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Documenti Diplomatici Svizzeri, vol. 23, doc. 29
volume linkZürich/Locarno/Genève 2011
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Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#J1.223#1000/1318#130* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR J 1.223(-)1000/1318 17 | |
Titolo dossier | Kriegsmaterial, v.a. Ausfuhr von Kriegsmaterial (1938–1972) | |
Riferimento archivio | 3.04.1 |
Archivio | Archivio federale svizzero, Berna | |
▼ ▶ Segnatura | CH-BAR#E2001E#1978/84#189* | |
Vecchia segnatura | CH-BAR E 2001(E)1978/84 7 | |
Titolo dossier | Ankauf von fremdem Kriegsmaterial (1950–1965) | |
Riferimento archivio | A.14.41.32.0 |
dodis.ch/31825
Notiz des Rechtsberaters des Politischen Departements, R. Bindschedler1
Ausfuhr von Kriegsmaterial
1) Die einfachste Lösung wäre die Abschaffung der bestehenden Einschränkungen der Ausfuhr2. Da dies jedoch politisch kaum realisierbar sein wird, sei im folgenden davon abgesehen. Infolge der technischen Entwicklung auf dem Gebiete des Rüstungswesens in den letzten Jahren hat sich das Problem geändert. Vor allem muss die Frage der Ausfuhr viel mehr im Zusammenhang mit der allgemeinen Rüstungspolitik der Schweiz gesehen werden.
2) Mehr und mehr wird sich in Zukunft das Schwergewicht unserer Rüstungen auf die Einfuhr von Kriegsmaterial3 verlegen müssen. Damit schwindet die Bedeutung einer eigenen Rüstungsindustrie. Diese Entwicklung wird sich teilweise wohl automatisch ergeben, wird aber auch bewusst gefördert werden müssen. Zahlreiche Gründe sprechen hiefür:a.
Eine moderne Armee verlangt mehr und mehr technisch hochentwickelte und komplizierte Kriegsmittel, die im Inland überhaupt nicht oder dann nur in unwirtschaftlicher Weise hergestellt werden können. Dazu gehören nicht nur die Flugzeuge, sondern auch das ganze Gebiet der elektronischen Kriegsmittel, sowie wohl auch die Flabraketen und andere Raketenwaffen, deren Bedeutung zunehmen wird. Das Exposé des Generalstabschefs4 weist selbst darauf hin (Seite 4).
Ein Sonderproblem würde die Beschaffung von Nuklearwaffen5 darstellen. Solche sind aus dem Ausland nicht erhältlich. Aber auch wenn die Eigenproduktion möglich wäre, käme ein Export kaum in Frage. Dieser Aspekt kann deshalb vernachlässigt werden.b.
Die Einfuhr von Kriegsmaterial ist im allgemeinen billiger als die Herstellung im Inland, wie auch das Exposé6 des Generalstabschefs feststellt (Seite 3). Da das Kriegsmaterial immer teurer wird und die Militäraufwendungen in Zukunft zunehmen werden, kommt diesem Umstand in den heutigen Verhältnissen vermehrte Bedeutung zu. Es wird finanziell leichter sein, eine kriegsgenügend ausgerüstete Armee aufrecht zu erhalten, wenn vermehrt auf die Einfuhr abgestellt wird.c.
Dem Vorteil der Produktion im Inland, dass das Material auf unsere Bedürfnisse ausgerichtet werden könne, wird eine übertriebene Bedeutung zugemessen. Es ist nicht einzusehen, warum die Kriegführung in der Schweiz, vor allem im Mittelland, besonderes Kriegsmaterial erfordern soll. Geländebeschaffenheit und Klima unterscheiden sich kaum von weiten Teilen des übrigen Europa. Die Berücksichtigung von besonderen Bedürfnissen betrifft in der Regel unwesentliche Einzelheiten oder führt zu einem übertriebenen Perfektionismus, sowie auch zu Zeitverlusten. Ein Beispiel hiefür stellt die Einführung eines modernen Maschinengewehrs dar, das die Deutschen schon im zweiten Weltkrieg kannten. Allerdings gibt es gewisse Einzelfälle, wo besondere Anforderungen gerechtfertigt sind, wie bei Flugzeugen, die in Kavernen untergebracht werden müssen. Diese Fälle sind aber doch wohl gering an Zahl.
