Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.2. Autriche
I.2.3. Affaires du Tessin
Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1, doc. 180
volume linkBern 1990
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#850* | |
Old classification | CH-BAR E 2(-)1000/44 497 | |
Dossier title | von Thom, Ludwig, aGbM; Graf Karnicky, interimistischer Geschäftsträger (1849–1853) | |
File reference archive | C.421.15.1 |
dodis.ch/41179
Die kaiserliche Regierung hat von dem Inhalte der an den Unterzeichneten k.k. Geschäftsträger gerichteten Note des hohen schweizerischen Bundes-Rathes vom 4.1. Mts.2 Kenntnis genommen und daraus mit Bedauern ersehen, dass die von dem Bundes-Rathe nach längerer Erwägung gefassten Beschlüsse ihren gerechten Erwartungen nicht entsprochen haben.
Eben so wenig als der Bundes-Rath sich veranlasst gefunden hat, noch einmal den nach seiner Ansicht bereits gelieferten Beweis von der Schuldlosigkeit des Cantons Tessin zu führen, eben so wenig kann es in der Absicht der kaiserlichen Regierung liegen, die Reihe notorischer Thatsachen zu wiederholen, welche die gegen den Canton Tessin ihrerseits ergriffenen Massregeln hervorgerufen und ihr den Anlass so wie die Berechtigung gegeben haben, von der Eidgenossenschaft ausreichende Bürgschaften für die Zukunft zu verlangen.
Dass dieses Verlangen erst jetzt als eine neue Forderung zu der alten hinzugekommen sei und zwar in einer Form, die mit dem ehrenhaften Fortbestehen eines selbständigen Staates nicht verträglich wäre, muss durchwegs in Abrede gestellt werden.
Gleich in der ersten nach dem Mailänder Attentate dem hohen Bundes-Rathe gemachten diesfälligen Mittheilungen3, hat der Unterzeichnete im Namen seiner Allerhöchsten Regierung vollkommene Bürgschaften gegen gefährliche, von
dem Gebiete der Eidgenossenschaft aus die Sicherheit des Kaiserstaates bedrohende Unternehmungen verlangt; als die kaiserliche Regierung dann zu ihrem
Bedauern in den Erwiederungen des Bundes-Rathes jene Bürgschaften, die sie
vertrauensvoll von seiner kundgegebenen Bereitwilligkeit, seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen in loyaler Weise nachzukommen, erwarten durfte, vergeblich gesucht, hat sich das kaiserliche Cabinet genöthigt gesehen, näher zu bezeichnen, worin dieselben zu bestehen hätten.
Hiedurch der Selbständigkeit der Eidgenossenschaft zu nahe treten zu wollen,
ist demselben nicht in den Sinn gekommen.
Wohl aber war der Unterzeichnete erst kürzlich im Aufträge seiner hohen
Regierung in dem Falle, den hohen Bundes-Rathe daran zu erinnern, dass die von
den Mächten der Schweiz gewährte bevorzugte Stellung ihr auch bestimmte
Pflichten auferlegt, deren Nichterfüllung letztere in Frage stellen müsste.4
In den Kreis jener speziellen Pflichten gehören aber solche Bürgschaften für
die Ruhe der Nachbarstaaten, wie sie von der kaiserlichen Regierung verlangt
und wie sie allgemein als gerecht, billig und gemässigt anerkannt worden sind.
Wenn der hohe Bundes-Rath diese ausdrücklichen Bürgschaften als überflüssig darzustellen sich bestrebt, weil sie bereits in den von den eidgenössischen
Behörden in ihren Beschlüssen ausgesprochenen Grundsätzen enthalten seien, so
kann die kaiserliche Regierung mit dieser Ansicht sich durchaus nicht einverstanden erklären.
Vielfache ältere Erfahrungen, so wie die neuesten im Canton Tessin, wo politische Flüchtlinge ohne Zustimmung des Bundes-Rathes geduldet worden sind,
haben gelehrt, wie leicht in Sachen des Asylrechtes selbst Bundes-Beschlüsse zum
grössten Nachtheil der Ruhe und Sicherheit der Nachbarstaaten umgangen werden können.
Aus dem nämlichen Grunde hat die kaiserliche Regierung auch in Bezug auf
die Flüchtlingspolizei eine wirksame, noch näher zu bezeichnende Controle
beansprucht, wobei jedoch keineswegs in ihrer Absicht lag, einen direkten Einfluss auf die Abfassung des in Aussicht gestellten neuen Gesetzes über Fremdenpolizei, dessen Dringlichkeit übrigens von dem Bundes-Rathe selbst anerkannt
wird, ausüben zu wollen.
Nachdem jedoch der hohe Bundes-Rath abgelehnt hat, die von der kaiserlichen Regierung begehrten Bürgschaften zu gewähren, so kann auch die davon
abhängig gemachte Wiederherstellung des Gränzverkehrs mit Tessin auf die früheren Füsse für jetzt nicht Platz greifen und muss der weiteren Entwicklung der
Ereignisse untergordnet bleiben.
Da ferner unter diesen Umständen die kaiserliche Regierung von einer Fortsetzung der Diskussion ein erspriessliches Resultat zu erwarten nicht vermag, so
ist auf Allerhöchsten Befehl dem Unterzeichneten die Weisung zugekommen,
einstweilen den Sitz der Bundes-Regierung zu verlassen und sich nach Wien zu
begeben.5
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