Erwägungen über die Atombombe als Kriegsmittel und ihre Folgen für die Verteidigung der Schweiz.
Abgedruckt in
Diplomatische Dokumente der Schweiz, Bd. 16, Dok. 24
volume linkZürich/Locarno/Genève 1997
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Archiv | Schweizerisches Bundesarchiv, Bern | |
Signatur | CH-BAR#E27#1000/721#19038* | |
Dossiertitel | Forschung über die Verwendung der Atomenergie für militärische und zivile Zwecke, Bd 1 - 9 (1945–1950) | |
Aktenzeichen Archiv | 09.A.08.a |
dodis.ch/334 BETR. ATOMZERTRÜMMERUNG
Die erfolgreichen Bemühungen der Alliierten, die dazu geführt haben, eine auf dem Prinzip der Atomzertrümmerung beruhende, höchst wirksame Bombe zu konstruieren, werden zweifellos in ihrer weitern Entwicklung einen weitgehenden Umbruch auf dem Gebiete der allgemeinen Technik, besonders aber der Kriegstechnik zur Folge haben. Schon heute werden Stimmen laut, die gestützt auf diese Erfindung die Nutzlosigkeit unserer Landesverteidigung behaupten, während anderseits von wissenschaftlicher Seite sicher mit Recht darauf hingewiesen wird, dass auch gegen dieses neueste Kriegsmittel wiederum Gegenmittel gefunden werden.
Auf alle Fälle ist es von grösster Wichtigkeit, dass wir auch von Seiten unserer Armee uns unverzüglich mit diesen Problemen befassen. Für den Augenblick scheinen sich mir folgende Fragen aufzudrängen:
1. Wird die schweizerische Wissenschaft und Technik in der Lage sein, das Problem der praktischen Verwendung der Atomzertrümmerung zu Kriegszwecken in absehbarer Zeit zu lösen?
2. Ist vorauszusehen, dass die Vorbereitung für derartige Zwecke mit fortschreitender Entwicklung in einem Rahmen gehalten werden können, der unseren personellen, materiellen und finanziellen Mitteln entspricht?
3. Inwiefern wird die Wirkung von Atombomben durch unsere Geländegestaltung voraussichtlich beeinflusst? (Wirkung von Atombomben, die in Täler abgeworfen werden, in den beiden Talrichtungen und gegen die auf Hängen, Terrassen und Gipfeln der solche Täler begrenzenden Höhen aufgestellten Objekte und Truppen?)
4. Welche Mittel können entwickelt werden, um dem Angriff mit Atombomben begegnen zu können? (Flab. Artillerie mit Geschossen, die selbst auf dem Prinzip der Atomzertrümmerung aufgebaut sind und die gegnerischen Bomber zerstören, auch wenn die Geschosse nicht in deren unmittelbaren Nähe platzen, oder Zerstörung der Atombomben und ihrer Trägerflugzeuge durch elektrische Strahlen, also eine sogenannte Elektrosperre?)
Ich beehre mich daher, Ihnen zuhanden der Landesverteidigungskommission zu beantragen, es möchte unverzüglich eine Studienkommission gebildet werden2, die aus dem Generalstabschef, dem Chef der Kriegstechnischen Abteilung und einigen prominenten Vertretern der Atomphysik zu bestehen hätte. Diese Kommission hätte zunächst die grundlegenden Fragen, insbesondere aber das weitere Vorgehen abzuklären und ein Programm dafür aufzustellen. Je nach Umständen wäre dann die weitere Arbeit einer rein wissenschaftlichen Kommission oder allenfalls einem einzelnen prominenten Wissenschafter zu übertragen, der zunächst zuhanden der Landesverteidigungskommission einen grundlegenden Bericht abzufassen hätte. Je nach der Entwicklung der Angelegenheit, die sich heute noch nicht voraussehen lässt, wären dann die weiteren Beschlüsse zu fassen. Die notwendigen Kredite müssten frühzeitig angefordert werden; da es sich ja zunächst nur um eine vorbereitende, rein theoretische Arbeit handeln kann, dürften sie vorläufig nicht allzu gross werden.
- 1
- Schreiben: E 27/19038/1. Handschriftliche stenographische Anmerkungen von K. Kobelt: Herrn Bracher: 1. Kopie dieses Schreibens an KTA zur Stellungnahme und vorläufigen Orientierung über Beurteilung durch die Atombombe geschaffene Lage. 2. Mitteilung an Ausbildungschef, dass ich bereit bin die Angelegenheit an LVK vorzulegen. 21. 8. 1945 K.↩
- 2
- Die erste Sitzung dieser von H. Frick vorgeschlagenen Kommission fand am 5. November 1945 statt. Die offizielle Ernennung durch den Bundesrat fand am 8. Juni 1946 statt, vgl. BR-Prot. Nr. 1513, E 1004.1 1/470.Zur Tätigkeit dieser Kommission vgl. DDS, Bd. 16, Dok. 60, dodis.ch/335 und E 27/19039.↩
Verknüpfungen mit anderen Dokumenten
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