↩
- 3
- Traité de Lausanne du 30 octobre 1564. Documents relatifs à l’histoire du Pays de Vaud dès 1293 à 1750. Genève 1817, p. 227-239.↩
- 4
- Traité du 21 juillet 1603. Cf. E 2/1627, copie manuscrite.↩
- 5
- A. de Pour talés.↩
- 6
- E.A.J. Harris et K. von Kamptz.↩
- 7
- Cf. No 321, note 3.↩
- 8
- Non retrouvées.↩
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