Classement thématique série 1848–1945:
III. AFFAIRE DE NEUCHÂTEL
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1, doc. 274
volume linkBern 1990
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#559* | |
Old classification | CH-BAR E 2(-)1000/44 102 | |
Dossier title | Barman Joseph Hiazynth, von St. Maurice, Saillon (1848–1857) | |
File reference archive | C.220.10 |
dodis.ch/41273
L’Envoyé extraordinaire de Suisse à Paris, J. C. Kern, au Président de la Confédération, C. Fornerod1
Sie haben, obgleich ich Ihnen in meinem letzten Rapport bemerkte2, dass ich aus Gründen der Diskretion – namentlich auch wegen meines gegenwärtigen gespannten Verhältnisses zu Barman – nicht gerne mich entschliesse, das Detail der Unterredung, welche lezten Samstag Prinz Napoleon mit mir hatte, zu berichten, telegraphisch den Wunsch ausgesprochen3, dass ich Ihnen auch über die Unterredung betreffend Barman in Details rapportire. Sie erhalten daher beiliegend die Unterredung, wie ich sie möglichst dem Gedächtnis getreu niedergeschrieben habe. Ich muss Sie nur bitten, dass darüber die allergrösste Discretion von Allen beobachtet werde, denen sie zu Gesichte kommen, und ja nichts darüber über die Mitglieder des Bundesrathes hinaus laut werden zu lassen.
Behalten Sie dann das Manuscript bei Ihren Händen bis zu meiner Rükkehr. Ich habe keine Abschrift davon und möchte es den analogen Notizen von der ersten Mission für mein Privatarchiv beilegen. [...]
Notizen aus einer Unterredung mit dem Prinzen Napoléon am 31. Januar 1857 von 2 bis 3 Uhr. Niedergeschrieben am Abend des gleichen Tages.
Der Prinz beglükwünschte mich zuerst über den glüklichen Erfolg meiner ersten Mission. Sodann erkundigte er sich nach dem Stand der Dinge, wie es jezt sei. Ich theilte mit, was ich unbedenklich über die jezige Situation mittheilen konnte. Er kam dann auf die Frage der direkten Unterhandlungen zu sprechen: er glaube, wir sollten suchen, mit Preussen ins Reine zu kommen, ehe die Conferenz zusammentrete. Ich entgegnete: die Schweiz sei nicht abgeneigt, aber es sei nun doch an Preussen, den zweiten Schritt zu thun, nachdem die Schweiz den ersten durch Freilassung der Gefangenen gethan habe und dieser zweite Schritt müsste darin bestehen, dass Preussen den diplomatischen Verkehr wieder aufnehme. Dabei dürfe die Schweiz mit Recht erwarten, dass Sydow nicht mehr nach Bern zurükkehre, da er in der September-Insurrection bedeutend compromittirt sei. Dann ging der Prinz auf die Frage der Vertretung der Schweiz über und äusserte sich folgendermassen: «Sagen Sie mir, wie kommt es denn auch, dass die schweizerische Regierung Barman noch immer auf seinem Posten lässt? Ich habe persönlich nichts gegen Barman, habe nie etwas Unangenehmes mit ihm gehabt, stehe sogar bis auf gewissem Grade auf gutem Fuss mit ihm; aber B. ist jezt nicht der rechte Représentant der Schweiz: Barman comme Ministre de Suisse est mauvais sous tous les rapports; mauvais parce qu’il n’est pas à la hauteur de sa position, mauvais par ses antécédents; mauvais parce que sa femme n’a de relations qu’avec nos ennemis, les légitimistes (wörtlich). Ihre Regierung wird dies doch wissen? Warum bleibt denn doch B. Minister? Es ist ja zum Nachtheil des eigenen Landes. Hier kommt Alles darauf an, beim Kaiser Zutrauen und Einfluss zu haben, sonst ist es Schade für das Geld, das eine Representation kostet. Ich habe Ihnen dies schon das lezte Mal gesagt. Haben Sie Ihrer Regierung hievon nichts berichtet?» Ich antwortete, schriftlich nicht, wohl aber habe ich mündlich etwas davon gesagt, weil der Prinz es mir ausdrüklich in dem Sinn gesagt habe, seine Ansichten ohne Rükhalt auch dem Bundesrath zur Kenntnis zu bringen. Der Prinz nahm dann nochmals das Wort über die gleiche Frage und fuhr fort: «Sie müssen da persönliche Discretionsrüksichten ganz auf der Seite lassen und dürfen Ihrer Regierung Alles sagen, was ich hierüber bemerkt habe; denn ich sage es nicht aus irgend welchen persönlichen Rüksichten, sondern weil ich Interesse an Ihrem Land von jeher genommen habe und noch nehme und weil mir vorkommt, man schäze in der Schweiz die Wichtigkeit dieses Postens nicht hoch genug, sonst würde kaum Barman immer noch hier seyn. Schreiben Sie daher Ihrer Regierung ohne Scheu, was ich hier sage, ich stehe dazu. Je ne cache rien, das ist nicht meine Sache.»
Hierauf kam der Prinz von dem Brief zu sprechen, der angeblich als vom Geheimsekretär ausgehend in ein Waadtländisches Blatt abgedrukt worden sei. Da ich hierüber in einem besonderen Schreiben an den Hr. Bundespresidenten berichtet habe4, so übergehe ich diesen Theil des Gesprächs.
Am Schluss, als ich mich erhob, sagte mir der Prinz nochmals: «Aber nicht wahr? Sie sagen Ihrer Regierung Alles, was ich hier gesagt habe. Ja keine überplacirten Rüksichten, wo so wichtige Interessen Ihres Landes in Frage sind.» Dann fügte er bei: «Kommen Sie nur öfters zu mir; es wird mich jedesmal freuen und wenn ich Ihnen in etwas nüzlich sein kann, so kommen Sie ganz ungenirt. Sie werden mich immer bereit finden, Sie zu empfangen.» Hierauf verabschiedete ich mich. Es bleibt mir nur noch nachzutragen, dass am Tag vorher, wo ich dem Prinzen Jérôme einen Besuch abstattete, derselbe ganz in gleicherweise über Barman und über die Wünschbarkeit seiner Ersetzung sich aussprach wie Prinz Napoleon und zwar ohne alle und jede Veranlassung von meiner Seite, nur nicht so einlässlich und weitläufig wie Prinz Napoleon, der es offenbar zur Hauptaufgabe seiner Unterhaltung machte und dabei wiederholt sehr lebhaft wurde.