dodis.ch/41327 Le Ministre de Suisse à Paris, J. C. Kern, au Président de la Confédération, J. Stümpfli1
Wie Sie aus der Antwort von Walewski auf unsre Reclamation wegen des Werbbüreau in Pontarlier ersehen2, habe ich mich nicht geirrt, wenn ich schon aus seinem Benehmen bei Übergabe der hierauf bezüglichen Note den Schluss zog, dass man in dieser Sache kaum auf wirksame Unterstüzung unsrer gegen die Anwerbung in fremden Kriegsdienst gerichteten Gesezgebung zählen kann. Auf das Begehren betreffend Aufhebung des Werbbüreau in Pontarlier ist gar nicht geantwortet. Ich werde den nächsten ordentlichen Audienztag benuzen, um vor Allem über diese Antwort einige nähere Aufschlüsse zu erhalten und Ihnen dann darüber Weiteres berichten. Ich zweifle nicht, dass man von Seite Roms der Reclamation entgegengearbeitet hat; der Nuntius hatte bald, nachdem derselben in öffentlichen Blättern Erwähnung geschah, sich einmal dahin geäussert: es scheine, die Schweiz wolle bei diesen Werbungen eine Strenge geltend machen, die man bei den Werbungen zum Feldzug in die Krim weder gegen England noch gegen Frankreich geübt habe.3
Wie ich gestern hörte, soll auch hier die Frage der Besetzung der neutralisirten Theile Savoyens an die Commission du Contentieux überwiesen worden seyn und es ist daher schwerlich sehr bald eine Antwort auf Ihre Circular-Note4 von der französischen Regierung zu erwarten. Frankreich und Sardinien werden sich vorher über diese Spezialfrage unter sich ins Einverständnis sezen.
Über die Situation im Allgemeinen nichts Neues, als dass eine Unterredung mit einer der kaiserlichen Familie angehörigen Persönlichkeit mir bestätigte, was ich im lezten Schreiben5 betreffend die jezige Stimmung in den Tuilerien gemeldet habe. Auf der ändern Seite aber werden die Rüstungen in solchem Maassstabe fortgesezt, dass man sich nicht wundern darf, wenn man immer noch mit gleicher Besorgnis der künftigen Entwicklung der Dinge entgegensieht. Ich halte immer an der öfters schon ausgesprochenen Ansicht fest. Krieg oder Frieden wird wesentlich von der Haltung Englands (dem sich Preussen anschliesst) abhängen. Darum ist die jezige Ministerkrisis von so grosser europäischer Bedeutung.