Classement thématique série 1848–1945:
I. RELATIONS BILATÉRALES
I.2. Autriche
I.2.3. Affaires du Tessin
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 1, Dok. 166
volume linkBern 1990
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E2#1000/44#354* | |
Dossiertitel | Säkularisation im Kanton Tessin (1852–1853) | |
Aktenzeichen Archiv | B.252.2.1 |
dodis.ch/41165
Durch verehrliche Note der k.k. österreichischen Gesandtschaft in der Schweiz vom 19. Hornung2 hat der schweizerische Bundesrath die offizielle Anzeige von der Ausweisung sämmtlicher Angehörigen des Kantons Tessin aus der Lombardie erhalten. Derselbe wollte vorerst den Bericht des nach dem Kanton Tessin abgeordneten Kommissärs abwarten, um über die Vollziehung dieser so auffallenden Massregel, so wie über die Mittel, die zur Hebung des eingetretenen Missverständnisses geeignet sein könnten, nähere Aufschlüsse sich zu verschaffen, und er gibt sich nunmehr die Ehre, seine Erwiderung einem k.k. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten zustellen zu lassen.
Der schweizerische Bundesrath hat in seinen Antworten vom 3. Jänner und vom 7. Hornung3 nachgewiesen u.s.w., dass die Regierung des Kantons Tessin die Entfernung einiger Kapuzinermönche, die als Glieder einer mit öffentlichen Funktionen betrauten Korporation unter spezieller Aufsicht des Staates stehen, keineswegs nach blosser Willkür, sondern auf Grund ihrer verderblichen Wirksamkeit und ihrer staatsfeindlichen Tendenzen angeordnet und dadurch nur ein Recht ausgeübt hat, das von einer kaiserlichen Regierung in der Lombardie in zahlreichen Fällen schon oft an Tessinern und ändern Schweizern geltend gemacht worden ist. Nach diesen Erörterungen und nachdem die Regierung des Kantons Tessin, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu seyn, und ohne Vermögen von den Ausgewiesenen bezogen zu haben, auf Verwendung des Bundesrathes hin sich selbst herbeigelassen hat, den Betreffenden eine angemessene Pension für drei Jahre zuzusichern4, während in einem analogen Falle gesezlich mehr nicht als ein Viaticum gleich einer Pension von drei Monaten verheissen worden war, glaubte der Bundesrath sich der Erwartung hingeben zu dürfen, dass eine k.k. Regierung sich überzeugen werde, der Kanton Tessin habe den Forderungen der Billigkeit ein volles Genüge geleistet. Der waltende Anstand konnte nur noch das Mehr oder Weniger einer Geldentschädigung beschlagen.
Wegen eines solchen, im Grunde sehr unerheblichen Zwiespaltes, verschmäht es eine kaiserliche Regierung, die Unterhandlungen auf gütlichem Wege fortzusezen, oder die Reklamanten zunächst an den Richter zu weisen. Sie ergreift das Mittel der gehässigsten Repressalie. Sie entreisst viele Tausende, die an dem Vorgefallenen keine Schuld tragen, die auf den Schutz einer humanen Regierung vertrauten, aus ihren Geschäftsverbindungen heraus, schikt sie aus dem Lande, wo sie ihren Broderwerb zu finden gewohnt waren, weg, ohne irgend eine Rüksicht auf Lage, Alter und Geschlecht der Schuldlosen, und weist sie, grossen Theils aller Subsistenzmittel entblösst, einem Kanton zu, dem ohnehin aller Verkehr mit dem benachbarten Staate untersagt und die Zufuhr der nothwendigsten Nahrungsmittel abgeschnitten worden ist, was dem Bundesrathe Veranlassung zu einer besonderen Reklamation, d.d. 22. Februar l.J.5 gegeben hat. Diese unerhörte Massregel, die sich mit den sonst bewiesenen humanen Gesinnungen einer kaiserlichen Regierung kaum vereinbaren lässt, überschreitet in so auffallender Weise jedes Mass von Recht und Billigkeit, dass hierin nicht mehr eine einfache Repressalie, sondern ein nicht nur gegen den Kanton Tessin, sondern gegen die ganze Eidgenossenschaft gerichteter feindseliger Akt erkannt werden muss. Der Bundesrath muss sein tiefes Bedauern darüber aussprechen, dass durch solche feindselige Massnahmen das früher bestandene gute Einvernehmen zwischen zwei befreundeten Staaten gestört und in der ganzen Eidgenossenschaft ein Misstrauen gepflanzt worden ist, das um so tiefere Wurzeln fassen und um so empfindlicher zum Nachtheil der beiderseitigen Bevölkerungen sich äussern muss, je länger der anormale Zustand fortdauern wird. Um so entschiedener muss der schweizerische Bundesrath die baldige Wiederherstellung der früher bestandenen Verhältnisse verlangen und jede Verantwortlichkeit für allfällig weitere nachtheilige Verwikelungen von sich ablehnen.6
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