3) Unsere Armee muss vor allem für den Kriegsfall ausgerüstet sein. Wird aber die Schweiz in einen Krieg verwickelt, so fallen die Nachteile des Importes und der damit verbundenen Auslandsabhängigkeit weitgehend dahin. Infolge der Kleinheit unseres Landes ist nämlich dann eine eigene Produktion von Kriegsmaterial kaum mehr möglich. Das gibt auch das Exposé7 des Generalstabschefs zu (Seite 7).
Um einen Krieg auf längere Dauer führen zu können, sind wir auf die Vorräte und auf Unterstützung durch das Ausland angewiesen.
Das Risiko, dass bei Kriegsausbruch die Lieferungen aus dem Ausland unterbrochen werden, darf nicht überschätzt werden. Die Schweiz wird kaum allein in einen Krieg hineingerissen werden, sondern sich an der Seite anderer Staaten finden. Diese werden ein grosses Interesse daran haben, die schweizerische Armee möglichst lange kampffähig zu erhalten und sie zu diesem Zweck mit Kriegsmateriallieferungen zu unterstützen. Kurzfristig kann dem Risiko durch die Anlage von genügend Vorräten und Ersatzteillagern begegnet werden.
Die Unterstützung durch das Ausland mit Kriegsmaterial ist aber sehr viel einfacher, wenn wir gleiche Waffen und vor allem gleiche Munition verwenden. Besonders die Gleichheit der Munition spielt hier eine überragende Rolle. Bei den technischen Übermittlungsmitteln wird die Verbindung mit einem allfälligen Bundesgenossen leichter hergestellt werden können. Wenn die schweizerische Armee ausländisches Rüstungsmaterial verwendet, kann die Unterstützung auch rascher erfolgen. Schliesslich braucht die Armee im Kriege dann nicht noch an neuen Waffen ausgebildet zu werden.
Es zeigt sich, dass im Kriegsfall die eigene Rüstungsindustrie nur eine untergeordnete Rolle spielt.
4) Anders liegen die Dinge im Falle der bewaffneten Neutralität. Hier sind die Nachteile der Importabhängigkeit am grössten.
Die Kriegführenden haben eher Veranlassung, ihre Lieferungen an die Schweiz zu unterbrechen, wenn diese neutral bleibt. Die neutrale Schweiz gewährt ihnen keine Hilfe und erbringt damit keine direkt wirksame Gegenleistung.
Die Eigenproduktion kann weitergeführt werden, allerdings nur wenn die nötigen Rohstoffe und Halbfabrikate vorhanden sind oder noch aus dem Ausland bezogen werden können. So war es dann auch 1939 bis 1945 möglich, eine erhebliche Verstärkung der schweizerischen Armee durchzuführen.
Die Eigenproduktion von Kriegsmaterial ermöglicht ferner auch die Ausfuhr. Gerade im Zustand der bewaffneten Neutralität kann in derartigen Exporten einer der stärksten Trümpfe der schweizerischen Handelspolitik und Aussenpolitik liegen8. Die Erfahrungen während der beiden letzten Weltkriege haben das gezeigt; die zu Beginn des Krieges erlassenen allgemeinen Exportverbote9 mussten bald gelockert werden. Im Neutralitätsfall spielt auch das Argument der Arbeitsbeschaffung in diesem Zusammenhang eine Rolle.
Die Nachteile einer ungenügenden Eigenproduktion an Kriegsmaterial im Zustande der bewaffneten Neutralität können aber teilweise behoben werden. Es sind genügende Vorräte an Waffen, Ersatzteilen und Munition zu halten. Vor allem würde dies bedingen, über längere Zeitperioden hindurch eine konstante Rüstungspolitik zu befolgen, so dass die Armee immer quantitativ und quali tativ genügend ausgestattet ist und nicht während des Neutralitätszustandes noch materiell verstärkt werden muss. Die Rüstungen dürfen nicht dem Rhythmus der politischen Spannungen folgen, wie das vor dem zweiten Weltkrieg der Fall war. Das bedingt die ständige Aufrechterhaltung des Militärbudgets und seine rechtzeitige Erhöhung, wenn die technische Entwicklung dies erfordert. Unsere Anstrengungen müssen immer mit denjenigen der andern Armeen parallel gehen.
