Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 1, doc. 124
volume linkBern 1990
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Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E2#1000/44#341* | |
Old classification | CH-BAR E 2(-)1000/44 36 | |
Dossier title | Österr. Militär-Grenzkordon gegen Tessin und Graubünden und Notenwechsel mit der österr. Gesandtschaft (1851–1852) | |
File reference archive | B.252.1.1 |
dodis.ch/41123
Der schweizerische Bundesrath hat mit Gegenwärtigem die Ehre, Seiner Excellenz etc. den richtigen Empfang der schäzbaren Note vom 7.1. M.2 zu bestätigen und dabei zu bemerken, dass er nicht ermangelt hat, dieselbe in Abschrift seinem Kommissär, dem H. eidgenössischen Obersten Bourgeois-Doxat3, mittheilen zu lassen.
Es gereicht dem schweizerischen Bundesrath zum Vergnügen, aus der erwähnten Note entnehmen zu können, dass das Hochpreisliche K. K. Ministerium keinen Anstand genommen hat, den Herrn Feldmarschall Grafen Radetzky aufzufordern, den offiziellen Verkehr mit dem eidgenössischen Kommissär sofort wieder anzuknüpfen und auf diesem Wege die Beilegung sämmtlicher aus dem Gränzkordon herrührenden Reklamationen zu versuchen.
Wenn auch der schweizerische Bundesrath im Falle war, in seiner Note vom 18. v. Mts.4 sein Bedauern darüber auszusprechen, dass von Seite des H. Grafen Gyulai die kommissarischen Verhandlungen in so auffallender Weise abgebrochen worden seien, während offenbar der Irrung, welche hiezu die Veranlassung gegeben hatte, nur ein Missverständnis zu Grunde lag, das bei einer ruhigen Verständigung leicht aufgehellt worden wäre, so will er auf der ändern Seite doch gerne in der jüngsten Verfügung des K. K. Ministeriums einen neuen Beweis dafür erbliken, dass man auch jenseits die Hand dazu bieten werde, um alles zu beseitigen, was die freundnachbarlichen Beziehungen zwischen beiden Regierungen irgend beeinträchtigen könnte.
In derselben verehrlichen Note haben sich sodann Se. Excellenz etc. zu der Bemerkung beauftragt gesehen, dass von den wieder zu eröffnenden Verhandlungen nur dann ein günstiger Erfolg gehofft werden könne, wenn dem eigenössischen Kommissär das entschiedenste und durchgreifendste Auftreten gegenüber den Kantonalbehörden in Tessin und dem vom leztern offen geduldeten Schmugglerwesen zu strenger Pflicht gemacht werde. Diese Insinuation kann der schweizerische Bundesrath um so weniger mit Stillschweigen hinnehmen, als damit ein Grundsaz aufgestellt wird, welcher, nach dem im europäischen Staatensysteme gütigen Völkerrechte nicht zu rechtfertigen sein möchte. Völkerrechtlich ist nämlich jeder Staat befugt, Kauf und Verkauf, überhaupt den öffentlichen Verkehr innerhalb seines Gebietes je nach Konvenienz zu gestatten oder zu verbieten, und es kann ihm nicht zur Pflicht gemacht werden, den Export nach einem ändern Staate zu überwachen oder sogar zu verhindern. Vielmehr ist es Sache des leztern Staates, das Einbringen von Waaren zu verhüten, sofern dasselbe mit seiner Handelspolitik unverträglich ist und es geschieht dies auch rings an der schweizerischen Gränze in reichlichem Maasse. Die Richtigkeit der vorstehenden Ansicht geht wohl schon daraus hervor, dass es in Europa kein Land geben dürfte, in welchem nicht der Schleichhandel in dieser oder jener Gestalt in grösserm oder geringem Umfange im Schwünge wäre und dass selbst im deutschen Staatenkomplexe das Schmugglerwesen nicht verhütet werden kann, wie der Bundesrath bereits in seiner Note vom 16. Juli5 einlässlicher dies anzudeuten die Ehre hatte. Was dann speziell den Schmuggelhandel an der tessinisch-lombardischen Gränze betrifft, so erlaubt sich der schweizerische Bundesrath darauf hinzuweisen, dass die Konterbande notorisch nicht von schweizerischen Angehörigen, sondern beinahe ausschliesslich von Lombarden selbst betrieben wird und dass schon aus diesem Gesichtspunkte die Inkonvenienz nicht der Schweiz imputirt und aus jenem Verhältnisse keine Beschwerde gegen den leztern Staat erhoben werden kann. Der schweizerische Bundesrath glaubt selbst nicht zu weit gehen, wenn er die Behauptung aufstellt, dass diejenigen lombardischen Angehörigen, welche aus dem Kanton Tessin nach der Lombardie Waaren einschmuggeln, aus lezterm Staate nach der Schweiz Gegenstände unter Umgehung der herwärtigen Zollbestimmungen einbringen. Hiebei wird aber die Schweiz sich nie veranlasst sehen, den K. K. Behörden einen Vorwurf zu machen, vielmehr anerkennt sie es lediglich als ihre eigene Pflicht, ihrem Zollgeseze die gebührende Nachachtung zu verschaffen.
Wenn endlich in der sehr geehrten Note darüber Beschwerde geführt wird, dass bei Untersuchungen über Vorfälle am Gränzkordon die Aussagen von Leuten, welche notorisch das verwerfliche Gewerbe des Schleichhandels treiben, auf gleiche Linie gestellt werden mit den beeidigten Aussagen kaiserlicher Soldaten und Beamten, so glaubt der schweizerische Bundesrath dies auf den Vorfall beziehen zu sollen, welcher sich vor einiger Zeit bei Novazzano zugetragen hat.6 Hiebei muss man aber daran erinnern, dass es sich bei erwähntem Anlasse um solche Militärs gehandelt hat, welche an der Sache selbst unmittelbar betheiligt waren und deren Aussagen deshalb nicht als frei von jedem Partikularinteresse angesehen werden konnten. In jedem ändern Falle, wo nämlich eine ganz unbefangene Deposition vorauszusezen ist, werden die schweizerischen Behörden die jenseitigen Aussagen nach ihrem ganzen Werthe zu würdigen nicht anstehen.
Indem der schweizerische Bundesrath wiederholt seinen festen Willen ausspricht, die freundnachbarlichen Beziehungen, so viel an ihm liegt in ihrer ganzen Integrität aufrecht zu erhalten, glaubt er, im Hinblike auf die so oft bewiesenen loyalen Gesinnungen des K. K. Ministeriums auf der ändern Seite der Hoffnung Raum geben zu dürfen, dass Missverständnisse, wie diejenigen, die zu vorliegender Korrespondenz die Veranlassung gaben, sich nicht wiederholen oder eventuell ohne Störung der internationalen Beziehungen ihre sofortige Ausgleichung finden werden.
- 1
- Note (Copie): E 2/341.↩
- 2
- Non reproduite.↩
- 3
- 2.Nommé Commissaire fédéral à la demande du Conseil d’Etat du Tessin le 20 juillet 1851 (E 1004 1 /8 no 2615) à la suite de violations du territoire suisse par des patrouilles autrichiennes. Cf. ses instructions dans E 2/344.↩
- 4
- En fait du 19 septembre 1851, non reproduite.↩
- 5
- 6/43.↩
- 6
- Allusion à l’arrestation de contrebandiers sur territoire suisse, près de Novazzano, par des militaires autrichiens, le 11 juillet 1851. Cf. le rapport de Bourgeois-Doxat au Conseil fédéral du 29 juillet 1851 (E 2/344).↩