5) Es stellt sich allerdings die Frage, ob das Ausland uns noch Kriegsmaterial liefern wird, wenn wir grundsätzlich keines mehr exportieren und die Nichtausfuhr von Kriegsmaterial als politischen und moralischen Grundsatz proklamieren. In einer solchen Politik liegt eine gewisse Heuchelei. Der Verzicht auf den Export und damit weitgehend auf die Eigenproduktion führt, wie dargelegt, zur Abhängigkeit von der Einfuhr. Wir schieben damit einfach das Odium der Kriegsmaterialherstellung auf andere Staaten ab.
6) Wenn man eine eigene Rüstungsindustrie in einem bestimmten Umfang und damit auch die damit notwendigerweise verbundene Ausfuhr von Kriegsmaterial aufrechterhalten will, stellt sich die Frage, nach welchem Kriterium die Ausfuhrbewilligung erteilt werden soll.
Der bisherige Grundsatz, keine Waffen nach Gegenden zu exportieren, in denen ein bewaffneter Konflikt im Gange ist oder auszubrechen droht10, befriedigt nicht. Er verhindert die Lieferung an Staaten, die keine aggressive Politik verfolgen, sich jedoch in einem Notstand der Verteidigung befinden. Als Beispiel sei Indien erwähnt, das der chinesischen Expansionspolitik ausgesetzt ist11. In einer ähnlichen Lage könnte sich auch eines Tages die Schweiz befinden, die dann froh wäre, Hilfe in Form von Kriegsmateriallieferungen zu erhalten.
Ein neuer Grundsatz wäre, auf die Unterscheidung zwischen Offensivund Defensivwaffen abzustellen12. Man würde aus politischen Gründen grundsätzlich nur den Export der letzteren zulassen.
Sicher hat diese Unterscheidung nur einen relativen Wert. Die meisten Waffen sind zu beiden Zwecken geeignet; ihr Charakter hängt vom Einsatz ab.
Immerhin gibt es taktisch gesehen ausgesprochene Defensivwaffen wie Kanonen und Raketen für die Panzer- und Fliegerabwehr. Es ist aber zu berücksichtigen, dass, wenn auch diese Waffen taktisch nicht offensiv eingesetzt werden können, sie trotzdem für Angriffsoperationen notwendig sind, weil sie sie erst ermöglichen. Bewegungen von Panzern und Infanterie wie auch der Einsatz von Artillerie sind ohne Flabschutz in den heutigen Verhältnissen kaum denkbar. Ähnliches gilt für die Panzerabwehr. Die militärische Kriegführung bildet eben eine Einheit. Die Dinge liegen anders, wenn ein Staat keine oder nicht eine genügende Anzahl von ausgesprochenen Offensivwaffen besitzt und somit militärisch keine Angriffe grösseren Stils durchführen kann. Der Export von reinen Defensivwaffen an solche Staaten würde deren Offensivpotential nicht erhöhen und könnte zugelassen werden. Zu dieser Kategorie von Staaten können Österreich, Schweden und andere europäische Länder gerechnet werden13. Hingegen gilt die Überlegung kaum für Asien, Afrika und auch Südamerika, weil dort Kriege auf viel primitiverer Stufe geführt werden und die Zahl der Menschen den Ausschlag gibt.
Ein günstiger Umstand für die Schweiz liegt darin, dass ihre Rüstungsindustrie vor allem eigentliche Defensivwaffen produziert wie Flabkanonen und -raketen, Panzerabwehrraketen, Maschinengewehre und Pistolen. Der Export könnte auch zugelassen werden in Staaten, die keine Expansionspolitik betreiben. Es hätte dies allerdings den Nachteil, dass wir vor der Erteilung von Bewilligungen die Aussenpolitik ausländischer Staaten beurteilen müssten. In vielen Fällen würde es faktisch unmöglich sein, einen eindeutigen Entscheid zu treffen, in andern jedoch wird die Lage klar sein. Bei eigentlichen Kriegen würde das Neutralitätsrecht allerdings eine derartige Unterscheidung verbieten.
7) Es ist schwierig, aus dieser Lage eindeutige Schlussfolgerungen zu ziehen. Massgebend wird sein, ob das Schwergewicht mehr auf den Kriegsfall oder den Zustand der bewaffneten Neutralität gelegt wird. Ein ganzer und ein teilweiser Verzicht auf eine eigene Rüstungsindustrie könnte trotz der Nachteile verantwortet werden, wenn die entsprechenden Konsequenzen in Bezug auf Vorratshaltung und konstante Rüstungspolitik auf hohem Niveau gezogen werden.
Im Sinne eines Kompromisses könnten hier folgende Richtlinien aufgestellt werden:
a. Vermehrte Abstellung auf die Einfuhr von Kriegsmaterial für die Ausrüstung unserer Armee, wozu sowohl technische wie auch finanzielle Erwägungen ohnehin führen werden. Das bedeutet aber grosse Lagerhaltung und konstante Rüstungsanstrengungen auf hohem Niveau.
b. Eine Produktionsverlagerung der schweizerischen Rüstungsindustrie ins Ausland wird in Kauf genommen14.
c. Die Ausfuhr von Kriegsmaterial und zwar von Defensivwaffen wird zugelassen nach Staaten, die nicht in der Lage sind, Offensivoperationen durchzuführen. Die Ausfuhr könnte ferner gestattet werden nach Staaten, die keine Expansionspolitik betreiben.
- 1
- Notiz (Kopie): E 2001(E)1978/84 Bd. 7 (A.14.41). Handschriftliche Marginalie von R. Bindschedler: Herr Bundesrat Wahlen nur eine Skizze.↩
- 2
- Für eine Übersicht über die Problematik des Kriegsmaterialexports vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 29, dodis.ch/31195.↩
- 3
- Vgl. dazu DDS, Bd. 23, Dok. 17, dodis.ch/31396, Anm. 6.↩
- 4
- Vgl. dazu das Schreiben von J. Annasohn an die Direktion der Militärverwaltung vom 29. April 1964, dodis.ch/31835.↩
- 5
- Zur Frage der Atombewaffnung der Schweizer Armee vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 15, dodis.ch/31971, bes. Anm. 3.↩
- 6
- Vgl. Anm. 4.↩
- 7
- Ibid.↩
- 8
- Zur Frage des Kriegsmaterialexports in Zusammenhang mit der bewaffneten Neutralität vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 152, dodis.ch/30895.↩
- 9
- Vgl. DDS, Bd. 13, Dok. 156, dodis.ch/46913.↩
- 10
- Zu dieser sog. ständige [n]bundesrätliche [n]Praxis vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 28, dodis.ch/31386, Anm. 7.↩
- 11
- Vgl. dazu das Schreiben von P. Micheli an J.-A. Cuttat vom 9. November 1962, dodis.ch/18951.↩
- 12
- Zur Frage der Unterscheidung zwischen Offensiv -und Defensivwaffen, bes. im Zusammenhang mit Kriegsmaterialexporte nach Südafrika, vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 152, dodis.ch/31386, das BR.-Prot. Nr. 2073 vom 5. November 1963, dodis.ch/30420 sowie das Schreiben von A. Meyer an P. Micheli vom 20. Mai 1964, dodis.ch/32003.↩
- 13
- Zur militärischen Zusammenarbeit mit Schweden vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 160, dodis.ch/31211 und zur Zusammenarbeit mit Österreich vgl. DDS, Bd. 23, Dok. 148, dodis.ch/31105, bes. Anm. 9.↩
- 14
- Zur Frage einer allfälligen Produktionsverlagerung ins Ausland vgl. die Notiz des politischen Departements vom 23. Dezember 1963, dodis.ch/30437; das Memorandum über die Besprechung beim Vorsteher des Eidg. Politischen Departementes vom 19. Dezember in Bern von D. Bührle vom 22. Januar 1964, dodis.ch/31930; die Stellungnahme der Kriegstechnischen Abteilung des Militärdepartements vom 21. April 1964, dodis.ch/32002 sowie das Schreiben von J. Annasohn an die Direktion der Militärverwaltung, vom 29. April 1964, dodis.ch/31835.↩
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